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Schließung von Kliniken als „Königsweg“?

Frankfurt am Main – In einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung wird dafür plädiert, die Kliniklandschaft in Deutschland von dzt. 1364 Kliniken (Krankenhauspläne der Bundesländer) auf weniger als 600 zu senken. 666 Kliniken verfügten über 100 Betten oder weniger. Selbst lebensbedrohliche Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfälle könnten hier nicht immer und jederzeit suffizient behandelt werden.  Der Patient wird damit Spielball des Zufalls. Der Raum Köln-Leverkusen könne auf 24 der 38 Häuser verzichten. Ziel ist eine Konzentrierung von Fachkompetenz und Fallzahlen und damit eine vermeintliche Qualitätssteigerung. Man darf  mutmaßen, dass auch ökonomische Überlegungen eine wesentliche Rolle spielen. Die finanzielle Ausstattung vieler Kliniken ist prekär. Zudem sind die Klinik- und Bettenzahlen bezogen auf die Bevölkerungsanteile in Deutschland im europäischen Vergleich unbestritten hoch.

Applaus kommt von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Eine stärkere Zentralisierung sei notwendig. Ausschlaggebend für eine qualitätsgesicherte Versorgung seien eine gute technische Ausstattung der Häuser und erfahrene Ärzte. Auch der Spitzenverband der Krankenkassen teilt inhaltlich viele Aspekte der Studie.

Kritik gegen den vorgeschlagenen Kahlschlag kommt von vielen Verbänden und Interessensgruppen. So verweist der Präsident der BÄK, Dr. Klaus Reinhardt, auf die Bedeutung der Daseinsvorsorge und Sicherung einer gut erreichbaren, wohnortnahen Gesundheitsinfrastruktur, wie die „Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse“ der Bundesregierung gerade erst gefordert habe. Gerade im ländlichen Raum müsse die flächendeckende Versorgung der Patienten sichergestellt werden. Dr. Gerald Gaß, Präsident der DKG, meint: „Wer vorschlägt, von ca. 1600 Akutkrankenhäusern 1000 plattzumachen und die verbleibenden 600 zu Großkliniken auszubauen, propagiert die Zerstörung von sozialer Infrastruktur in  einem geradezu abenteuerlichem Ausmaß, ohne die medizinische Versorgung zu verbessern.“

Der ambulante Bereich wäre derzeit jedenfalls unfähig, die wegfallenden Klinikbetten bei „Vollambulantisierung“ zu kompensieren. Zudem wird gerade in kleineren Kliniken häufig auch temporär Pflege älterer Patienten betrieben. Stationäre Pflegeinrichtungen oder gar familiäre Strukturen wären in Deutschland bei Wegfall dieses „Puffers“ jedenfalls völlig überfordert. Die Strukturmaßnahmen müssten daher die gesamte Gesundheitslandschaft und das gesamte Gesundheitssystem in Deutschland umfassen. Kaum vorstellbar. Erst recht nicht im Föderalismus.

Woher stammen solche „Ideen“?

Ein Blick gen Norden zeigt: die Dänen haben sich für einen etatistischen Ansatz einer solchen Neuordnung ihrer Kliniklandschaft entschieden. Seit 2007 läuft das „Superspital“-Programm. Gebaut werden 16 neue Kliniken für 6,6 Mrd. Euro. Bis 2025 sollen von den ehemals 79 Krankenhäusern in 2007 nur noch 53 übrig bleiben – davon 21 mit Notfallstationen. Die Kliniklandschaft wird völlig neu geordnet. Die Wege werden für die Patienten weiter. Über die Standorte der – neuen – Kliniken entscheidet zentral eine fünfköpfige Expertenkommission. Die Regionen müssen sich fügen. Ziele sind u.a. die Konzentration komplexer Eingriffe zur Steigerung der Qualität durch Expertise, Senkung von Krankenhausinfektionen durch Einzelzimmer, kürzere Verweildauern. In Norddänemark gibt es bereits Videoschaltungen in die Ambulanzen mit deren Hilfe erste Ferndiagnosen gestellt werden und eine Triage vorgenommen wird. In Dänemark ist bereits seit zehn Jahren eine telefonische Voranmeldung zwingend – über Hausarzt oder Hotline. Ähnliches soll in Deutschland nun auch eingeführt werden. Ein erster Gesetzentwurf liegt dazu vor.

Das dänische Modell ist aber auch nicht ohne Kritik. In einer aktuellen Studie der Denkfabrik Health Consumer Powerhouse landet das Land im europäischen Vergleich „nur“ noch auf Rang 4. Notfallstationen seien schwieriger erreichbar. Die Schweiz hingegen kommt auf Platz 1. Aber auch in der Schweiz kommt man um eine stärkere Konzentration der Spitäler nicht herum. Kleinere Spitäler müssten vermehrt in Zentren für ambulante Behandlungen umgewandelt werden, zumal der klassische Hausarzt vielerorts verschwindet.

Unbestreitbar allerdings ist, dass es in Deutschland in den Ballungszentren ein Überangebot an Krankenhausbetten gibt. Eine sinnvolle, arbeitsteilige Aufgabenteilung unterbleibt in der Regel. Alle bieten möglichst Alles an – und konkurrieren zudem noch zunehmend mit ambulanten Einrichtungen und Tageskliniken. Größe ist – vermeintlich – Marktmacht und: wer baut, muss „am Netz“ gehalten werden. Dies führt zu einer Sucht, möglichst Maximalversorger mit Bauvorhaben zu sein. Oder zu Begriffsmonstern wie „Supra-Maximalversorger“. Bei allgemein begrenzten Mitteln werden die Kliniken baulich und bei der technischen Ausstattung allerdings „ausgebremst“. Anspruch und Wirklichkeit passen häufig nicht zueinander. Land und Träger kommen ihren investiven Verpflichtungen nicht nach – weil kein Geld vorhanden ist. Zudem werden die DRG’s – sofern „mengenanfällig“ – jährlich abgewertet. Das all dies zu Lasten der Qualität der Patientenversorgung gehen muss und zu „Windhundrennen“ führt, ist leicht nachvollziehbar. Die Frustrationstoleranz der Klinik-Angestellten ist vielerorts schon überschritten…. Top-Fachärzte*innen verlassen inzwischen auch Unikliniken und entscheiden sich für eine Selbstständigkeit in spezialisierten Privatkliniken oder in der Niederlassung, da eine Klinikkarriere in leitender Position zunehmend unattraktiv wird. Es entsteht ein Mangel an hoch-qualifiziertem Fachpersonal: in der Ärzteschaft wie in der Pflege.

Eine gezielte regionale Schließung einzelner Kliniken in konsentiert überversorgten Gebieten könnte hier hilfreich sein – bei der Allokation von finanziellen wie von Fachkräfte-Ressourcen. Hierzu müsste allerdings zunächst die Erkenntnis reifen und ein übergreifender politischer Wille vorhanden sein. Damit ist auch weiterhin nicht zu rechnen. Weitere Möglichkeiten wären die Konzentrierung von operativen Eingriffen auf spezialisierte Kliniken mit klar definierten Mindestmengen und Qualitätskontrollen. Hier könnten sich Politik und Kostenträger mit den spezialisierten chirurgischen Fachgesellschaften und Verbänden abstimmen, die wissen, wo die Expertise „sitzt“ – ohne Berührungsängste. Auch damit ist leider nicht zu rechnen.

