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Dr. Götte: „Historische Anerkenntnis und solide Basis“

Berg am Starnberger See – Dr. Siegfried Götte (ehem. BVOU-Präsident) spricht über persönliche Ansprüche und Ziele zu seiner Amtszeit:

In 12 Jahren verantwortlicher Stellung des BVO/BVOU als 2. bzw. 1. Vorsitzender respektive Präsident galten für mich folgende persönliche Ansprüche und Ziele in Abstimmung mit dem Geschäftsführenden Vorstand:

Berufsverband aller Orthopäden bzw. Orthopäden und Unfallchirurgen, Leistungsstärke und Professionalität des Verbands, kompetente Fortbildung und zertifizierte Versorgungsqualität, Begegnung auf Augenhöhe mit den wissenschaftlichen Gesellschaften DGOOC, DGU und DGOU, dem Schulterschluss aller Orthopäden, respektive Orthopäden und Unfallchirurgen, gemeinsame Strategien nach dem Motto: gemeinsam stärker, Verteidigung orthopädischer Leistungsinhalte, Unterstützung der Orthopädischen bzw. Orthopädisch-Unfallchirurgischen Praxis in Fragen von Versorgungsqualität und Vergütung.

Bereits in den Jahren 1987-1994 als Bezirksobmann des BVO in München galt mein Interesse der  Fortbildung und berufsrelevanten Informationen der niedergelassenen Kollegen mit monatlichen Veranstaltungen und halbjährlich vorgegebenem Programm sowie aktuellen berufspolitischen Informationen aus der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und der Bayerischen Landesärztekammer.

Das Thema Fortbildung als eine der vordringlichen Aufgaben des BVO unter Dr. Georg Holfelder, hat mich in den Jahren als Schriftführer des BVO-Vorstands in nahezu zwei Vorstandsperioden beschäftigt. Hieraus resultierte meine Vertretung des BVO in der damaligen Programmkommission mit der DGOT/DGOOC sowie den Vertretern der Vereinigungen der Nord- und Süddeutschen Orthopäden zur Abstimmung der jeweils jährlichen Themengewichtungen der Kongresse.

Aus dieser Tätigkeit resultierte die Vision eines dringend notwendigen, engen Schulterschlusses im Sinn einer Corporate Identity und gemeinsamer Stärkung unseres Fachs; also aller Orthopäden in Klinik und Praxis in gegenseitigem Respekt und Wertschätzung sowie ein intensives Zusammenwirken von Berufsverband und Wissenschaftlicher Gesellschaft auf Augenhöhe. Dieses Primat war in den Folgejahren nach dem Ausscheiden von Dr. Friedhelm Heber 1999 nach meinem Verständnis insbesondere auch dem neuen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie unter Berücksichtigung aller daraus resultierenden Versorgungsaspekte geschuldet.

Vor dem Hintergrund dieser Ziele und den damit verbundenen Anforderungen an eine weitere Leistungssteigerung des Verbands ergab sich konsequenterweise die gegenseitige Vertretung in den Vorständen durch den 1. Vorsitzenden ,respektive später des Präsidenten des BVO/BVOU in der wissenschaftlichen Gesellschaft und des Generalsekretärs der DGOOC mit zunächst Prof. Lutz Jani (†) und in seiner Nachfolge

Prof. Fritz Niethard im Berufsverband und der Berücksichtigung dieses Prinzips mit entsprechenden personellen Erweiterungen in den nachfolgend geänderten Strukturen.

Die Anstellung eines Geschäftsführers im BVO 1998 ist als erster Schritt zur stärkeren Professionalisierung zu sehen, wie auch die 2000 nachfolgende Verlegung der Geschäftsstelle nach Berlin, in die Mitte des politischen Geschehens nach dem Umzug der Bundesregierung, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer sowie übriger bedeutungsvoller gesundheitspolitisch aktiver Verbände in die Hauptstadt.

Der Deutsche Orthopäden Kongresses wurde ab 2001 nach Berlin verlegt und wenige Jahre später die Geschäftsstelle der DGOOC, während die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) bereits ihren langjährigen Sitz im Langenbeck-Virchow-Haus in der Luisenstraße 106-108, 10623 Berlin hatte. Unterdessen haben BVOU und DGOU ihre Geschäftsstellen in der Straße des 17. Juni in 10623 Berlin.

