Köln – Operativ bedingte Lagerungsschäden sind immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Dabei bestehen im Arzthaftungsprozess prozessuale Besonderheiten, die schon im Vorfeld im ärztlichen Arbeitsalltag berücksichtigt werden können, um einer nachteiligen Beweisnot im Fall der Fälle zu entgehen.
1.In der Rechtsprechung haben sich in den vergangenen Jahren besondere Gruppen von Arzthaftungsfällen herausgebildet, die im gerichtlichen Verfahren Änderungen der Beweislastregelungen mit sich bringen.
In der deutschen Zivilprozessordnung gilt der
Grundsatz, dass derjenige, der einen Anspruch gerichtlich geltend macht, auch
den Beweis zu erbringen hat, dass die Anspruchsvoraussetzungen hierzu erfüllt
sind. Daher ist es regelmäßig der Patient, der im Arzthaftungsprozess darlegen
und beweisen muss, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dieser zu einem
bestimmten Schaden geführt hat.
Die Rechtsprechung macht in Arzthaftungsprozessen von
diesem Grundsatz aber Ausnahmen, bei denen sie Fallgruppen herausgearbeitet
hat, in denen der Patient bestimmte Beweiserleichterungen erfährt:
Die bekannteste Konstellation ist der sog. „grobe Behandlungsfehler“, bei dessen
Vorliegen der Arzt darzulegen und zu beweisen hat, dass der festgestellte grobe
Behandlungsfehler gerade nicht die Ursache für das eingetretene Schadensbild
ist.
Eine weitere Konstellation, in denen es zu einer
Beweislastumkehr kommt, stellen die Fälle des sog. „vollbeherrschbaren Risikos“
dar. Dabei handelt es sich um Ereignisse, die ausschließlich aus der
Risikosphäre des Arztes herrühren und von diesem vollständig beherrscht werden
können. Dies betrifft zum Beispiel das Funktionieren medizinisch-technischer
Geräte. Denn der Arzt bzw. das Krankenhaus kann (und muss) sicherstellen, dass
technische Geräte stets in einwandfreiem Zustand sind.
Schäden, die infolge der Lagerung des Patienten während einer Operation auftreten, werden
von den Gerichten ebenfalls hierunter gefasst. Denn der Arzt kann im Vorfeld
Risikofaktoren der Lagerung einplanen und in aller Regel ausschalten (BGH Urt.
v. 26.09.2017, AZ: VI ZR 529/16; mwN).
Mit dem Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes im
Jahre 2013 hat der Gesetzgeber diese Grundsätze auch gesetzlich geregelt. So
heißt es in § 630h Abs. 1 BGB:
Ein
Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines
Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar
war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des
Patienten geführt hat.
Hat der Patient also einen Schaden erlitten aufgrund
eines Umstandes, der ausschließlich in der Risikosphäre des Arztes liegt, wird
das Vorliegen eines Behandlungsfehlers vermutet. Dann ist es der Arzt, der
darzulegen und zu beweisen hat, dass kein Behandlungsfehler vorliegt!
Für die Lagerungsschäden bedeutet dies konkret: Der
Patient muss beweisen, dass er einen Schaden erlitten hat und dieser infolge
der Lagerung entstanden ist. Der Arzt muss beweisen, dass die Lagerung korrekt
gewesen ist. Gelingt dieser Beweis nicht, haftet der Arzt für den eingetretenen
Schaden.
Kommen aber für den bei dem Patienten eingetretenen
Schaden noch andere, alternative Ursachen in Betracht, kann sich der Arzt
hierauf zu seinen Gunsten berufen. Erst wenn der Patient zweifelsfrei
nachgewiesen hat, dass ausschließlich die Lagerung Ursache für den Schaden ist,
hat der Arzt die korrekte Lagerung nachzuweisen (OLG Düsseldorf Urt. v.
20.09.2007, AZ: I 8 U 10/07).