Damit bleibt die Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung in erster Linie ein allerdings  beachtenswerter Beitrag zur Füllung des Sommerlochs. Die Kliniken werden wohl weiter im „kollektiven Würgegriff“ bleiben.

Prof. Dr. Dr. Reinhard Hoffmann

Vizepräsident BVOU

Ärzte wehren sich erfolgreich gegen „Zwangslistung“ bei Jameda

Köln – Im Frühjahr dieses Jahres haben drei Gerichte unabhängig voneinander entschieden: Ärzte und Heilpraktiker müssen das ungewollte Anlegen von sogenannten Basis-Profilen auf dem Artbewertungsportal Jameda nicht dulden. Zwei Kammern des Landgerichts Bonn und das Landgericht Wuppertal gaben damit den Klagen zweier Zahnärzte und einer Heilpraktikerin gegen Jameda Recht, die sich wegen der fehlenden Zustimmung zur Nutzung ihrer Daten auf dem Portal auf die Verletzung des Datenschutzrechts berufen hatten[1]. Jameda kämpft allerdings weiter um sein Geschäftsmodell und hat gegen die Entscheidungen Berufung eingelegt.

Ein „Basis“-Profil auf Jameda enthält nicht viel: Name und Adresse des Arztes sowie die Bewertungen von Patienten werden dort veröffentlicht. Ansonsten ist das Profil nichtssagend und leer: Fast alle Felder und Funktionen, die das Portal zur ansprechenden Gestaltung des eigenen Profils anbietet, können nur gegen eine monatliche Zahlung befüllt werden. So bleibt insbesondere das Feld mit dem Portraitfoto frei, stattdessen ist dort nur ein Schattenriss zu sehen. Auch die Homepage der Praxis wird nicht angegeben. Schon gar nicht können Ärzte, die keinen Vertrag mit Jameda haben, „weitere Informationen“ über ihre Leistungen angeben oder Fotos, Artikel oder Videos hochladen. In den freien Feldern finden sich dagegen direkte Anprachen an den Noch-Nicht-Kunden, so z.B.: „Sind Sie Dr. XY? Vervollständigen Sie jetzt Ihr Profil und geben Sie so neuen Patienten einen Eindruck von Ihnen und Ihrer Praxis.“. Bei dem fehlenden Profilbild heißt es: „Dieser Arzt hat leider noch kein Portrait hinterlegt.“ Ein Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit dieser Einträge ist nicht ohne weiteres zu finden. Außerdem wird das Profil noch für Werbung von Drittunternehmen genutzt. Mitten im Basis-Profil findet sich – genau wie an den seitlichen Rändern – Werbung z.B. für Reiseanbieter, Versicherungen oder Banken. Bezahlte „Premium“-Profile können dagegen mit einer Vielzahl von Inhalten bis hin zur Onlinebuchung für Termine bestückt werden, die fast die eigene Praxishomepage überflüssig machen könnten.

Im vergangenen Jahr hatte eine Kölner Hautärztin vor dem Bundesgerichtshof erfolgreich auf Profillöschung geklagt. Das Gericht war der Ansicht, dass Jameda sich nicht (mehr) neutral verhalte, indem zahlenden Kunden „verdeckte Vorteile“ verschafft würden. Daher durften die Daten der Ärztin nicht ohne ihre Zustimmung verwendet werden. Allerdings: wer sich gegenüber Jameda auf das Urteil berief, wird weiterhin abgewiesen. Jameda hatte im Nachgang zu der Entscheidung einige Änderungen in der Profilgestaltung vorgenommen und meint deswegen, dass Ärzte nun wieder akzeptieren müssten, in dem Portal ungewollt aufzutauchen. Jameda beruft sich darauf, dass das Portal einen Beitrag zur Transparenz im Gesundheitswesen leiste und ein öffentliches Interesse an einer vollständigen Ärztelistung bestünde.

Allerdings kamen die drei mit der Sache befassten Gerichte nun zu dem Ergebnis, dass die Änderungen nicht ausreichten, um Jameda (wieder) die notwendige Neutralität zu verschaffen. Die Kläger hatten vorgebracht, dass die Möglichkeit, das eigene Profil nur gegen Entgelt aufbessern zu können, für den Portalnutzer nicht erkennbar sei und bezahlte Einträge attraktiver als die „Zwangs-Profile“ seien. Weiterhin würde Jameda die ungewollt angelegten „Basis-Profile“ dazu benutzen, für zahlende Jameda-Kunden indirekt Werbung zu machen. Berücksichtigt wurde unter anderem auch, dass sich Ärzte durch die unterschiedliche Gestaltung der Profile zu einer Mitgliedschaft gedrängt fühlen könnten. Daher würde – so auch die drei Entscheidungen – das Interesse der Betroffenen das Interesse von Jameda an der Datennutzung überwiegen. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für eine Datenverarbeitung ohne Einwilligung.

Ob die Profile am Ende wirklich gelöscht werden müssen, werden nun die Oberlandesgerichte entscheiden. Die erste Entscheidung ist im Herbst diesen Jahres zu erwarten.

Dr. Frauke Schmid-Petersen ist Rechtsanwältin bei HÖCKER Rechtsanwälte in Köln und seit 1999 auf dem Gebiet des Medienrechts tätig und war in den genannten Verfahren als Prozessvertreterin für die jeweiligen Ärzte tätig.


[1] LG Bonn Urt. v. 28.3.2019. Az. 18 O 143/18, Urt. v. 29.3.2019, Az. 9 O 157/18 und LG Wuppertal, Urt. v. 29.03.2019, Az. 17 O 178/18.

„Eine generalisierte und fundierte Ausbildung gewährleisten!“

Berlin/ Baden-Baden – Auf der BVOU-Mitgliederversammlung am 4. Mai 2019 in Baden-Baden wählten die Anwesenden PD Dr. Christian Merle in den BVOU-Gesamtvorstand und zum Vertreter Leitender Ärzte und Oberärzte in O und U. Im Interview spricht er über die Anforderungen an seinen Beruf und darüber, wie sich junge Ärztinnen und Ärzte trotz der wachsenden Herausforderungen zu leitenden Positionen begeistern lassen können.

PD Dr. Christian Merle, in Baden-Baden wurden Sie im BVOU-Gesamtvorstand als Vertreter der Oberärzte gewählt, stellen Sie sich doch einmal kurz vor:
PD Dr. Christian Merle: Ich bin als Oberarzt an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg tätig und leite hier seit 2018 das Endoprothetikzentrum. Meine Ausbildung habe ich ebenfalls in Heidelberg mit Rotation an die BG Unfallklinik Ludwigshafen und Auslandsaufenthalten an der University of Oxford und dem Hospital for Special Surgery in New York absolviert. Neben dem klinischen Schwerpunkt in der Primär- und Revisionsendoprothetik von Hüfte und Knie liegt auch mein wissenschaftliches Interesse im Bereich des Gelenkersatzes, insbesondere des Teilgelenkersatzes am Knie und der patientenindividuellen Endoprothetik. Als stellvertretender Leiter des Forums Mittelbau (FOURMit) der DGOU beschäftige ich mich unter anderem mit den berufspolitischen Themen der fachlichen und persönlichen Weiterbildung sowie Möglichkeiten der Qualifizierung nach dem Facharztabschluss. Ich freue mich, die Belange und Interessen der Fach- und Oberärzte/-innen als zahlenmäßig große Gruppe entscheidender Leistungsträger an deutschen Kliniken auch im BVOU vertreten zu dürfen.