Der Wechsel in die Hauptstadt in die Nähe der gesundheitspolitischen Entscheidungsträger  hatte eindeutig zur Folge, das Ansehen und die Leistungsfähigkeit des BVO/BVOU intern und extern gegenüber  den ärztlichen Körperschaften, der Politik, anderen Fachgebieten in der interdisziplinären Herausforderung sowie der Öffentlichkeit zu stärken.

Eine Verbesserung der Kommunikation des Vorstands mit den Verbandsmitgliedern und die Darstellung des Verbands gegenüber orthopädischen Nichtmitgliedern erfolgte bereits auf dem etablierten Deutschen Orthopädenkongress in Wiesbaden als Gemeinschaftskongress von BVO und DGOOC mit eigenem Informationsstand und einer gesetzten berufspolitischen Informationsveranstaltung.

Ab 1999 gelang es dankenswerter Weise beide Einrichtungen auch auf dem Jahreskongress der Vereinigung der Süddeutschen Orthopäden zu etablieren.

Mit dem Ziel einer direkten und verbesserten Kommunikation mit den Leitern der Orthopädischen Kliniken und Abteilungen war der BVO/BVOU seit 2001 auf der Jahrestagung dem Verein der Leitenden Orthopäden, VLO und später VLOU vertreten.

Flankierend hinzu kam die Überarbeitung der Orthopädischen Mitteilungen und Nachrichten als gemeinsames Informationsmedium mit der DGOOC, sowie später mit der DGU, dem der Ausbau weiterer gemeinsamer Strukturen folgte.

Im Zug der Verlegung der Geschäftsstelle nach Berlin wurde der erste Internetauftritt des Verbands, das BVO.net, etabliert. Unter diesem Dach fand auch die Akademie Deutscher Orthopäden (ADO) seit ihrer Gründung 2001 einen festen Platz mit ihrem Veranstaltungsangebot als Antwort auf die durch die Bundesärztekammer eingeführte Zertifizierte Fortbildung und dem Bestreben kontinuierlich aktualisierter Fortbildungsinhalte durch den BVO in Zusammenarbeit mit der DGOOC. Fast zeitgleich mit der Zertifizierten Fortbildung gilt es die vom BVO initiierte Zertifizierung der Orthopädischen bzw.  Orthopädisch-Unfallchirurgischen Praxis nach DIN ISO 2000 mit einem Musterhandbuch zu nennen und als schrittweise Variante das BVO/BVOU-Cert.

Mit der Verlegung der Geschäftsstelle nach Berlin in die Mitte des medizinpolitischen Geschehens und ihrer Leistungssteigerung konnten sowohl die Vorstandsarbeit sowie die Unterstützung der Landes- und Bezirksvorsitzenden intensiviert und die Schlagkraft des Berufsverbands verbunden mit einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit auch die Verbindung zu Patientenverbänden mit den Themen Osteoporose und Rheumatologie sowie der Amputierten-Hilfe u.a.  zusätzlich verbessert und erweitert werden.

Dem Anliegen der verbandsinternen  Kommunikation diente ferner der auf Ende Januar festgelegte Orthopäden-Tag, der Versammlung von Vorstand, Landes- und Bezirks-vorsitzenden zum internen Erfahrungsaustausch unter der Berücksichtigung aktueller berufspolitischer Themen, begleitet von Auftakt-Referaten zu fachrelevanten Fragen mit entsprechenden Gästen. Bereits 1998, noch in der Geschäftsstelle in Neu-Ulm, wurde die Auflage der Patientenzeitschrift Orthinform verwirklicht, mit dem gleichnamigen Auftritt im späteren BVO.net, ebenso der Infobrief, als zeitnahe, kurzzeitige  Information der Mitgliedern des BVO in Ergänzung der Mitteilungen und Nachrichten.

Als nachhaltiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit sind auch die mit der DGOOC und dem BV-Med gemeinsam durchgeführten PR-Kampagnen Anfang der 2000er Jahre sowie die aktive Teilnahme und Unterstützung der Bone and Joint Decade zu werten.

