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Demnächst noch länger auf den Facharzttermin warten? Krankenkassen planen zentralisierte Terminvergabe

Berlin, 27. September 2024 – Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) e.V. lehnt den aktuellen Vorschlag des GKV-Spitzenverbandes zur Einführung eines zentralisierten Terminvergabesystems entschieden ab. Dieser Vorschlag, der Ärzte dazu verpflichten soll, 25 bis 75% ihrer Termine an ein zentrales Portal zu melden, wird das Warten auf einen Facharzttermin noch verschärfen. Stattdessen verweist er auf das Haus- und Facharztvertragssystem in Baden-Württemberg, in dem dieses Problem für gesetzlich Versicherte bereits gelöst ist.

Der Vorschlag eines zentralisierten Systems, wie er jetzt vom GKV-SV präsentiert wurde, würde dagegen zu einer ungesteuerten Belegung von fachärztlichen Kapazitäten führen. Dringend erforderlich ist dagegen die bessere Steuerung durch die vorherige Einschätzung der Dringlichkeit durch die allgemeinmedizinischen Kollegen oder des fachärztlichen Praxisteams.

Benachteiligung vulnerabler Patienten bei Terminvergabe droht

Der Verband verweist zudem auf die hohen No-Show- und Ärztehopping-Raten bei digital vereinbarten Terminen, die nach Schätzungen bei 20 bis 30% liegen. Zu befürchten ist zudem, dass insbesondere die chronisch kranken Patienten, die regelmäßige und aufeinander aufbauende Behandlungen benötigen, durch ein solches System benachteiligt werden.

“Ein zentralisiertes System wird diese Problematik nur verschärfen, ohne die eigentlichen Ursachen der Terminverknappung zu adressieren”, betont Dr. Burkhard Lembeck, Präsident des Berufsverbandes und führt aus:

“Alle Experten sind sich einig: Die Probleme im Gesundheitssystem lösen wir nur durch mehr medizinische Expertise zur Vermeidung von Fehlsteuerung. Mehr Planwirtschaft zur Beseitigung von Mangel – das kann die Lösung nicht sein! Und ketzerisch gefragt: Warum hat man, nicht zuletzt auf Betreiben des GKV-SV, eigentlich die Entbudgetierung bei Neupatienten erst vor kurzem wieder abgeschafft?”

Weiterhin würden solche dirigistischen Maßnahmen einen deutlichen Eingriff in die ärztliche Freiberuflichkeit und die persönliche Arzt-Patienten-Beziehung darstellen.

“Ärzte sind keine Befehlsempfänger”, erklärt Dr. Lembeck. “Ärzte üben einen freien Beruf aus, der es ihnen ermöglicht, basierend auf medizinischer Notwendigkeit und Dringlichkeit zu entscheiden, welche Patienten wann behandelt werden. Im Kassenarztsystem steht diese Freiberuflichkeit durch Budgets, Regresse und sonstige Gängelungen schon auf der Kippe – bei weiteren Vorgaben wird der Nachwuchs sich sicher nicht mehr in Haus- oder Facharztpraxis niederlassen.”

Vermittlung von Terminen weiterhin in fachärztlicher Hand

Der Berufsverband fordert stattdessen, die Ursachen der Terminverknappung zu beseitigen, indem Budgets abgeschafft und die Vermittlung von Facharztterminen durch Praxisteams und Ärzte geregelt werden.

Dass dies gelingen kann, zeigen die Haus- und Facharztversorgungsverträge in Baden-Württemberg: Für über eine Million gesetzlich Versicherter existieren keine überlangen Wartezeiten auf den Facharzttermin, da die Koordination durch den Hausarzt erfolgt und der Facharzt keine Kontingentierung kennt. “Lösungen können so einfach sein, wenn sie gemeinsam entwickelt werden”, so Dr. Lembeck.

Dazu ist der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie immer bereit und arbeitet weiter lösungsorientiert.

Über den BVOU:

Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) ist die berufspolitische Vertretung für mehr als 7.000 in Praxis und Klinik tätige Kollegen und Kolleginnen. Der BVOU setzt die beruflichen Interessen seiner Mitglieder durch, indem er zum Vorteil der Patienten und des Gemeinwohls gemeinsam mit den wissenschaftlichen Gesellschaften den Standard orthopädisch-unfallchirurgischer Versorgung entwickelt, die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen prägt und dadurch die öffentliche Wahrnehmung seiner Mitglieder als Experten für orthopädisch-unfallchirurgische Versorgung gestaltet.

Pressekontakt:
Janosch Kuno
Straße des 17. Juni 106 – 108
10623 Berlin
presse@bvou.net

GKV-Hilfsmittelverzeichnis erhält fast 4.000 neue Produkte

Berlin – Um die 36.200 Produkte umfasst das Hilfs- und Pflegehilfsmittelverzeichnis (HMV) des GKV-Spitzenverbandes. Die 41 Produktgruppen werden anlass- und turnusmäßig fortgeschrieben, um relevante medizinische und technische Erkenntnisse sowie neueste Entwicklungen bei der Hilfsmittelversorgung zu berücksichtigen. In den letzten zwölf Monaten wurde die Fortschreibung von sieben Produktgruppen erfolgreich abgeschlossen – dazu gehören Bereiche wie orthopädische Einlagen, Hörhilfen und therapeutische Bewegungsgeräte. Elf weitere Produktgruppen werden gegenwärtig aktualisiert. 3.942  Produkte wurden neu in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen, 1.127 wurden aktualisiert und 3.439 Produkte, die veraltet sind oder nicht mehr hergestellt werden, wurden aus dem Verzeichnis genommen. Bei den digitalen Hilfsmitteln sollten sich die Hersteller schneller melden, damit mehr Tempo in die Versorgung kommen kann. Diese und weitere Hintergrundinformationen stehen im vierten Fortschreibungsbericht, der gerade dem Bundesgesundheitsministerium übergeben wurde.