Welche Ziele haben Sie sich für das erste Jahr gesetzt?
D Dr. Christian Merle: Es gibt aus meiner Sicht zwei relevante Themen, die ich auch im BVOU gerne voranbringen möchte.

Das exponentiell wachsende Wissen im Fachgebiet der muskuloskelettalen Erkrankungen, die stetige Weiterentwicklung von Operationstechniken und Implantatsystemen und die Sektions-/ Bereichsstruktur vieler Kliniken zeigen den Bedarf an einer zunehmenden operativen Subspezialisierung der Fachärzte, um eine qualitativ hochwertige, sichere und effiziente Patientenversorgung gewährleisten zu können. Im englischsprachigen Raum wird dieser Versorgungsrealität über strukturierte Fellowships Rechnung getragen; in Deutschland hingegen ist das operative Weiterbildungsangebot nach dem Facharzt sehr heterogen und nur unzureichend charakterisiert. Eine generalisierte und fundierte Ausbildung, die das gesamte Spektrum der operativen und konservativen Orthopädie und Unfallchirurgie abdeckt, muss zur Erlangung der Facharztkompetenz weiterhin gewährleistet bleiben. Nach der Facharztprüfung stellen klinische Fellowships eine attraktive und zukunftsfähige Möglichkeit dar, um dem zunehmenden Bedarf an operativ hochspezialisierten Fachärzten gerecht werden zu können. Wir haben in Heidelberg ein entsprechendes Rotationsmodell für Fachärzte in den subspezialisierten Sektionen etabliert, welches auf große Nachfrage und Zustimmung stößt und neben der klinischen auch die wissenschaftliche Karriere individuell fördert. Potentiell können Fellowships in die bereits vorhandenen Zusatzweiterbildungen für spezielle Orthopädie bzw. Unfallchirurgie integriert werden und diese perspektivisch weiterentwickeln. Hierfür ist jedoch eine transparente und einheitliche Definition von Umfang, Dauer und curricularem Inhalt in Anlehnung an die qualitätsorientierten Vorgaben der Sektionen der Fachgesellschaften in Deutschland erforderlich.

Des Weiteren bin ich davon überzeugt, dass in Anbetracht der aktuellen berufspolitischen Entwicklungen eine intensivere Zusammenarbeit der Klinikärzte und der niedergelassenen Ärzte sowohl in der Patientenversorgung als auch der Fort-/ und Weiterbildung von essentieller Bedeutung ist. Abstimmungsschwierigkeiten, die insbesondere durch die Vielfältigkeit der Tätigkeitsbereiche in unserem Fachgebiet entstehen, können durch intensivere Kooperationen und eine bessere Vernetzung überbrückt werden.

Die heutigen Anforderungen an Oberärzte und Chefärzte in O und U gehen weit über die medizinische Expertise und Fachkenntnisse hinaus. Was zählt aus Ihrer Sicht dazu?
PD Dr. Christian Merle: Neben einem stetig wachsenden Fachwissen und dem klaren Trend zur Subspezialisierung übernehmen in der Klinik tätige ärztliche Führungskräfte zunehmend Aufgaben, die organisatorische Prozesse, betriebswirtschaftliche und arbeitsrechtliche Aspekte, die Mitarbeiterführung sowie eine zielgerichtete interdisziplinäre Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit umfassen. Dies erfordert insbesondere in den chirurgischen Fächern eine hohe Belastbarkeit, Flexibilität und Organisationskompetenz. Hier bedarf es analog zur Vermittlung von Fachwissen innovativer Fort-/ und Weiterbildungsangebote sowie flexibler Arbeitsmodelle, um die berufliche Situation von Krankenhausärzten/-innen auch weiterhin für die besten Köpfe attraktiv zu sein.

Diese wachsenden Aufgaben an Krankenhausärzte in leitenden Positionen erfordern Handlungsbedarf: Sie unterstützen angehende Chefärzte und leitende Ärzte in O und U mit Vorträgen bei verschiedenen Fortbildungsangeboten. Welches Wissen möchten Sie an die Kolleginnen und Kollegen weitergeben?
PD Dr. Christian Merle: In der Frage der individuellen Karriereplanung, die alle Fach- und Oberärzte intensiv beschäftigt, sind genau die o.g. Themen wie Organisation, Kommunikation, Ökonomie und Arbeitsrecht zunehmend relevant. Diese Inhalte können nicht nur durch ärztliche Kollegen vermittelt werden. Es besteht ein Bedarf an Kursformaten, in denen auch Experten aus den Bereichen Klinikmanagement, Rechts- und Personalberatung zu Wort kommen und Kompetenzen und Erfahrungen aus der Praxis ihres Fachgebiets teilen. Vor diesem Hintergrund wurde der CLOU- Kurs (Chefarzt und Leitender Arzt in O&U) vom Nichtständigen Beirat der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und dem Forum Mittelbau der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) in Kooperation mit der AUC – Akademie der Unfallchirurgie, der Akademie Deutscher Orthopäden (ADO), dem Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) sowie dem Verband leitender Orthopäden und Unfallchirurgen (VLOU) entwickelt. Nach sehr positivem Feedback aus dem letzten Jahr wird der Kurs um die Perspektive Niederlassung erweitert und in diesem Jahr in Berlin am 13./14.09.2019 stattfinden.

Im CLOU+-Kursprogramm trägt Ihr Vortrag den Titel: Karrieresprungbrett Oberarzt?! Verraten Sie uns, was hinter diesem Titel steckt? Welcher Inhalt erwartet die Teilnehmer?
PD Dr. Christian Merle: Die Oberarzttätigkeit in O&U ist trotz oder gerade wegen der vielzitierten “Sandwichposition” definitiv ein Karrieresprungbrett und bietet durch eigenverantwortliches Arbeiten ein hohes Entwicklungspotential. Neben dem klassischen Chefarztmodell stellen zunehmend auch Sektionsleitungen und Beleg-/Kollegialsysteme eine attraktive Alternative dar. Gerade in unserem Fachbereich gibt es eine dynamische Entwicklung der Karriereoptionen mit vielfältigen Chancen sowohl im klinischen als auch niedergelassenen Setting, die es kritisch und unter Berücksichtigung der individuellen Interessen und Qualifikationen zu bewerten gilt.

Herr Dr. Merle, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Janosch Kuno, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit BVOU

Telematikinfrastruktur, BVOU, Vorstand

Empfehlung zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI)

Berlin – Der BVOU-Gesamtvorstand hat sich auf seiner Januartagung am 26.01.2019 mit der Einführung der Telematik-Infrastruktur (TI) ausführlich befasst. Er kam nach kontroverser Diskussion und Bewertung der vorliegenden Informationen zu Risiken und Haftung damals mehrheitlich zur Ansicht, dass der Anschluss an die Telematik-Infrastruktur den BVOU-Mitgliedern zum damaligen Zeitpunkt nicht empfohlen werden sollte. Es wurde empfohlen, eher die gesetzlich vorgesehene Honorarkürzung bei nicht-fristgerechtem Anschluss in Kauf zu nehmen, als die mit dem Anschluss an die TI verbundenen und zum Jahresanfang 2019 noch nicht abschließend geklärten Risiken einzugehen.

Bereits in seinem damaligen Statement wies der Gesamtvorstand darauf hin, dass sich um eine rein subjektive Einschätzung handelt, für die keinerlei Haftung übernommen werden kann. Nach Änderung der Informations- und Rechtlage könne sich diese Meinung jederzeit ändern und jedes Mitglied sollte deshalb für sich selbst abwägen, welchen Weg es gehen möchte. Dieser Fall ist nun eingetreten, weshalb sich der Geschäftsführende Vorstand des BVOU zu einer Korrektur dieser Einschätzung und den daraus abgeleiteten Empfehlungen für seine Mitglieder entschlossen hat.