Der Anspruch an die berufspolitische Vertretung aller Orthopäden und Unfallchirurgen bestand und besteht, abgesehen von Fort- und Weiterbildung als ganz besondere Verpflichtung des BVO/BVOU, in  der Unterstützung und Stärkung des Ansehens unserer Berufsgruppe, vordringlich aber auch die Fragen zur  Wirtschaftlichkeit der Orthopädischen bzw. Orthopädisch-Unfallchirurgischen Praxis als kleinste Leistungseinheit unseres Fachs in existentiellerer Eigenverantwortung und in ihrer großen Bedeutung für eine fachspezifisch kompetente wohnortnahe Versorgung muskuloskelettaler Fehlbildungen, Erkrankungen und Verletzungen.

Um diesem Anspruch auch zukünftig unter dem Aspekt der sich ändernden Versorgungslandschaft und der gefühlten Drohung einer Primärärztlichen Versorgung begegnen zu können, erfolgte auf Vorschlag der jüngeren Vorstandsmitglieder 1996 die erste Umfrage des BVO bundesweit unter den Praxen der Verbandsmitglieder zu unterschiedlichen Praxisstrukturen, d.h. Einzel-, Doppel- und Mehrfachpraxen, den Leistungsspektren konservativ und operativ, dem Ambulanten Operieren, der Belegarzttätigkeit, OP-Einrichtungen in der Praxis und extern sowie apparative Ausstattungen, z.B. Röntgen, Sonografie und Osteodensitometrie, wie auch den stark vertretenen Physikalisch-Physiotherapeutischen Abteilungen in den Praxen. Dieser ersten Erhebung folgten weitere versorgungsrelevante Analysen, zum Teil mit vergleichenden Erhebungen aus den Kassenärztlichen Vereinigungen, Ärztekammern und Kassen zur Transparenz der Leistungsstärke und des Spektrums der orthopädisch-en und unfallchirurgischen Versorgung in der Rechtfertigung von Existenz- und Honoraransprüchen unter dem Aspekt einer kompetenz- und qualitätsgestützten Versorgung nach dem Motto: ‚Pay for Performance’.

Mit einer professionellen Geschäftsstelle waren weitere Studien der sich zunehmend ändernden orthopädischen und unfallchirurgischen Versorgungslandschaft auch  unter betriebswirtschaftlichen Aspekten möglich, teilweise auch mit anderen Organfachärztlichen Berufsverbänden zur Frage der wohnortnahen fachärztlichen Versorgung.  Durch derartige Studien gewann das Thema Versorgungsforschung einen besonderen Stellenwert und führte zu einer engen Zusammenarbeit mit dem Deutschen Netzwerk Versorgungsforschung, der Teilnahme an dessen Kongressen  und der Vertretung des BVO/BVOU durch Prof. Karsten Dreinhöfer im Vorstand des Netzwerks.

Mit dem Thema Versorgungsforschung verbindet sich konsequenter Weise die Frage von Versorgungsdefiziten im Sinn von Unter-, Über- und Fehlversorgung  sowie inadäquaten , verbesserungsbedürftigen Kostenstrukturen.

In der logischen Konsequenz resultiert hieraus das fachliche Engagement für eine bessere Versorgung unter Berücksichtigung der Versorgungsschwerpunkte eines Fachs oder seiner Weiterentwicklungen und Qualifikationen insbesondere auch für eine Verbesserung der Honorarsituation.

Im Gegensatz zu unserer Überzeugung schien es Vertretern Kassenärztlicher Vereinigungen und Ansprechpartnern von Krankenkassen bisweilen schwer zu fallen, die Versorgungskompetenz unseres Fachs in seiner Breite und Vielfalt allein durch die Erfassung von Abrechnungsziffern und Diagnosen  bzw. ICD-Ziffern zu erfassen und ein für sie klares Profil der Versorgungsqualität des orthopädisch-unfallchirurgischen Leistungsspektrums zu erkennen.

Dieser Bezug galt insbesondere der Konservativen Orthopädie  als Versorgungsschwerpunkt der Orthopädischen Praxis im Konkurrenzfeld mit der Allgemeinmedizin, der hausärztlichen Inneren Medizin, der Physikalischen und Rehabilitativen Medizin und der Rheumatologie. – Für die allgemeinen Erklärung und das Verständnis der Konservativen Orthopädie wurde im BVO Mitte der 2000er-Jahre eine Arbeitsgruppe für die Erstellung eines Weißbuchs eingesetzt.

