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Jameda-Bewertung bei nicht nachgewiesenem Kontakt zu Praxispersonal unzulässig

Das LG Meiningen hat in einem aktuellen Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren noch einmal kurz und bündig klargestellt, dass die Bewertung eines Arztes auf einer Ärztebewertungsplattform ohne nachgewiesenen Behandlungskontakt unzulässig ist.

Das Gericht folgt damit der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil v. 1.3.2016, Az. VI ZR 34/15). Nach Ansicht des LG Meiningen gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der angebliche Patient behauptet, er sei bereits vor einer Behandlung vom Praxispersonal trotz starker Schmerzen abgewiesen worden, dies aber nicht nachgewiesen hat.

Der Ärztebewertungsplattform obliegen auch dann Prüfpflichten, denen sie im hier gegenständlichen Fall nicht nachgekommen ist. Die bloße Forderung einer Praxisbeschreibung und der Benennung des Behandlungsmonats und -jahres reicht dazu nicht aus (LG Meiningen, Urteil v. 15.5.2019, Az. (117) 2 O 274/19, nicht rechtskräftig).

Jameda-Bewertung enthielt schwere Vorwürfe

Die Antragstellerin, eine niedergelassene Allgemeinmedizinerin, wandte sich gegen eine Bewertung eines angeblichen Patienten, der auf dem Ärztebewertungsportal jameda.de behauptet hatte, trotz starker Schmerzen vom Personal der Antragstellerin „abgewimmelt“ worden zu sein. Die Antragstellerin wurde mit der Gesamtnote 6,0 bewertet.

Das wollte sich die Ärztin verständlicherweise nicht gefallen lassen. Denn in der unbegründeten Verweigerung einer Behandlung durch einen Arzt liegt nicht nur die Verletzung des hippokratischen Eids (der zwar in Deutschland nicht mehr verpflichtend geleistet wird, jedoch als Ehrenkodex weiterhin Bedeutung hat) sondern möglicherweise auch eine nach § 323c des Strafgesetzbuchs (StGB) strafbare unterlassene Hilfeleistung.

Die Antragstellerin meldete Jameda diese Bewertung daher als Problem. Sie beanstandete, dass die Angaben in der Bewertung nicht wahr seien, und bestritt, dass der Bewertende tatsächlich in der Praxis gewesen und trotz starker Schmerzen im Nierenbereich vom Personal „abgewimmelt“ worden sei. Sie teilte mit, dass sie sicher sei, dass sich ein solcher Vorfall nach eingehender Rücksprache mit ihrem Praxisteam in ihrer Praxis nicht ereignet habe.

Jameda hatte die Bewertung samt Benotung zunächst vorübergehend von der Webseite entfernt, die Bewertung ohne Noten dann aber wieder veröffentlicht, da sie den Wahrheitsgehalt der Bewertung durch eine kurze Praxisbeschreibung und die Nennung des Behandlungsmonats und -jahres des Bewertenden als dargelegt ansah.

Jameda konnte die Behauptung nicht beweisen

Das LG Meiningen bejahte eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin. Grundsätzlich sei zwar die Antragstellerin nach den allgemeinen Regeln für die Verletzung ihrer Rechte darlegungs- und beweisbelastet. Jedoch treffe die Antragsgegnerin bei negativen Tatsachen – hier dem Fehlen des Kontakts mit dem Praxispersonal – eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast. Das Gericht entschied, dass die Antragsgegnerin ihren daraus resultierenden Prüfpflichten hinsichtlich des behaupteten Sachverhalts nicht nachgekommen war, und berief sich dabei auf die Rechtsprechung des BGH.

Denn die vom Portalbetreiber durchzuführende Überprüfung muss erkennbar zum Ziel haben, die Berechtigung der Beanstandung des betroffenen Arztes zu klären. Er muss daher ernsthaft versuchen, sich hierzu die notwendige Tatsachengrundlage zu verschaffen und darf sich insbesondere nicht auf eine rein formale Prüfung zurückziehen (BGH, Urteil v. 1.3.2016, Az. VI ZR 34/15).

Dies gilt nach Ansicht des LG Meiningen auch dann, wenn der angebliche Patient behauptet, dass er bereits vom Personal abgewiesen worden sei. Denn die ärztlichen Pflichten beginnen manchmal nicht erst im Behandlungszimmer, sondern bereits dann, wenn der Patient mit starken Schmerzen die Praxis betritt. Der Vorwurf des „Abwimmelns“ wiegt dann unter Umständen sehr schwer, siehe oben.

Die Antragstellerin konnte nach eingehender Absprache mit ihrem gesamten Personal jedoch glaubhaft machen, dass niemand mit starken Schmerzen am Empfang abgewiesen worden war. Dem konnte Jameda nichts entgegensetzen.

Pauschale Praxisbeschreibung nicht ausreichend

Nach Ansicht des LG Meiningen reichen eine Praxisbeschreibung und die Nennung des Behandlungsmonats sowie des Behandlungsjahres nicht aus, um den behaupteten Kontakt mit dem Praxispersonal darzulegen.

Das LG Meiningen überträgt damit die Rechtsprechung des BGH, wonach es nicht ausreichend ist, die Behandlung in mindestens zwei Sätzen zu umschreiben und den Behandlungszeitraum zu nennen (BGH, Urteil v. 1.3.2016, Az. VI ZR 34/15), auf eine zu pauschale Praxisbeschreibung.

Jameda hätte den Verfasser der Bewertung vielmehr nochmals auffordern müssen, die angebliche Abweisung in der Praxis der Antragstellerin möglichst genau zu beschreiben und sich beispielsweise eine anschließende Behandlung oder den weiteren Verlauf der Krankengeschichte skizzieren lassen müssen. Jameda haftet hinsichtlich dieser Bewertung, da die Plattform als Hostprovider durch die Kenntnis von der Rechtsverletzung mittelbare Störerin geworden ist.