Haftungsausschluss bei ordnungsgemäßer TI-Anbindung

Ende Juni 2019 hat die Gematik auf Drängen der KBV festgestellt, dass Praxisinhaber nicht für Datenpannen einer korrekt an die Telematikinfrastruktur angeschlossenen Praxis-IT haftbar gemacht werden können. Weiterhin wurde von der Gematik nochmals bekräftigt, dass die TI kein Sicherheitsrisiko darstellt, wenn die zugelassenen Konnektoren vorschriftsgemäß aufgestellt und betrieben werden.

Ferner liegt nunmehr eine erste sozialgerichtliche Entscheidung vor, die zum einen Verstoß der Telematikinfrastruktur gegen Datenschutzrecht ablehnt sowie die Art und Höhe der Kostenerstattung bei der Anschlusspflicht als rechtmäßig sowie die Kostenbeteiligung der Vertragsärzte hieran als zumutbar und verfassungsgemäß einstuft (vgl. SG München, Beschluss v. 22.03.2019 – S 38 KA 52/19 ER).

Sichere Anschlussvarianten an die TI

Gematik und KBV haben Merkblätter veröffentlicht, die die empfohlenen Anschlussvarianten an die TI erklären und darstellen, wie die TI zur Erhöhung der Sicherheit der Praxis-IT führt.

Reihenbetrieb

Sicherste Variante: Reihenschaltung des TI-Konnektors ohne Anbindung der Praxis-IT ans “normale” Internet

Nach diesen Informationen ist die Installationsvariante „Reihenbetrieb“ als sicherste Installation einzuschätzen, da die gesamte Praxis durch den Konnektor und die ausschließliche Anbindung an die TI optimal geschützt wird. Über den Konnektor ist zusätzlich die Anbindung an das KV Safenet und weitere sichere Internetdienste möglich.

Diese Installation bietet ein Plus an Sicherheit im Vergleich zur Internetanbindung einer Praxis über einen normalen Router wie z.B. die FritzBox mit oder ohne zusätzlicher Firewall.

Einschränkend muss festgestellt werden, dass jede Praxis überprüfen sollte, ob mit dieser Installation alle zuvor genutzten Installationen (Fernwartung, Remote-Zugriffe u.ä.) weiter im gleichen Umfang nutzbar sind. Hier sollte ggf. der Praxis-EDV-Dienstleister nachbessern, um höchste Sicherheitsstandards zu gewährleisten.

Parallelbetrieb

Potentiell unsichere Variante: Parallelbetrieb erfordert zusätzliche Absicherung der IT-Infrastruktur in Verantwortung der Praxis (z.B. Firewall, Antivirus, eigener Mailserver etc.)

Auch im sogenannten „Parallelbetrieb“ ist die Praxis-EDV abgesichert, wenn sich die Praxis (wie bislang auch) selbst um Sicherheitsmaßnahmen wie Firewall und Virenschutz kümmert.

Werden diese Sicherheitsmaßnahmen durch die Praxis als Netzwerkbetreiber nicht ergriffen, ist die Praxis-EDV ebenso wie bereits vor dem Anschluss an die TI gefährdet und ggf. Hackerangriffen ausgesetzt. Die Praxis verstößt damit gegen die DSGVO, weil sie die erforderlichen Technisch-Organisatorischen Maßnahmen (TOM) zum Schutz von Patientendaten nicht ausreichend ergriffen hat. Dies hat jedoch nichts mit dem Anschluss an die TI zu tun und liegt wie vor der TI-Anbindung im Verantwortungs­bereich der Praxis selbst.

Netztrennung für gleichzeitige, sichere Nutzung des Internets

Netztrennung bei gleichzeitiger Internet-Nutzung: Hier ist die Praxis-EDV hinter dem Konnektor geschützt während Internet-Rechner in einem separaten Netzwerk arbeiten.

PCs oder Netzwerkteile, die an das Internet über einen normalen Router etc. angeschlossen sind, sollten physisch vollständig von der Praxis-EDV und der TI getrennt werden. Damit ist der Zugriff auf Patientendaten auch für den Fall eines erfolgreichen Hackerangriffs ausgeschlossen. Dieses Szenario kann beispielsweise durch die Installation eines zusätzlichen WLAN erreicht werden, das über einen separaten Router ans Internet angebunden ist. Über einen solchen Kanal sollten auch Digitalisierungsprojekte wie Videosprechstunde und Online-Terminvergabe in der Praxis installiert werden.

Stand-Alone- oder Kioskbetrieb der TI

Kioskbetrieb: Kartenterminal wir unabhängig von der Praxis-EDV genutzt

Bei dieser Anschlussvariante ist die TI vollständig von der bereits existierenden Praxis-EDV getrennt. Mit dieser Variante kann lediglich die Online-Prüfung der Versichertenstammdaten erfolgen.

Dadurch ändert sich das Sicherheitsniveau der bisherigen Praxis-Installation nicht, schneidet die Praxis aber von allen zukünftigen Anwendungen der TI ab, wie z.B. elektronische AU, eRezept, eArztbrief und elektronische Patientenakten.

Deshalb ist diese Installationsvariante lediglich als kurzfristige Übergangsvariante zu empfehlen, beispielsweise bis die gesamte Praxis-EDV mit den erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen für einen Parallelbetrieb ausgerüstet ist.

Digitalisierung kommt und basiert auf der TI

Der Referentenentwurf des „Digitale Versorgung Gesetz“ sieht eine Reihe von Digitalisierungs­projekten vor, die per Gesetz bis Ende 2021 eingeführt werden sollen. Zentral ist beispielsweise die Anbindung an eine von der Gematik und der KBV zu definierende zentrale elektronische Patientenakte sowie das Recht des Patienten, diese Akte in jeder Praxis befüllt zu bekommen.

Dafür ist eine gesonderte Vergütung ebenso vorgesehen wie weitere Sanktionen bei Nichtanbindung an die TI. Weitere digitale Anwendungen im Gesundheitssystem wie die elektronische AU, das eRezept und der eArztbrief, eine vom „normalen“ Internet abgekoppelte elektronische Post zwischen Ärzten, werden ausschließlich auf der Telematikinfrastruktur aufsetzen.

Die KBV schafft gerade die Grundlagen für eine sichere digitale E-Mail-Kommunikation zwischen Ärzten und Praxen, die auf der TI basiert und in die Praxis-EDV-Systeme integriert werden soll. So kann in Kombination mit den oben beschriebenen sicheren Anschlussvarienten an die TI sichergestellt werden, dass das Haupteinfallstor für Hackerangriffe auf Praxen und Kliniken verschlossen wird: E-Mails mit infizierten Anhängen, über die z.B. die sogenannten Kryptotrojaner in Praxisnetzwerke eingeschleust werden. Diese verschlüsseln dann die gesamten Praxis- und Patientendaten, was Grundlage für Erpressungen durch Cyberkriminelle und erhebliche Schäden ist.

Zusammenfassung:
Empfehlung zum Anschluss an die TI

Eine der Grundbefürchtungen des Gesamtvorstandes, dass Praxen für Datenschutzpannen der Telematikinfrastruktur haftbar sind, wurde vor wenigen Tagen von der Gematik und der KBV ausgeräumt. Gleichzeitig bietet die TI bei korrektem Anschluss und Betrieb ein deutliches Mehr an Sicherheit als viele aktuelle Installationsvarianten von Praxis-EDV-Systemen mit Anbindung ans Internet.