Eine besondere Herausforderung in ihrer interdisziplinäre Anerkennung, ähnlich der Konservativen Orthopädie und abgesehen von den Operationen mit rheumatologischer Indikation, galt der Orthopädische Rheumatologie und ihrer im Vergleich mit den Internistischen Rheumatologen nicht zu verkennenden, umfassenden Versorgungsqualität in der Praxis. Diesbezüglich haben sich die Kollegen Dr. Martin Talke (✝) und Dr. Uwe Schwokowski besonders verdient gemacht und die Anliegen des BVO/BVOU sehr unterstützt, während Schwerpunkte wie die Osteologie in Kooperation mit der Orthopädischen Gesellschaft für Osteologie (OGO) und die Schmerztherapie mit der Interdisziplinären Gesellschaft für orthopädische/ unfallchirurgische und allgemeine Schmerztherapie (IGOST) in sehr guter Kooperation vertreten wurden.

Die Interessensvertretung der Belegärzte im Verband wurde von Dr. Peter Heppt verantwortet, das Thema Kernspintomographie im Fach von Dr. Axel Goldmann.

Im Rahmen der Versorgungsforschung und Leitliniengestaltung konnte zum Thema Rückenschmerz nach einer Initiative der Bertelsmann-Stiftung durch Intervention des BVOU die Beteiligung von BVOU, IGOST und der Sektion Physikalische Therapie und Rehabilitation der DGOOC erwirkt werden. In dieser, ursprünglich mit Anästhesisten, Psycho- und Physiotherapeuten sowie Versorgungsforschern besetzten Arbeitsgruppe, wurden die Leitlinie Rückenschmerz und der ‚Gesundheitspfad Rücken’ zur interdisziplinären Orientierung erarbeitet. An der interdisziplinären Entwicklung der Leitlinie Osteoporose des Dachverbands Osteologie (DVO) war der BVOU durch Dr. Hermann Schwarz und Dr. Peter Clarenz vertreten , auf internationaler Ebene in der IFO (International Foundation of Osteoporosis) durch Prof. Karsten Dreinhöfer.

Die ebenfalls traditionelle und für zukünftige Entwicklungen der Gesundheitspolitik auf europäischer Ebene berufspolitische Vertretung in der UEMS erfolgte durch Dr. Günter Abt und Prof. Joachim Grifka.

Eine weitere Vertretung im europäischen Umfeld konnte durch die Mitgliedschaft des BVOU in der EFORT erreicht werden mit eigenen berufspolitischen  Sitzung auf dem jährlichen EFORT-Kongress und Blick auf eventuell zukünftige innereuropäische Harmonisierungen der fachbezogenen Strukturen unter Berücksichtigung  der Versorgungsqualität und des wohnortnahen Versorgungsspektrums durch die Praxis sowie der besonderen Wertigkeit  der Konservativen Orthopädie.

Aus diesem Strauß berufspolitischer Aktivitäten konnte in Ergänzung des Leitbilds für Orthopädie und Unfallchirurgie 2009 ‚Unser Auftrag’ formuliert werden:

Der BVOU setzt die beruflichen Interessen seiner Mitglieder durch, indem er zum Vorteil der Patienten und des Gemeinwohls

  • gemeinsam mit den wissenschaftlichen Gesellschaften den Standard orthopädisch-unfallchirurgischer Versorgung entwickelt,
  • die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen prägt und dadurch
  • die öffentliche Wahrnehmung seiner Mitglieder als Experten für orthopädisch-unfallchirurgische Versorgung gestaltet.

Dem Engagement des BVOU in der Bundesärztekammer, in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und in den Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder sowie in den Landesärztekammern ist es zu verdanken, dass zentrale Fragestellungen von Fort- und Weiterbildung, der kassenärztlichen und privaten Gebührenordnung sowie der Berufsgenossenschaft im Interesse von Orthopäden und Unfallchirurgen Eingang in die Gesundheitspolitik gefunden haben und weiterhin finden werden.

Retrospektiv konnte der BVO/BVOU über seine bestehende historische Anerkenntnis hinaus in den Jahren 1999 – 2009 als solide Basis für viele zukünftige berufspolitischen Aufgaben gerüstet werden. Die historisch höchste Mitgliederzahl dürfte Ausdruck des errungenen Ansehens und seiner Leistungsfähigkeit sein.

Ohne die tatkräftige Unterstützung der BVO und BVOU-Mitglieder wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen.

Allen Unterstützern über die persönlich benannten hinaus, gilt auch hier mein persönlicher, herzlicher Dank!