Im Falle der Zuwiderhandlung droht Jameda ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft. Der Streitwert wurde mit 15.000 € festgesetzt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Jameda steht nun das Rechtsmittel der Berufung zur Verfügung oder die Klärung des Sachverhalts im Hauptsacheverfahren.

Arno Lampmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Köln


Ärzte wehren sich erfolgreich gegen „Zwangslistung“ bei Jameda

Köln – Im Frühjahr dieses Jahres haben drei Gerichte unabhängig voneinander entschieden: Ärzte und Heilpraktiker müssen das ungewollte Anlegen von sogenannten Basis-Profilen auf dem Artbewertungsportal Jameda nicht dulden. Zwei Kammern des Landgerichts Bonn und das Landgericht Wuppertal gaben damit den Klagen zweier Zahnärzte und einer Heilpraktikerin gegen Jameda Recht, die sich wegen der fehlenden Zustimmung zur Nutzung ihrer Daten auf dem Portal auf die Verletzung des Datenschutzrechts berufen hatten[1]. Jameda kämpft allerdings weiter um sein Geschäftsmodell und hat gegen die Entscheidungen Berufung eingelegt.

Ein „Basis“-Profil auf Jameda enthält nicht viel: Name und Adresse des Arztes sowie die Bewertungen von Patienten werden dort veröffentlicht. Ansonsten ist das Profil nichtssagend und leer: Fast alle Felder und Funktionen, die das Portal zur ansprechenden Gestaltung des eigenen Profils anbietet, können nur gegen eine monatliche Zahlung befüllt werden. So bleibt insbesondere das Feld mit dem Portraitfoto frei, stattdessen ist dort nur ein Schattenriss zu sehen. Auch die Homepage der Praxis wird nicht angegeben. Schon gar nicht können Ärzte, die keinen Vertrag mit Jameda haben, „weitere Informationen“ über ihre Leistungen angeben oder Fotos, Artikel oder Videos hochladen. In den freien Feldern finden sich dagegen direkte Anprachen an den Noch-Nicht-Kunden, so z.B.: „Sind Sie Dr. XY? Vervollständigen Sie jetzt Ihr Profil und geben Sie so neuen Patienten einen Eindruck von Ihnen und Ihrer Praxis.“. Bei dem fehlenden Profilbild heißt es: „Dieser Arzt hat leider noch kein Portrait hinterlegt.“ Ein Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit dieser Einträge ist nicht ohne weiteres zu finden. Außerdem wird das Profil noch für Werbung von Drittunternehmen genutzt. Mitten im Basis-Profil findet sich – genau wie an den seitlichen Rändern – Werbung z.B. für Reiseanbieter, Versicherungen oder Banken. Bezahlte „Premium“-Profile können dagegen mit einer Vielzahl von Inhalten bis hin zur Onlinebuchung für Termine bestückt werden, die fast die eigene Praxishomepage überflüssig machen könnten.

Im vergangenen Jahr hatte eine Kölner Hautärztin vor dem Bundesgerichtshof erfolgreich auf Profillöschung geklagt. Das Gericht war der Ansicht, dass Jameda sich nicht (mehr) neutral verhalte, indem zahlenden Kunden „verdeckte Vorteile“ verschafft würden. Daher durften die Daten der Ärztin nicht ohne ihre Zustimmung verwendet werden. Allerdings: wer sich gegenüber Jameda auf das Urteil berief, wird weiterhin abgewiesen. Jameda hatte im Nachgang zu der Entscheidung einige Änderungen in der Profilgestaltung vorgenommen und meint deswegen, dass Ärzte nun wieder akzeptieren müssten, in dem Portal ungewollt aufzutauchen. Jameda beruft sich darauf, dass das Portal einen Beitrag zur Transparenz im Gesundheitswesen leiste und ein öffentliches Interesse an einer vollständigen Ärztelistung bestünde.

Allerdings kamen die drei mit der Sache befassten Gerichte nun zu dem Ergebnis, dass die Änderungen nicht ausreichten, um Jameda (wieder) die notwendige Neutralität zu verschaffen. Die Kläger hatten vorgebracht, dass die Möglichkeit, das eigene Profil nur gegen Entgelt aufbessern zu können, für den Portalnutzer nicht erkennbar sei und bezahlte Einträge attraktiver als die „Zwangs-Profile“ seien. Weiterhin würde Jameda die ungewollt angelegten „Basis-Profile“ dazu benutzen, für zahlende Jameda-Kunden indirekt Werbung zu machen. Berücksichtigt wurde unter anderem auch, dass sich Ärzte durch die unterschiedliche Gestaltung der Profile zu einer Mitgliedschaft gedrängt fühlen könnten. Daher würde – so auch die drei Entscheidungen – das Interesse der Betroffenen das Interesse von Jameda an der Datennutzung überwiegen. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für eine Datenverarbeitung ohne Einwilligung.

Ob die Profile am Ende wirklich gelöscht werden müssen, werden nun die Oberlandesgerichte entscheiden. Die erste Entscheidung ist im Herbst diesen Jahres zu erwarten.

Dr. Frauke Schmid-Petersen ist Rechtsanwältin bei HÖCKER Rechtsanwälte in Köln und seit 1999 auf dem Gebiet des Medienrechts tätig und war in den genannten Verfahren als Prozessvertreterin für die jeweiligen Ärzte tätig.


[1] LG Bonn Urt. v. 28.3.2019. Az. 18 O 143/18, Urt. v. 29.3.2019, Az. 9 O 157/18 und LG Wuppertal, Urt. v. 29.03.2019, Az. 17 O 178/18.