Des Weiteren drückt der Gesetzgeber aufs Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems und schafft mit der TI, dem TSVG sowie dem im Referentenentwurf vorliegenden „Digitale Versorgung Gesetz“ den rechtlichen Rahmen für die Einführung klar definierter digitaler Anwendungsszenarien im deutschen Gesundheitssystem.

Diesen Anforderungen müssen sich die Vertragsärzte und auch die Mitglieder des BVOU stellen. Wer sich dem Anschluss an die Telematikinfrastruktur weiter verweigert, wird spätestens ab dem Jahr 2022 von vielen Entwicklungen und Kommunikationspfaden abgehängt und hat mit weiteren Sanktionen zu rechnen, als die aktuell angedrohten Honorarkürzungen.

Der geschäftsführende Vorstand des BVOU empfiehlt in Anbetracht dieser aktuellen Entwicklungen den BVOU-Mitgliedern nunmehr den Anschluss an die Telematikinfrastruktur. Die Einschätzung des BVOU-Gesamtvorstandes wird damit revidiert.

Sollten in der eigenen Praxis-IT-Infrastruktur umfangreichere Sicherheitsmaßnahmen nachzurüsten sein, kann vorübergehend die Installation der Kiosk- bzw. Stand-Alone-Variante der TI erwogen werden, um die gesetzten Fristen zur Anbindung an die TI einzuhalten. Mittelfristig sollte jedoch eine der empfohlenen Installationsvarianten eingeführt werden, um an allen zukünftigen digitalen Diensten teilnehmen zu können, die über die TI eingeführt werden sollen.

Geschäftsführender Vorstand des BVOU, 08.07.2019

Weiterführende Informationen

  1. Informationen von KBV und gematik zur Haftung bei Datenmängeln der TI:
    https://www.kbv.de/html/1150_41119.php
  2. Informationsblatt der Gematik zu Betriebsarten des Konnektors:
    https://fachportal.gematik.de/fileadmin/user_upload/fachportal/files/Service/Anschluss_medizinischer_Einrichtungen_an_die_Tele-matikinfrastruktur__DVO_/Informationsblatt_Betriebsarten-Konnektor_V1.0.0.pdf
  3. Praxisinformationen der KBV zu TI-Installationsvarianten:
    https://www.kbv.de/media/sp/PraxisInfo_TI_Installationsvarianten.pdf
  4. Zentrale Informatinsseite der KBV zur Telematikinfrastruktur: https://www.kbv.de/html/telematikinfrastruktur.php

Höchste Anforderungen an die Akupunktur-Dokumentation durch BSG-Urteil

Wertheim – Akupunktur bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder der Kniegelenke durch Gonarthrose gehört zum kassenärztlichen Leistungsangebot vieler konservativ tätiger Orthopäden. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.2.2019 (B 6 KA 56/17R) könnte vielen Akupunkteuren nun eine Honorarrückforderung drohen: Nach jahrelangem Weg durch die Instanzen hat das BSG in seinem Urteil höchste Anforderungen an die Dokumentation der Eingangsvoraussetzungen für Akupunktur als Krankenkassenleistung bestätigt, wie sie vielen Ärzten nicht bewusst sein dürften.

Danach reicht es nicht aus, dass die Voraussetzung einer 6-monatigen Beschwerdedauer anamnestisch oder durch Ankreuzen auf dem Eingangsdokumentationsbogen festgehalten wird. Der behandelnde Arzt muss den Patienten entweder in den beiden Quartalen unmittelbar vor der Akupunkturbehandlung in der eigenen Praxis wegen dieser Krankheit selbst behandelt haben oder alternativ eine Behandlung bei anderen Ärzten in den beiden Vorquartalen durch vorliegende Arztbriefe nachweisen können. Auch reicht eine frühere Behandlung derselben Krankheit vor diesem 6-Monatsintervall irgendwann in der Vergangenheit als Nachweis einer entsprechenden Beschwerdedauer nicht aus.

Die genauen Einzelheiten zum Urteil sind im separaten Text von BVOU-Justitiar Dr. Heberer dargestellt.

Der Fall in Kürze: BVOU-Mitglied Dr. B. (Name der Redaktion bekannt) hatte Patienten im Quartal II/2007 kassenärztlich mit Akupunktur behandelt. Die Voraussetzungen der Qualitätssicherungsvereinbarung Akupunktur seien bei seinen Patienten erfüllt gewesen, so der betroffene Kollege. Er dokumentierte die Beschwerdedauer in den Behandlungsunterlagen, wie dem üblichen Eingangsdokumentationsbogen für Akupunktur. “Ich habe in bestem Glauben gehandelt, dass diese Dokumentation ausreichend ist” schildert der Betroffene sein Vorgehen. “Ich bin als guter Akupunkteur in der Region bekannt, die Krankenkassen haben mir diese Patienten sogar geschickt!”

Doch der Arzt erlebte sein blaues Wunder: Auf Antrag einer großen Krankenkasse musste die zuständige KV im Jahr 2011 in 69 Behandlungsfällen eine Rückforderung der vergüteten Akupunkturleistungen nach GOP 30790 und 30791 in Höhe von 9.322€ im Rahmen einer Richtigstellung festsetzen, da in den beiden Vorquartalen bei den behandelten Patienten keine entsprechende ICD-Diagnose in den Quartalsabrechnungen kodiert und somit das geforderte mindestens sechsmonatige ärztlich dokumentierte Schmerzintervall nicht festgestellt werden konnte.

Seinem Widerspruch, dass dieses im Eingangsbogen nach EBM 30790 entsprechend dokumentiert sei, wurde nicht stattgegeben. In den vom BVOU als Musterprozess anwaltlich unterstützten Verfahren wiesen sowohl das SG München (S 39 KA 307/12) 2014 als auch das LSG München (L 12 KA 221/14) 2016 die Klage des Orthopäden ab und folgten der Ansicht von KV und Krankenkasse. Wie im Text von Dr. Heberer dargestellt hat sich nun auch das BSG in seiner Entscheidung 2019 den Vorinstanzen angeschlossen. Die entstehungsgeschichtliche Auslegung der Einführung der EBM Ziffern 30790 und 30791 lege nahe, dass Akupunktur als zusätzliche Behandlungsoption mit Ausnahmecharakter nicht schon zu Beginn einer Schmerzbehandlung zum Einsatz kommen solle.

Dr. Karsten Braun, Wertheim, Bezirksvorsitzender Heilbronn-Franken

Ärztetag: Wahlen, Weiterbildung, Wohlergehen von Ärzten

Münster – Der Deutsche Ärztetag (DÄT) ist immer wieder für Überraschungen gut. Das zeigte sich beim 122. Treffen des „Parlaments der Ärzte“ Ende Mai in Münster. Kurz zuvor hatte sich der 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Rudolf Henke, noch Dr. Martina Wenker als Favoritin der Klinikärztegewerkschaft und als erste Frau an die Spitze der Bundesärztekammer (BÄK) gewünscht: „Meine Prognose ist, dass das auch geschehen wird.“ Doch die Delegierten entschieden anders: Sie wählten den Hausarzt, Vorsitzenden des Hartmannbunds und Vizepräsidenten der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Klaus Reinhardt, zum neuen BÄK-Präsidenten.

