Leonie Beck ist deutsche Goldhoffnung in Paris. Ihr Vater Prof. Alexander Beck ist Mannschaftsarzt der Olympiaauswahl und betreut sie. DocCheck hat mit beiden gesprochen und Einblicke in die ärztliche Versorgung der Sportler bekommen.
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Verletzungsprävention im Schwimmsport – Ein Vater-Tochter Gespräch
Neben der Fußball-EM in Deutschland steht dieses Jahr im Zeichen eines weiteren sportlichen Großevents: Die 33. Olympischen Sommerspiele in Paris. Mit dabei: Leonie Beck. Sie ist Deutschlands erfolgreichste Freiwasserschwimmerin und Weltklasseschwimmerin. Bei ihrer Vorbereitung zu ihrem olympischen Rennen über 10 Kilometer am 8. August in Paris haben wir sie beim zweiten 10km Weltcup am 24.Mai. 2024 in Golfo Aranci (Sardinien) besucht und durften sie dann nochmals nach den Europameisterschaften im Freiwasserschwimmen im Juni in Belgrad zu ihrer Trainingsvorbereitung für Paris interviewen.
Das Interview führte ihr Vater Prof. Dr. Alexander Beck. Prof. Beck ist Chefarzt für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Juliusspital in Würzburg und Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des BVOU. Mittlerweile ist er ehrenamtlich Verbandsarzt der Freiwasserschwimmer im Deutschen Schwimmverband und als deutscher Vertreter Mitglied im Medical Board der Ligue Européenne de Natation (LEN) bin. Die LEN ist der europäische Dachverband für Wassersport und hat seinen Sitz in Luxemburg.
Hallo Leonie, wie läuft Deine Vorbereitung für diesen so wichtigen Sportsommer?
Leonie Beck: Ich trainiere nun schon seit den letzten Olympischen Spielen 2021 in Japan und in Italien, Ostia. Dort habe ich neben einer tollen internationalen Trainingsgruppe auch einen Spitzentrainer, was ganz hervorragende Bedingungen für mich sind. Zudem haben wir hier die Möglichkeit, zweimalmal die Woche direkt 100m vom Trainingspool im Meer zu trainieren, was es mir für meine Sportart Freiwasserschwimmen leichter macht.
Beim Weltcup in Golfo Aranci konntest Du einen starken 3. Platz gewinnen, in Belgrad bist Du Doppeleuropameisterin (über 5 und 10km) geworden, aktuell bist Du Führende im Gesamtweltcup. Was ist das für ein Gefühl, so kurz vor Deinem Jahreshöhepunkt vor Paris so stark zu sein.
Beck: Ich bin verständlicherweise sehr zufrieden mit den letzten Monaten und gleichzeitig gibt das enorm viel Selbstvertrauen und macht die harten Trainingstage etwas erträglicher vor Paris. Andererseits wird für den 8. August alles wieder auf Null gesetzt und die Karten neu gemischt, deswegen will ich den guten Ergebnissen auch nicht zu viel beimessen und muss weiter hart arbeiten.
Die aktuellen Wettkämpfe finden vorwiegend in kaltem Wasser statt, was bedeutet das für Dich?
Beck: Ich persönlich bin überhaupt kein Fan von Schwimmen in kaltem Wasser, aber ich arbeite daran, mich dort zu verbessern. Es ist wie bei einem guten Motor, der braucht auch eine vernünftige Betriebstemperatur, um optimal arbeiten zu können. Man wird sehen, wie im Endeffekt die Wassertemperatur in Paris sein wird, alle sprechen von relativ kaltem Wasser beim Wettkampf, ich bin da eher zuversichtlich, auch wenn ich schon jetzt versuche, im Training und bei den Wettkämpfen mit kalten Umgebungstemperaturen besser klarzukommen.
Beim Weltcup in Sardinien waren die Wassertemperaturen deutlich unter 20 Grad Celsius.
Beck: Das ist richtig, knapp über 18 Grad waren es hier. Umso erfreulicher war es für mich festzustellen, dass ich trotz kalter Wassertemperatur vorne mitschwimmen kann, was mir natürlich Hoffnung macht.
Deine finale Trainingsvorbereitung für die Olympischen Spiele wird jetzt im Juli in Livigno in der Höhe stattfinden. Wie sieht dort Dein Tagesablauf aus?
