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COVID-19 und/oder Postcovidsyndrom – Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?

Grundsätzlich kann eine COVID-19-Erkrankung einen Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). darstellen. Letzterer wurden in diesem Zusammenhang seit Beginn der Pandemie bis zum 31.08.2021
160.931 Verdachtsanzeigen auf Berufskrankheit angezeigt. Davon wurden 103.244 Fälle anerkannt (darunter 51 Todesfälle). Bezüglich Arbeitsunfälle kam es demgegenüber zu 30.200 Meldungen, von denen mit 9.315 Fällen weniger als ein Drittel anerkannt wurden (darunter 33 Todesfälle).(siehe Quelle 1)

Was macht nun den Unterschied, ob ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt (im Detail nachzulesen unter)? (siehe Quelle 2,3)

COVID-19 wird unter Nummer 3101 in der Berufskrankheitenliste aufgeführt. Ihr Anwendungsbereich beschränkt sich auf Personen, die im Gesundheitsdienst, in der
Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium arbeiten und sich dort im Rahmen ihrer Tätigkeit mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren UND deshalb an COVID-19 erkranken. Gleiches kann für einen Personenkreis gelten, der im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit der Infektionsgefahr in vergleichbarem Maße ausgesetzt war:

  • Arztpraxen, Krankenhäuser, Apotheken, Physiotherapieeinrichtungen, Krankentransporte, Rettungsdienste oder Pflegedienstleistungen gehören beispielsweise dem Gesundheitsdienst an.
  • Einrichtungen der Kinder-, Jugend-, Familien- und Altenhilfe sowie zur Hilfe für behinderte oder psychisch erkrankte Menschen oder Menschen in besonderen sozialen Situationen (z. B. Suchthilfe oder Hilfe
  • Bei den Laboratorien kommen neben den wissenschaftlichen und medizinischen Laboratorien auch Einrichtungen infrage, die besonderen Infektionsgefahren ausgesetzt sind und in denen Beschäftigte mit Kranken in Berührung kommen können oder mit
    Stoffen umgehen, die kranken Menschen zu Untersuchungszwecken entnommen wurden.
  • Beim Personenkreis, der nicht zu den drei erstgenannten Punkten gehört, kommt es für die Anerkennung als Berufskrankheit darauf an, ob eine vergleichbare Infektionsgefahr vorgelegen hat und welcher Art die Kontakte mit infizierten Personen war. Letztere setzen
    einen unmittelbaren Körperkontakt (z. B. Ausüben des Friseurhandwerks) oder gesichtsnahe Tätigkeiten (z. B. kosmetische Behandlung) voraus.
  • Für andere Berufsgruppen, wie beispielsweise KassiererInnen oder Beschäftigte im Nah- und Fernverkehr, liegen aktuell keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse vor, dass jene einem vergleichbar erhöhtem Infektionsrisiko ausgesetzt sind.

Um als Berufskrankheit unter der Nummer 3101 anerkannt zu werden, müssen neben dem gesicherten Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zusätzlich zumindest klinische Symptome, wie beispielsweise Fieber, Husten, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Geschmackstörungen, Schlafstörungen u.a. auftreten.
Sollten erst zu einem späteren Zeitpunkt Gesundheitsschäden, die als Folge der Infektion anerkannt sind, auftreten, so kann eine Berufskrankheit ab diesem Zeitpunkt anerkannt werden. Falls sie Betroffene oder Bertoffener sein sollten, empfiehlt es sich, alle Unterlagen über ihren Erkrankungsverlauf zu sammeln und insbesondere, falls bekannt, die Kontaktdaten der vermeintlichen Infektionsquelle (Indexperson) festzuhalten.

An dieser Stelle sei auf das gemeinsame Merkblatt „COVID-19 als Berufskrankheit – Informationen für Beschäftigte im Gesundheitswesen“ von DGUV und der Deutschen Vereinigung für Intensivmedizin (DIVI) hingewiesen, welches unter dem Link https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3854 heruntergeladen werden kann.

COVID-19 als Arbeitsunfall

Die Erkrankung an COVID-19 kann, ohne die Voraussetzungen zur Anerkennung als Berufskrankheit zu erfüllen, unter bestimmten Bedingungen als Arbeitsunfall
anerkannt werden, wenn die Infektion mit dem CoronaVirus SARS-CoV-2 infolge einer versicherten Tätigkeit (Beschäftigung, (Hoch-) Schulbesuch, Ausübung bestimmter Ehrenämter, Hilfeleistung bei Unglücksfällen o.a.) erfolgt:

Nachweislich muss in diesem Rahmen ein intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person (“Indexperson”) stattgefunden haben und spätestens innerhalb von zwei Wochen nach dem Kontakt die Erkrankung eingetreten bzw. der Nachweis der Ansteckung erfolgt sein.