Dr. Siegfried Götte, Berg am Starnberger See

  • 1989 – 1997: Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des BVO unter Dr. Georg Holfelder.

  • 1999 – 2001: 2. Vorsitzender unter Dr. Friedhelm Heber und nach dessen Rücktritt

  • bis 2001: stellv. 1. Vorsitzender.

  • 2001 bis 2009: 1. Vorsitzender bzw. Präsident des BVO.

  • 2001 – 2009: Vorsitzender der Stiftung Akademie Deutscher Orthopäden (ADO)

Orthopäde in Rom: Jeder kann und muss seinen Beitrag leisten!

Berlin/Rom – Der Orthopäde Dr. Gabriel Buntin stammt ursprünglich aus München. Am Klinikum rechts der Isar hat er seine Facharztausbildung gemacht. In Berlin war er mehrere Jahre in der Niederlassung tätig. Seit 2004 lebt er in Rom und führt in der italienischen Hauptstadt eine orthopädische Praxis mit insgesamt 35 Kolleginnen und Kollegen. Wie hat er den Ausbruch der Pandemie erlebt und was rät er seinen Kolleginnen und Kollegen in Deutschland? Ein Telefonat.

BVOU: Herr Dr. Buntin, auf Ihrem Profil in den sozialen Netzwerken steht geschrieben „Bleiben Sie zu Hause #stayhome, wenn Sie nicht wollen, dass ein Orthopäde und Unfallchirurg Ihre Lungenentzündung behandelt!“ (Abbildung siehe unten). Was hat es damit auf sich?
Dr. Gabriel Buntin: Ich weiß, der Satz ist zynisch. Die Aussage trifft es jedoch auf den Punkt. Der Spruch soll gerade diejenigen wachrütteln, die noch nicht an die Ernsthaftigkeit der momentanen Lage glauben möchten und die derzeitige weltweite Krise herunterspielen.

BVOU: Sie sind in Italien in einer großen Gemeinschaftspraxis tätig: Wie haben Sie den Ausbruch der Corona-Pandemie erlebt?
Dr. Gabriel Buntin: Zugegebenermaßen haben wir hier, wie auch überall in der restlichen Welt, zunächst beobachtet, wie sich die Sache in China entwickelt. Das schien zu Beginn noch relativ weit von uns entfernt. Wir dachten : Klar, das betrifft uns, aber irgendwie auch noch nicht wirklich. Wir haben dann mit einigen Präventivmaßnahmen angefangen und beispielsweise die Patienten über Handdesinfektion und Händewaschen usw. informiert. Das war Ende Januar. Dann verstrich ein Monat. Aus der aktuellen Sicht sage ich heute: Das war ein Monat, den man hätte aktiv nutzen müssen, um sich auf die Verbreitung des Virus in Europa vorzubereiten. Es kamen dann Meldungen, dass in Rom infizierte Chinesen stationär aufgenommen wurden. Selbst das hatte man zunächst lediglich nur zur Kenntnis genommen. Erst gegen Ende Februar kamen die Nachrichten aus Norditalien, dass dort die Fallzahlen explosionsartig in die Höhe schossen. Südtirol, Bergamo, Lordi, Mailand, Venetien… Dann wurde uns bewusst, dass es sich nur um Tage handelt, bis das Virus in Rom angekommen ist.

Heute sage ich: Viel Zeit wurde damals vergeudet. Man hat sich gefragt: Ist die Aufregung nötig? Sind Einschränkungen notwendig? Ab März wurde auch dem Letzten klar: Die Lage ist außer Kontrolle. Wir haben mit Maßnahmen und Einschränkungen begonnen, sind aber bald darauf an unsere Grenzen gestoßen: Volles Wartezimmer und dann Sicherheitsabstände einhalten. Vieles funktioniert nur in der Theorie. Irgendwann hat auch das Personal nicht mehr mitgemacht.

BVOU: Das öffentliche Leben in Italien ist derzeit lahmgelegt: Kann man schon eine Beruhigung der Lage verzeichnen oder verschlimmert sich die Situation?
Dr. Buntin: Vielleicht kann man mittlerweile ganz leicht optimistische Prognosen wagen. Zumindest nehmen die Fallzahlen nicht mehr so exponentiell zu wie zu Beginn vor zwei Wochen. Da lagen wir bei einer täglichen Zunahme von Neuinfektionen von über 28%. Mittlerweile liegen wir immerhin bei ungefähr 12-13%. Die drastischen Maßnahmen seitens der Regierung zeigen also langsam Wirkung und wenn das so bleibt, können wir in der nächsten Woche neue Prognosen wagen. Die Kurve der Neuinfektionen hält sich momentan auf dem selben Standard. Wenn wir es schaffen, diese Kurve weiter abzuflachen, sind wir auf dem richtigen Weg.