2020 erhielten GKV-Versicherte Hilfsmittel in Höhe von über 9 Milliarden Euro

„Im Jahr 2020 erhielten GKV-Versicherte Hilfs- und Pflegehilfsmittel in Höhe von 9,25 Milliarden Euro, das sind durchschnittlich rund 126 Euro für jeden. Mit der aktuellen Überarbeitung wurden fast 4.000 Hilfsmittel neu aufgenommen. So sorgen die turnusmäßigen und anlassbezogenen Fortschreibungen dafür, dass unsere Versicherten stets Zugang zu Hilfs- und Pflegehilfsmitteln in hoher medizinischer und technischer Qualität und zu innovativen Produkten erhalten“, so Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKVSpitzenverbandes.

CPM-Schulter- und Kniebewegungsschienen jetzt zuhause anwendbar

Motorbetriebene CPM-Bewegungsschienen (continuous passive motion) sollen die Beweglichkeit bei Gelenkverletzungen verbessern, Versteifungen verhindern und den Heilungsprozess unterstützen. Bisher erfolgte die CPM-Anwendung ergänzend zur Physiotherapie und im begründeten Einzelfall. Mit der Fortschreibung können GKV Versicherte die fremdkraftbetriebenen Schulter- und Kniebewegungsschienen nun auch unterstützend im Rahmen konservativer Behandlung in der eigenen Häuslichkeit erhalten.

Moderne Materialien und Technologien bei orthopädischen Einlagen

Bei orthopädischen Einlagen profitieren GKV-Versicherte davon, dass der 3D-Fußscan nun Stand der Technik ist und so die Datenerfassung der Fußanatomie exakter und schneller durchgeführt werden kann. Ebenso erhöht sich die Produktqualität von Einlagen, denn alternativ zu Leder können moderne vergleichbare Materialien wie Alcantara und Mikrofaser als Deck- und Bezugsschicht bei der Herstellung verwendet werden.

Mehr Anträge für die Produktgruppe 52 „Digitale Pflegehilfsmittel“ erwünscht

Digitale Pflegehilfsmittel, zu denen technische Assistenzsysteme wie z. B. Hausnotrufsysteme, Erinnerungs- und Orientierungshilfen, spezielle Sensoren sowie Geräte zur GPS-Ortung zählen, sollen schnell Eingang in die Versorgung für GKV-Versicherte finden. Um Herstellern innovativer Produkte die Antragsstellung zu erleichtern, hat der GKV-Spitzenverband für die Produktgruppe 52 zwei neue Untergruppen zur Orientierung eingerichtet: In die eine sollen Produkte aufgenommen werden, die zur Verbesserung kognitiver und kommunikativer Fähigkeiten dienen. Zur zweiten Untergruppegruppe zählen Hilfsmittel, die den Versicherten bei der Bewältigung von krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen unterstützen. Hierzu gehören digitale  Medikamentenspender, Trackingsysteme, Erinnerungshilfen und Produkte zur Gefahrenabwehr wie z. B. zur Herdüberwachung.

„Unsere Versicherten sollen weiterhin umfassend mit innovativen Produkten wie etwa digitalen Assistenzsystemen versorgt werden. Daher meine dringende Aufforderung an alle Hilfsmittelhersteller, sich mit neuen und innovativen Produkten rasch bei uns zu melden und die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis zu beantragen. Wir können nur die Produktneuheiten ins Verzeichnis aufnehmen, die wir kennen. In den letzten zwölf Monaten hat uns lediglich ein Antrag erreicht“, so Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes.

Anspruch auf mehrkostenfreie Hilfs- und Pflegehilfsmittelversorgung

GKV-Versicherte haben im Rahmen des Sachleistungsprinzips Anspruch auf eine mehrkostenfreie Hilfs- und Pflegehilfsmittelversorgung. Die Leistungserbringer wie Sanitäts- und Orthopädiefachgeschäfte, Hörakustiker u. v. a. müssen stets aktiv über diesen Versorgungsanspruch informieren, mehrkostenfreie Hilfsmittel zuerst anbieten und auf eventuelle Mehrkosten ausdrücklich hinweisen. Zu den Hilfs- und Pflegehilfsmitteln gehören u. a. Bandagen, Hörgeräte, Inkontinenzprodukte, Rollstühle, Kompressionsstrümpfe, Prothesen, Exoskelette, Insulinpumpen, Blindenführhunde sowie Applikationshilfen zur Verabreichung von Arzneimitteln.

Überarbeitung bezieht zahlreiche Akteure im Gesundheitswesen mit ein

In der Überarbeitung und Fortschreibung des Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelverzeichnisses für GKV-Versicherte sind zahlreiche Akteure beteiligt: Hersteller- und Leistungserbringerorganisationen, Patientenvertretungen, MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) und MDS (Medizinischer Dienst des GKV-Spitzenverbandes) sowie die Krankenkassen und ihre Verbände. Für eine umfassende Analyse der aktuellen Versorgungsrealität und zur Stärkung bzw. Bündelung der Synergien werden zudem regelmäßig Fachgesellschaften und Sachverständige aus Wissenschaft und Technik eingebunden. Neben schriftlichen Anhörungen zu den Produktgruppen werden auch mündliche Anhörungen, u. a. der Patientenvertretung, durchgeführt. So werden Versichertenbedürfnisse gezielt im Fokus gehalten.

Quelle: GKV-Spitzenverband