Wunschtrio mit Klaus Reinhardt wird an die Spitze gewählt

Vorgänger Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery hatte nicht mehr kandidiert. Reinhardt hatte sich im Wahlkampf in einem Trio mit der Kinderchirurgin Dr. Heidrun Gitter (Präsidentin der Ärztekammer Bremen) und der HNO-Ärztin Dr. Ellen Lundershausen (Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen) beworben – und konnte auch seine beiden Wunsch-Vizepräsidentinnen durchsetzen. Alle drei siegten allerdings knapp.

Montgomery: Kritik an TSVG und nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen

Der DÄT hatte auch dieses Mal eine Vielzahl von Themen und Anträgen zu bewältigen. Schon bei der feierlichen Eröffnung am 28. Mai zeigte sich, was die Ärzteschaft derzeit umtreibt. Noch-Präsident Montgomery kritisierte unter anderem die 25-Wochenstunden-Regelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) und die Fülle an Gesetzesentwürfen zu nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen. Damit würden am Rande ärztlicher Tätigkeit neue Berufe kreiert und die Professionalität des Arztberufs ausgehöhlt. Bei der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) war am Tag zuvor bereits der Direktzugang zu Physiotherapeuten kritisch diskutiert worden. Auch das Thema Digitalisierung sprach Montgomery an: Sie könne viel Gutes bewirken, dürfe aber nicht zur Substitution ärztlicher Tätigkeit führen.

Spahn: Rund eine Milliarde Euro mehr an Honorar

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ging auf die Kritikpunkte Montgomerys in seiner Rede ein. Er ließ sich auch durch einen kurzzeitigen Licht- und Stromausfall nicht aus dem Konzept bringen. Im Hinblick auf die 25-Stunden-Regelung verwies er darauf, dass Terminprobleme für viele Menschen im Alltag relevant seien und nicht nur gefühlt. 90 Prozent der Ärzte sagten sogar, sie seien gar nicht betroffen, weil sie sowieso mehr arbeiteten. Außerdem stehe Entsprechendes nun einmal im Koalitionsvertrag. Er wolle aber auch darauf verweisen, dass es für zusätzliche Leistungen nun mehr Geld gebe, rund eine Milliarde Euro. In Bezug auf die Sorgen beim Thema nicht-ärztliche Gesundheitsberufe zeigte Spahn grundsätzlich zwar ein gewisses Verständnis, verwies aber auch auf den steigenden Versorgungsbedarf. Außerdem habe man Wünsche der Ärzteschaft aufgegriffen, zum Beispiel bei der geplanten Ausbildungsreform der Psychotherapeuten. Der Minister riet den Ärzten, das gute Miteinander mit den Gesundheitsberufen zu suchen und „konstruktiv bis in die Wortwahl“ zu sein.

Leitantrag: Stärkung der Freiberuflichkeit, Kooperation bei klaren Verantwortlichkeiten

Im Leitantrag des Ärztetags wird die Politik gleichwohl aufgefordert, Einschnitte in die Selbstverwaltung und damit freiheitliche ärztliche Berufsausübung zu unterlassen und die Stärkung der Freiberuflichkeit zur Richtschnur politischen Handelns zu machen. An anderer Stelle heißt es: „Die Ärzteschaft unterstützt und fördert die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen bei klaren Verantwortlichkeiten. Sie lehnt aber politische Bestrebungen ab, aus vornehmlich ökonomischen Gründen originäre ärztliche Tätigkeiten auf nicht-ärztliche Gesundheitsberufe zu verlagern.“

Überlastung bei vielen: Wenn die Arbeit Ärzte krank macht

Ein eigener Tagesordnungspunkt war dem Thema „Wenn die Arbeit Ärzte krank macht“ gewidmet. Drei namhafte Referenten trugen vor, worin gesundheitliche Belastungen für Ärzte bestehen, wie die beruflichen Rahmenbedingungen geändert und welche Präventionsmaßnahmen ergriffen werden müssen. Dabei wurde deutlich, dass Personalnot, Arbeitsverdichtung und Wettbewerbsdruck zu körperlicher und auch emotionaler Überlastung führen. Betroffen seien viele, hieß es in Münster: Unter Krankenhausärzten beklagten bei einer MB-Befragung drei Viertel eine berufliche Überlastung. In einer weiteren Befragung gab ein Fünftel der Krankenhausärzte an zu erwägen, ihre ärztliche Tätigkeit aufzugeben. Auch unter niedergelassenen Ärzten fühlen sich viele ausgebrannt, wie eine Befragung der KBV aus dem Jahr 2018 zeigt. Im Leitantrag zu diesem Tagesordnungspunkt wird in einer Vielzahl konkreter Punkte gefordert, gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen.

eLogbuch Weiterbildung: Start theoretisch ab 1. Juli 2019 möglich

Bereits auf dem zurückliegenden Ärztetag in Erfurt wurde eine Novellierung der (Muster-) Weiterbildungsordnung beschlossen. Eine wesentliche Neuerung sieht vor, den Kompetenzzuwachs während der ärztlichen Weiterbildung verpflichtend kontinuierlich in einem elektronischen Logbuch zu dokumentieren. In Erfurt hatten die Delegierten die BÄK aufgefordert, mit einem externen Auftragnehmer ein betriebsfähiges Produkt für die Umsetzung eines eLogbuchs zu entwickeln.

In Münster nahm der Ärztetag nun den Sachstandsbericht zustimmend zur Kenntnis und empfahl den Landesärztekammern, die Dokumentation im eLogbuch vorzusehen. Das neue System kann theoretisch ab 1. Juli 2019 an den Start gehen, falls die neue Weiterbildungsordnung in einer Kammer schon umgesetzt beziehungsweise von der jeweiligen Aufsichtsbehörde genehmigt ist. In den Diskussionen wurde allerdings klar, dass es sich um ein noch unfertiges Tool handelt, das sich in der Praxis erst beweisen muss. Mit Hilfe mehrerer Anträge formulierten die Delegierten weitere Bedingungen an den Einsatz: Das eLogbuch solle nutzerfreundlich, transparent und für den Wechsel zwischen Kammern kompatibel gestaltet werden. Die Möglichkeit zur anonymen Evaluation der Weiterbildung solle idealerweise damit kombiniert werden können.

Finanzen: KBV will Anteile am Deutschen Ärzteverlag verkaufen

Der Deutsche Ärztetag befasste sich darüber hinaus mit einer Vielzahl weiterer Themen, wie an der großen Anzahl der Anträge sichtbar wurde. Er diskutierte und verabschiedete zudem wie jedes Jahr die Haushalts- und Finanzplanung der BÄK. Offen angesprochen wurde unter anderem die Zukunft des Deutschen Ärzteverlags und damit des Deutschen Ärzteblatts. Demnach wird seit rund einem Jahr darüber verhandelt, ob die BÄK die Anteile der KBV am Verlag übernimmt. Derzeit halten beide je zur Hälfte Gesellschafteranteile. Der Verkaufswunsch der KBV wird mit Auflagen aus dem GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz begründet. Danach muss sich die KBV, verkürzt dargestellt, auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und darf keine Beteiligungen wie die an einem Verlag mehr halten.

Autoren: Sabine Rieser/ Dr. Klaus Thierse (eLogbuch)

Ärztetag: Kompetenz aus Orthopädie und Unfallchirurgie

Münster – Mehr Dynamik – die will der neue Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Klaus Reinhardt, erzeugen. Kurz nach dem Ende des Ärztetags erklärte er in einem Kurzstatement vor Medienvertretern, es sei wichtig, das, was man anfassen wolle, gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Landesärztekammern und den ärztlichen Verbänden zu tun: „Es muss hier mehr Dynamik entstehen. Wir müssen öfters Positionen gemeinsam vertreten.“ Mit geschlossenen Lösungsvorschlägen könne man sich auch besser politisch positionieren.