BVOU: Während in Italien Ausgangssperren verhängt sind, ist dies in Deutschland bis jetzt nur vereinzelt der Fall. Wie denken Sie darüber?
Dr. Buntin: Zugegebenermaßen habe ich am Anfang die Ausgangssperren ebenfalls kritisch gesehen. In Italien ist eine Ausgangsperre vor erst acht Tagen erfolgt. Daran halten sich die Menschen auch größtenteils., Aber ich denke, der Staat wird in den nächsten Tagen noch einmal die Schraube anziehen und mehr Militärpräsenz auf den Straßen zeigen. Es wird sogar darüber gerade geredet, dass das Militär das Essen verteilt usw. Das macht meiner Meinung nach auch Sinn.

BVOU: Oft werden SARS-CoV-2 und Influenza miteinander verglichen. Wie schätzen Sie den Vergleich ein?
Dr. Buntin: Das ist garantiert nicht so, der Vergleich ist nicht richtig. Ich habe mit Kollegen gesprochen, die im Norden Italiens arbeiten. Dort ist die Lage weiterhin katastrophal: Die Menschen wissen nicht mehr, wohin mit den Patienten. Nur als Beispiel: Vorgestern [18.3.] sind im Norden mehr Menschen an dem Virus gestorben als an einem Tag weltweit zusammen: Nämlich fast 500. Die Bestattungsunternehmen haben nicht mehr genügend Särge zur Verfügung, die Toten werden einfach irgendwie weggetragen, Angehörige gerade einmal telefonisch informiert.

BVOU: Inwieweit unterstützen Sie als Orthopäde andere Kollegen und Ärzte aus anderen Fächern und Bereichen?
Dr. Buntin: In unserer Poliklinik haben wir insgesamt zwölf verschiedene Fachrichtungen. Es gibt Kollegen, die mit mir zusammen in den Praxen Notfälle und Menschen mit Corona-Symptomen untersuchen. Das machen wir aber nur unter bestimmten Voraussetzungen, damit andere Menschen nicht gefährdet werden. Lungenärzte und HNO-Ärzte sind ja besonders nah an solchen Patienten. Trotzdem sind wir extrem vorsichtig und müssen uns vor Augen halten: Arztpraxen sind immer Anlaufstellen für kranke Menschen.

BVOU: In Deutschland erhalten Ärzte bei Schließung der Praxen oder Quarantäne eine Entschädigung für den Dienstausfall – wie ist das in Italien?
Dr. Buntin: Um ehrlich zu sein: Dafür hatten wir in Italien noch keine Zeit uns Gedanken zu machen. Erst jetzt, wo mehrere Leute daheim sind, kommt das Thema langsam auf und wir beschäftigen uns mit der Problematik. Ich persönlich habe einen extrem hohen Kostenaufwand, um meine Praxis aufrechtzuerhalten. Nun gibt es anscheinend einen Gesetzeserlass mit Anspruch auf Dienstausfall-Entschädigung. Für Selbstständige ist so etwas nicht geplant. Aber vielleicht kommt das noch.

BVOU: Was raten Sie Ihren Kollegen hier in Deutschland? Was haben Sie erlebt, dass man hierzulande beachten und übernehmen sollte?
Dr. Buntin: Den Kollegen würde ich raten: Schauen Sie sich mal eine Beschreibung von TED Speaker Tomas Pueyo an. Er beschreibt in seinen Blogbeiträgen, wie aggressiv dieses neue Virus ist und seine Prognosen treffen zu. Er hat das genau erfasst, was am Anfang des Ausbruchs passiert ist, wo wir jetzt stehen, was in beispielsweise 14 Tagen sein wird. Mein Rat an meine deutschen Kollegen: Nehmen Sie dieses Virus verdammt ernst! Spielen Sie es nicht herunter und vergleichen Sie es nicht mit einer Grippe. Denn das ist es nicht.