Zur Beurteilung der Intensität des Kontaktes werden, basierend auf der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel in der Fassung vom 7. Mai 2021 und der Einschätzung des
Robert-Koch-Institut vom 31. März 2021, insbesondere die Dauer und örtliche Nähe des Kontaktes herangezogen:

  • Bei einem länger als 10 Minuten dauernden Kontakt mit einer Indexperson im näheren Umfeld kann es ohne das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes oder einer FFP2-Maske der Beteiligten zu einer Ansteckung kommen. In bestimmten Gesprächssituationen sind
    auch eine kürzere Zeitspanne denkbar. Selbst beim Tragen eines Mund-Nase-Schutzes oder einer FFP2-Maske kann es nach mehr als zehn Minuten bei hohen Raumkonzentrationen infektiöser Aerosole zu einer Ansteckung kommen.
  • Sollte es nachweislich bei der versicherten Tätigkeit im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld (z. B. innerhalb eines Betriebs oder einer Schule) der betroffenen Person eine größere Anzahl von infektiösen Personen unter Infektion begünstigenden Bedingungen gegeben haben, so kann es im Einzelfall auch ohne nachweisbaren intensiven Kontakt zu einer Indexperson zur Anerkennung als Arbeitsunfall kommen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Hinzuziehung von Einflussparametern, wie beispielsweise die Anzahl der nachweislich infektiösen Personen im engeren Tätigkeitsumfeld, die Anzahl der üblichen  Personenkontakte, eine geringe Infektionszahl außerhalb des versicherten
    Umfeldes sowie räumliche Gegebenheiten wie Belüftungssituation und Temperatur.
  • Sollte es auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause zu einer Infektion mit Folge einer COVID19-Erkrankung gekommen sein, so ist es mitunter schwierig einen Kontakt mit einer infektiösen Indexperson nachweisen zu können. Dennoch kann unter
    den oben aufgeführten Bedingungen ein Arbeitsunfall vorliegen. Dabei ist vor allem an vom Unternehmen organisierte Gruppenbeförderungen oder Fahrgemeinschaften von Versicherten zu denken.
  • Auch wenn grundsätzlich der Aufenthalt in Kantinen als eigenwirtschaftlich und mithin als nicht versichert anzusehen ist, kann es in Ausnahmefällen sein, dass eine dort aufgetretene Infektion als Arbeitsunfall anerkannt wird. Sollte die Essenseinnahme in einer Kantine aus betrieblichen Gründen zwingend erforderlich oder unvermeidlich sein und befördern die Gegebenheiten (z. B. Raumgröße und -höhe, Lüftung, Abstandsmöglichkeiten) eine Infektion mit SARSCoV-2, kann ausnahmsweise Versicherungsschutz bestehen.
  • Für die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften gilt Ähnliches. Allerdings ist eine Anerkennung als Arbeitsunfall nur dann denkbar, wenn diese Art der Unterbringung Teil des unternehmerischen, wirtschaftlichen Konzeptes ist und sich daraus eine besondere
    Infektionsgefahr ergibt. Die Infektionsgefahr muss dabei über das übliche Maß hinausgehen und durch die Eigenheiten der Unterkunft (z. B. Mehrbettzimmer,
    Gemeinschaftswaschräume und -küchen, Lüftungsverhältnisse) begünstigt werden.
  • CAVE: Die Anerkennung als Arbeitsunfall ist mit hohen Anforderungen an die Kausalitätskette verbunden. So ist bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls stets zu berücksichtigen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt Kontakt zu anderen Indexpersonen in nicht versicherten Lebensbereichen, wie beispielsweise Familie, Freizeit oder Urlaub, bestanden haben könnte.

Bei der Überprüfung der zur Anerkennung als Arbeitsunfall notwendigen Voraussetzungen ist in jedem Einzelfall eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Aspekte, die für oder gegen eine Verursachung der COVID-19-Erkrankung durch die versicherte Tätigkeit  sprechen, obligatorisch. Nur die Infektion, die infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten ist, erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles. (siehe Quelle 2)

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Literatur
1
https://www.dguv.de/medien/inhalt/mediencenter/hintergrund/
covid/dguv_zahlen_covid.pdf
2
https://www.dguv.de/de/mediencenter/hintergrund/corona_
arbeitsunfall/index.jsp
3
https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/
article/3854

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PD Dr. med. habil. Axel Sckell
Klinik für Unfall-, Hand- und
Wiederherstellungschirurgie
Universitätsmedizin Rostock
Schillingallee 35
18057 Rostock
axel.sckell@med.uni-rostock.de

 

Dr. Gerd Rauch
Ärztlicher Leiter MVZ OCP Kassel
gGmbH Lichtenau
Leipziger Straße 164
34123 Kassel
gerdrauch@t-online.de
Fachgesellschaft Interdisziplinäre Medizinische Begutachtung

 

Dr. Stefan Middeldorf
Chefarzt der Orthopädischen Klinik
Schön Klinik Bad Staffelstein02
Am Kurpark 11
96231 Bad Staffelstein
SMiddeldorf@schoen-klinik.de
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