Auf diesem Weg kann das neue Trio an der Spitze der BÄK auf mehrfache Kompetenz aus O und U zurückgreifen. Der BÄK-Vorstand setzt sich aus dem Präsidenten, den zwei Vizepräsidentinnen, den Präsident(inn)en der Landesärztekammern und zwei weiteren Ärztinnen/Ärzten zusammen. Derzeit haben gleich vier Vorstandsmitglieder der BÄK einen orthopädisch-chirurgischen Hintergrund.

Dr. Wolfgang Miller ist seit kurzem Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Er ist niedergelassen als Chirurg, Orthopäde und Unfallchirurg in Echterdingen. In der BÄK ist er Mitglied in den zwei Ständigen Konferenzen Berufsordnung und Ärztliche Versorgungswerke.

Sanitätsrat Dr. Josef Mischo, Präsident der Ärztekammer des Saarlands, ist Chirurg mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie. Mischo war überraschend gegen die Kinderchirurgin Dr. Heidrun Gitter angetreten, die sich für den Posten als 1. Vizepräsidentin bewarb und zunächst keinen Gegenkandidaten hatte. Er wolle zeigen, dass er bereit sei, sich ebenfalls zu engagieren, hatte der Saarländer in seiner Bewerbungsrede gesagt. Mischo beschrieb sich als eher ruhigen, aber konsequenten Typ. Im vergangenen Jahr hatte er beim Ärztetag als Vorsitzender des BÄK-Ausschusses Berufsordnung die Vorschläge zum Thema Fernbehandlung unterbreitet und mit dazu beigetragen, das schwierige Thema gut über die Bühne zu bekommen.   

Dipl.-Med. Frank-Ullrich Schulz ist niedergelassener Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und als Präsident der Ärztekammer Brandenburg ebenfalls Mitglied im Vorstand der BÄK. Bis zu seiner Wahl in dieses Amt war er Vorstandsmitglied im BVOU. Schulz ist Mitglied der Ständigen Konferenz „Ärztliche Weiterbildung“ der Bundesärztekammer sowie stellvertretendes Mitglied von deren Ständiger Konferenz „Gutachterkommissionen/Schlichtungsstellen“.

Auch die Chirurgie ist unter den Ärztekammerpräsidenten im BÄK-Vorstand gut vertreten: Mit dem Chirurgen Dr. Günther Jonitz (Präsident der Ärztekammer Berlin), dem Thoraxchirurgen Dr. Günther Matheis (Ärztekammer Rheinland-Pfalz) und dem Chirurgen Dr. Theo Windhorst (Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe).

Windhorst war dieses Jahr Gastgeber des Ärztetags in Münster. Er nutzte seine Begrüßung zu einer längeren Rede und betonte gegenüber den anwesenden Politikern, die Ärzte wollten keine Politik der Drohungen und Bestrafungen. Politik könne auch anders, und das wünsche man sich. Statt der oft gewählten Streicher für die musikalische Untermalung der Eröffnung hatte sich Windhorst für ein Kontrastprogramm entschieden: Er ließ neun Trommler, die „Fascinating Drums“, lautstark auftreten. Als Paukenschlag wurde einige Tage später auch seine Wahlempfehlung für die BÄK-Spitze empfunden: Obwohl Marburger-Bund-Mann, sprach der Westfalen sich nicht für die MB-Kandidatin Dr. Martina Wenker aus, sondern für Reinhardt, seinen Vizepräsidenten in der Kammer.

Sabine Rieser, Fachjournalistin, Berlin




VKD: Bei Pflegepersonaluntergrenzen bestätigt

Berlin – Trotz massiver Kritik und gut begründeter Stellungnahmen aus der Praxis, wie auch vom VKD, ist zum Jahresanfang die Ministerverordnung zu den Pflegepersonaluntergrenzen in Kraft getreten.

„Die Auswertung des ersten Quartals bestätigt, dass die Kritik an der Verordnung berechtigt war und der Ansatz nicht hilfreich ist“, kommentiert der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD), Dr. Josef Düllings.

Mit 90 Prozent Erfüllungsquote haben die Krankenhäuser aus dem Stand und ohne Übergangsphase trotz aktuell zunehmenden Personalmangels in der Pflege die Verordnungsvorgaben weitestgehend erfüllt. Ein tieferer Blick in die Umsetzungspraxis offenbart aber auch das durch die Verordnung ausgelöste Dilemma: Viele Krankenhäuser mussten Behandlungen einschränken, um die Vorgaben zu erfüllen. Dies betraf vor allem Intensivstationen, in denen Plätze zum Teil stillgelegt wurden. De facto heißt dies, dass Patienten abgewiesen wurden. Ob dies der Patientensicherheit dient, gerade in den Grippemonaten Anfang des Jahres, darf bezweifelt werden.

Nicht berücksichtigt wurde in der Erhebung zudem die Zahl der eingesetzten Ärzte. Hilfs- und Assistenzkräfte spielten ebenfalls keine Rolle. Der VKD hatte in seiner Stellungnahme zum Verordnungsentwurf bereits darauf hingewiesen, dass die Krankenhäuser in den vergangenen Jahren in erheblichem Maße neue Mitarbeiter eingestellt haben, um die Pflege zu entlasten. Hier wurde mit der Verordnung aus unserer Sicht der Rückwärtsgang eingeschaltet. Plötzlich eingelieferte Notfälle, Krankheit von Mitarbeitern, solche naturgemäß immer wieder auftretenden Ereignisse, führten natürlich zur Unterschreitung der Quoten, die Sanktionen nach sich ziehen. Ein Unding. Unabweisbare Notfälle dürfen nicht als Unterschreitung der Quoten bewertet und sanktioniert werden.

Wie erwartet sind auch die Bürokratielasten gestiegen. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) mussten, ausgelöst durch die Verordnung, erstmals siebenhunderttausend Schichten erfasst und ausgewertet werden. Ein völlig übertriebener Aufwand, der am Ende die Versorgungssituation nicht verbessert hat.

Fazit der ersten Auswertung aus Sicht des VKD: „Bitte das Experiment beenden. Wir gehen mit der DKG konform, die sich für ein bedarfsorientiertes Personalbemessungssystem in einer Ganzhauskonzeption ausspricht. Dieses Konzept würde dem Management die Möglichkeit geben, Personal entsprechend den tatsächlichen Erfordernissen der Patientenversorgung flexibel einzusetzen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat gerade kürzlich in der Jahrestagung unseres Verbandes in Berlin betont: “Wir sind nicht die besseren Geschäftsführer, die Ihnen sagen, wie Sie Ihr Personal einsetzen.‘ Wir nehmen ihn gern beim Wort“, so VKD-Präsident Josef Düllings.