2. Mit einem besonderen Fall musste sich im Jahr 2017 auch der Bundesgerichtshof (BGH) befassen (BGH Urt. v. 26.09.2017, AZ: VI ZR 529/16). In diesem Verfahren ging es um einen Patienten, der unter der Anwendung eines Elektrokauters erhebliche Verbrennungen erlitten hatte. Die ersten Instanzen hatten die Klage noch abgewiesen, da als Ursache auch nicht-vollbeherrschbare Umstände, nämlich eine für die Ärzte nicht zu kontrollierende Feuchtigkeitsansammlung unter der Abdeckung, in Betracht kam (vgl. OLG Hamm Urt. v. 04.11.2016, AZ: 26 U 67/13). Damit habe der Patient letztlich nicht bewiesen, dass die Schädigung ausschließlich auf die Lagerung zurückzuführen sei. Dieser Bewertung hat der BGH eine Absage erteilt. Denn es läge so oder so ein Fall des vollbeherrschbaren Risikos vor. Bei dem Einsatz des Elektrokauters habe man die Verletzungen ebenfalls durch entsprechende Maßnahmen sicher vermeiden können.
Der Arzt kann die Vermutung, dass die Lagerung
fehlerhaft gewesen ist, mit den im Zivilprozess üblichen Beweismitteln
entgegentreten. Hierbei bieten sich insbesondere das Sachverständigengutachten
sowie die Aussagen von Zeugen, bspw. des OP-Personals, an. Eine besondere
Bedeutung kommt auch den Krankenunterlagen zu, denn diese bieten oftmals den
ersten Anhaltspunkt für das konkrete Geschehen im Operationssaal und können
selbst als Beweismittel herangezogen werden. Ergibt sich die Art der Lagerung
aus den allgemein anerkannten Standards, ist eine schriftliche Dokumentation
meist unüblich, aber dennoch sinnvoll. Unbedingt erforderlich ist die
Dokumentation der Lagerung aber immer dann, wenn verschiedene Arten der
Lagerung in Betracht kommen oder aus bestimmten Gründen von einer üblichen
Lagerung abgewichen werden muss bzw. wenn während der Operation Änderungen
vorgenommen werden (BGH Urt. v. 24.01.1984, AZ: VI ZR 203/82). Eine kurze,
schlagwortartige Beschreibung der Lagerung sollte daher stets schriftlich im
OP-Bericht festgehalten werden.
3.Bestimmte, mit der notwendigen Lagerung einhergehende Risiken sollten zudem auch immer im Aufklärungsgespräch mit dem Patienten angesprochen werden. Die Inhalte des Gespräches sind dann auch schriftlich – zumindest in Stichpunkten oder unter Verwendung von Aufklärungsbögen – zu dokumentieren.
Für die eigene Rechtsposition nachteilige Vermutungen
auszuräumen, ist im Prozess nicht immer einfach. Je umfassender und
ausführlicher die zur Verfügung stehenden Beweismittel aber sind, umso besser
ist die Beweislage. Was zählt, ist immer die Situation im jeweiligen
Einzelfall. Kann der Arzt bei einem Lagerungsschaden beispielsweise nachweisen,
dass bei dem Patienten eine im Vorhinein nicht erkennbare Anomalie vorlag,
gelingt ihm die Entlastung von der Vermutung (BGH, Urt. v. 24.01.1995, AZ: VI
ZR 60/94). Daher ist eine sorgfältige Dokumentation und Erfassung der Parameter
von großer Bedeutung.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass bei dem
Eintritt von operativ bedingten Lagerungsschäden regelmäßig ein ärztlicher
Behandlungsfehler vermutet wird und der Arzt sich durch Beweisführung von
dieser Vermutung entlasten muss. Daher ist eine Dokumentation der Lagerung,
zumindest in kurzen Stichpunkten zwingend erforderlich. Dies gilt erst recht,
wenn verschiedene Lagerungsmöglichkeiten in Frage kommen oder sonstige
Patienten bezogene Besonderheiten bestehen.
Dr.
Albrecht Wienke
Fachanwalt
für Medizinrecht Wienke & Becker – Köln Sachsenring 6
50677 Köln
„Newsletter 6/2019 von Thieme Compliance. Erschienen
bei Thieme Compliance GmbH, Am Weichselgarten 30a, 91058 Erlangen, www.thieme-compliance.de.“.