Beck: Die meisten Tage trainieren wir doppelt. Das bedeutet mit Vor- und Nachbereitung morgens drei Stunden und nachmittags drei bis dreieinhalb Stunden. Dazwischen geht es an die Regeneration und Essen. Die meiste Zeit schwimmen wir natürlich, aber auch Krafttraining, Gymnastik und Dehnung gehören zum Training.
Es gibt aktuell noch viele Diskussionen über die Wasserqualität in der Seine, aber auch die Sicherheit von Athleten und Zuschauern mitten in Paris wird bei der aktuellen Sicherheitslage in der gesamten Welt hinterfragt. Wie siehst du das in Bezug auf Deinen Start am 8. August?
Beck: Gerade die Wasserqualität macht mir sehr große Sorgen. Wenn es bei solch hohen E. coli-Werten bleiben sollte, halte ich es nicht für vertretbar, uns Athleten in der Seine schwimmen zu lassen. Gott sei Dank gibt es mittlerweile einen Plan B, einen See, auf dem auch die Ruder Wettbewerbe ausgetragen werden. Mir persönlich wäre das lieber, da dann nicht die Angst vor einer Erkrankung mitschwimmt. Zudem wäre es auch sicherheitspolitisch unbedenklicher, wenngleich auch die Kulisse vor dem Eiffelturm sicher ihren Charme hat.
Was sind die häufigsten Sportverletzungen, die bei Euch beim Schwimmsport auftreten?
Beck: Im Freiwasserschwimmen gibt es immer mal Verletzungen an scharfen Kanten, wie sie beispielsweise an Riffen, Steinen und Unrat im Wasser zu finden sind. Es können auch Verletzungen durch Quallen entstehen.
Darüber hinaus ist im Schwimmsport vor allem die Schwimmerschulter immer wieder ein Problem. Das kommt durch ein Missverhältnis in der Schultermuskulatur: In diesem Fall sind die Innenrotatoren deutlich stärker gefordert als die Außenrotatoren und deshalb kräftiger trainiert. Dieses Ungleichgewicht kann dazu führen, dass der Oberarmkopf nicht richtig zentriert wird und er höher steht. Die Enge unter dem Schulterdach führt zu einer Schleimbeutelreizung, einem Impingementsyndrom.
Durch konsequentes Training der Schultermuskulatur und der Rotatorenmanschette (u.a. sog. Rhomboideustrainer) lässt sich eine Schwimmerschulter am besten vermeiden. Die Muskeln müssen dabei gekräftigt und ins Gleichgewicht gebracht werden. Zudem sind Mobilisation, Massage des Bindegewebes, Übungen mit dem Theraband und Dehnen wichtig.
Du bist eine ausgewiesene Expertin im Freiwasserschwimmen. Was kannst Du anderen Schwimmern für Tipps geben, wie man sich aufs Schwimmen in offenen Gewässern vorbereitet?
Beck: Grundsätzlich lieber erstmal in einem See als in einem fließenden Gewässer anfangen zu üben. Am besten eine Schwimmboje um den Bauch binden und damit trainieren. Zudem sollte man fit genug sein, längere Strecken am Stück zu schwimmen, da in offenen Gewässern nicht jederzeit eine Wand (wie im Schwimmbad) wartet an der man sich festhalten kann. Zudem muss man ein wenig an der Orientierung arbeiten und immer mal wieder nach vorne atmen und schauen, ob man noch auf dem richtigen Weg ist.
Was sind die Hauptgefahren und wie kann man sie minimieren?
Beck: Bei Strömung und kalten Temperaturen aufpassen. Am besten nur an bewachten Badestellen schwimmen, sodass immer jemand im Notfall eingreifen kann. Zudem niemals sich selber überschätzen, lieber etwas weniger schwimmen und kleinere Runden, um jederzeit wieder nah am Ufer zu sein.
Ernährung und Langstreckenschwimmen: Welche Tipps hast Du parat?
Beck: Eine ausgewogene Ernährung mit vielen Vitaminen, Kohlehydraten und Proteinen. Gerade direkt nach dem Training sollte man die Speicher schnell auffüllen (ich mache das mit einer Schokomilch) und dann abends richtig essen. Zudem bei körperlicher Anstrengung alle 60min ca. 40 Gramm Kohlenhydrate zu sich nehmen bei körperlicher Anstrengung. Je nach Belastung gerne auch mehr.
Liebe Leonie, wir möchten uns ganz herzlich bedanken für Dein Interview. Wir wünschen Dir für Paris nur das Beste, und hoffentlich den Tag Deines Lebens, wo Du Dir alle Ziele, die Du Dir gesetzt hast, auch erfüllen kannst.