Bis 2035 fehlen jährlich bis zu 6.000 Studienplätze

Berlin – Nach aktuellen Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) fehlen in Deutschland jährlich bis zu 6.000 Studienplätze im Fach Humanmedizin – wenn die aktuelle ambulante Versorgungsleistung bis 2035 aufrechterhalten werden soll. Abhängig vom Ausbildungserfolg der zukünftigen Studierenden, der Dauer der Weiterbildung und der beruflichen Orientierung variiert die Projektion zwischen 6.000 (75 Prozent der Studienanfänger werden innerhalb von 15 Jahren Facharzt) und 3.000 fehlender Studienplätze (Facharztquote von 92 Prozent) pro Jahr. Im günstigen Fall müssten sich neun von zehn erfolgreichen Absolventen für die medizinische Versorgung und gegen eine Anstellung in Forschung, Industrie, etc. entscheiden. Die Projektion zeigt, dass der vertragsärztliche Versorgungsgrad bis 2035 auf 74 Prozent des heutigen Niveaus absinken könnte – selbst wenn es weiterhin gelingt, die heutige Nettozuwanderung in Höhe von 1.639 Ärzten pro Jahr nach Deutschland aufrechtzuerhalten. Allein eine Steigerung der Zuwanderung um etwa 3.600 Fachärzte pro Jahr würde das medizinische Versorgungsniveau in Deutschland bis 2035 stabilisieren.

„Deutschland ist kurz- und mittelfristig darauf angewiesen, dass der Zuzug von Ärzten und Fachärzten aus dem Ausland erheblich steigt. Nur so kann das gewohnte ambulante Versorgungsniveau gehalten werden. Selbst wenn im Jahr 2020 die Studienplatzkapazitäten im Fach Humanmedizin von derzeit 11.000 Plätzen um 30 bis 50 Prozent erhöht würden, wären die Auswirkungen in der vertragsärztlichen Versorgung erst nach 15 Jahren zu spüren, also 2035. In der Zwischenzeit zeigen sich die Folgen des Studienplatzabbaus in den letzten zwei Jahrzehnten. Der Wettbewerb um ausgebildete Mediziner und Fachärzte wird in den nächsten zehn Jahren extrem zunehmen. Es wird spürbar schwieriger werden, das heutige medizinische Leistungsangebot flächendeckend zu garantieren und zu verhindern, dass strukturschwächere Regionen benachteiligt werden“, sagte Zi-Geschäftsführer Dr. Dominik von Stillfried heute in Berlin.

Der demografische Wandel mit einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung begünstigt einen weiteren Anstieg der Nachfrage nach ärztlicher Versorgung. Ärztliche Leistungen sind zeitgebunden. Die zur Verfügung stehende Arztzeit in der ambulanten Versorgung geht aber kontinuierlich zurück. Der Grund dafür sind veränderte Arbeitsgewohnheiten und zunehmende Verwaltungsaufgaben. So hat sich die Zahl der angestellten Ärzte seit 2007 fast versechsfacht. Waren 2007 nur rund 5.600 Ärzte angestellt, waren es 2017 bereits 31.477. Während wirtschaftlich selbständige, niedergelassene Ärzte im Schnitt 50 Stunden pro Woche arbeiten, führen die Trends zur Anstellung (40-Stunden-Woche) und zur Tätigkeit in Teilzeit zu einer Abnahme der Behandlungsleistung pro Arzt. Es werden daher mehr Ärzte benötigt, um das Versorgungsniveau aufrecht zu erhalten. Die weiter steigende Zahl von Ärzten, die in den nächsten Jahren aus Altersgründen aus der ambulanten Versorgung ausscheiden und einen Nachfolger für ihre Praxen suchen, verschärft die Situation im vertragsärztlichen Sektor weiter.

„Wenn das bisherige Niveau der medizinischen Versorgung in Zukunft auch nur annähernd aufrechterhalten werden soll, ist eine substanzielle Steigerung der Ausbildungskapazität durch die Bundesländer im Fach der Humanmedizin unabdingbar. Um die verfügbare Arztzeit möglichst zur Patientenversorgung zu nutzen und die Attraktivität der Niederlassung weiter zu steigern, sollte die ärztliche Tätigkeit in der stationären und ambulanten Versorgung zudem konsequent von Verwaltungsaufgaben entlastet werden“, forderte von Stillfried.

Zum Hintergrund

Die Zi-Studie „Bedarfsprojektion für Medizinstudienplätze in Deutschland“ bewertet, wie viele Studienplätze im Fach Humanmedizin im Zuge des „Masterplans Medizinstudium 2020“ notwendig wären, um den erwarteten medizinischen Versorgungsbedarf in Zukunft zu decken. Dazu hat das Autorenteam den Versorgungsbedarf und die zukünftige Behandlungsleistung von Ärzten aus verfügbaren Datenreihen abgeleitet. Die Zusammenführung beider Komponenten ermöglicht eine Abschätzung, ob die aktuelle Zielvorgabe für Studienplätze in der Humanmedizin ausreichend ist. Als Datengrundlage dienen unter anderem ein Auszug aus dem Bundesarztregister (Stand: 31. Dezember 2018), die Daten der aktualisierten 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes für den Bund und der relative Beanspruchungsindex rBIX des Zi. Zur weiteren Methodik verweisen wir auf die ausführliche Beschreibung der Datenanalyse in der Langfassung der o. g. Zi-Analyse, die Sie hier finden:

Quelle: Zi

Digitalisierung

BÄK informiert über ausschließliche Fernbehandlung

Berlin – „Nicht einmal ein Jahr nachdem der Deutsche Ärztetag im Jahr 2018 den Weg für die ausschließliche Fernbehandlung geebnet hat, ist die Umsetzung in den Ländern auf einem guten Weg. Mittlerweile haben fast alle Ärztekammern entsprechende berufsrechtliche Neuregelungen eingeleitet. Nun kommt es darauf an, Ärztinnen und Ärzte umfassend über die neuen Möglichkeiten zu informieren.“ Darauf verwies Dr. Josef Mischo, Vorsitzender des Berufsordnungsausschusses der Bundesärztekammer, anlässlich der Veröffentlichung von Hinweisen und Erläuterungen der Bundesärztekammer zur ausschließlichen Fernbehandlung sowie eines Fragen-Antwortenkataloges. Die Informationsmaterialien wurden unter Leitung Mischos von der Arbeitsgruppe „Fernbehandlung“ der Bundesärztekammer erarbeitet und vom Vorstand verabschiedet.

Mischo stellte klar, dass alle beruflichen Rechte und Pflichten von Ärztinnen und Ärzten  auch im Rahmen einer ausschließlichen Fernbehandlung gelten. Ärzte müssten stets prüfen, ob der jeweilige Fall für eine ausschließliche Fernbehandlung in Frage kommt oder nicht. „Sind die von dem Patienten beschriebenen Beschwerden für eine Beratung oder Behandlung ausschließlich über Kommunikationsmedien geeignet?  Ist der Patient  in der Lage, über eine technische Plattform zu kommunizieren? Diese und viele weitere Fragen müssen mit einem klaren ‚Ja‘ beantwortet werden, bevor die Fernbehandlung beginnen kann.“ Darüber hinaus sind rechtliche Aspekte, technische Anforderungen und Fragen der Qualitätssicherung zu beachten.  Die Bundesärztekammer hat diese und viele weitere Punkte gut verständlich in ihren Hinweisen und Erläuterungen ausgearbeitet. Dort findet sich auch eine Checkliste mit vielen weiteren praktischen Informationen.

Mischo ist überzeugt, dass sich die Behandlung aus der Ferne zum Beispiel über Video-Sprechstunden als eine von vielen Formen ärztlicher Patientenversorgung in Deutschland etablieren wird. Die Arbeitsgruppe wird sich deshalb in einem nächsten Schritt mit Fragen der Einbindung der ausschließlichen Fernbehandlung in die Versorgungsstrukturen befassen.

Quelle:BÄK