Die Ausbreitungskurve muss so flach wie möglich gehalten werden. Jeder, wirklich jeder, kann und muss seinen Beitrag leisten. Ich weiß, es ist ein Problem, seinen Alltag sehr einschränken zu müssen und man weiß nicht, wie lange das andauern wird. Aber wir müssen Zeit gewinnen, damit besonders Ältere und Kranke diese Phase durchstehen. Auch bei der Weltgesundheitsorganisation gibt es eine gute Infoseite. Neben Händehygiene und Abstand halten, ist strikte Ausgangssperre die wirksamste Methode. Ich kann es nicht oft genug sagen und falls diese Nachricht meine Kollegen erreicht: Man muss die Sache extrem ernst nehmen. Es geht ums Ganze. Mit jeder Stunde früher, in der wir die Maßnahmen durchsetzen, retten wir Menschenleben: Je eher desto mehr!

Herr Dr. Buntin, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Janosch Kuno, BVOU Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Dr. Gabriel Buntin rät den Menschen zuhause zu bleiben. © privat



Hygiene, Praxis

Hygiene-Schulungsangebote beim BVOU

Berlin – Ein gutes Hygienemanagement hilft Ärztinnen und Ärzten in Ihren Bemühungen, die Übertragung von Krankheitserregern zu vermeiden. Der BVOU bietet zu diesem Thema Fortbildungsangebote für seine Mitglieder zu vergünstigten Konditionen an.

Das Fortbildungsangebot umfasst Hygieneschulungen für die gesamte Belegschaft. Angefangen von den jährlich durchzuführenden Hygieneschulungen für Ärzte, MFA, Pflege und Hilfskräfte. Diese sind als E Learning-Kurse ausgelegt und auf beliebig vielen stationären und mobilen Endgeräten einsetzbar. Jeder Teilnehmer kann seinen Kurs auch nach erfolgreichem Abschluss als Referenz für die Kitteltasche weiternutzen.

Die Grundkurse werden seit Anfang 2019 ergänzt da Microlearning-Einheiten, die speziell auf saisonale Herausforderungen wie Influenza und Noroviren eingehen. Diese kompakten E-Learning-Einheiten machen die gesamte Belegschaft innerhalb von zehn Minuten fit für aktuelle Bedrohungen. Das Angebot reicht bis zu den curricularen Fortbildungen zu Hygienebeauftragter Ärzten (HBA), Pflegekräften (HBP) und Medizinischen Fachassistenten (HB MFA). Diese werden als Blended-Learning angeboten und zeichnen sich durch eine optimierte E-Learning-Phase sowie eine verkürzte Präsenzphase zum Abschluss des Kurses aus. Alle Kursangebote zu Hygienebeauftragten schließen mit anerkannten Zertifikaten ab. Teamschulungen sollten ebenso wie die Teilnahme an den digitalen Lerneinheiten dokumentiert und im QM-Handbuch abgelegt werden. Spezielle Dokumentationsbögen werden im Rahmen von Teamlizenzen mitgeliefert.

Der BVOU bietet Kurse zu den folgenden Themen an:


Für das ganze Praxisteam:


Für Ärzte:


Für Medizinische Fachangestellte (MFA):


Karrieren im Spitzensport und in der Orthopädie

Wertheim – Eine Karriere im Spitzensport und als Arzt miteinander zu vereinbaren, stellt Anforderungen an diejenigen, die beides erfolgreich schaffen wollen. Ein besonderes Interesse am Bewegungsapparat darf dem Sportler dabei per se unterstellt werden. So wundert es nicht, dass sich gerade bei sportlich erfolgreichen Medizinern ein hoher Anteil im Fachgebiet von O und U wiederfindet. Wir haben uns auf die Suche gemacht und wollten mit orthopädischen Fachkollegen sprechen, die nicht nur im Beruf Orthopäde, sondern auch im Sport Spitzenleistungen vollbracht haben. Davon gibt es eine ganze Reihe, man denke beispielsweise an Schwimmer Roland Matthes, Turner Hans-Peter Boschert oder Zehnkämpfer Siegfried Wentz.

Der Grandseigneur in diesem Kreis ist Prof. Dr. Thomas Wessinghage (Abb. 1). Der 1952 im westfälischen Hagen geborene Mittel- und Langstreckenläufer wurde in den Jahren 1972–1984 viermal für die deutsche Olympiamannschaft nominiert, erzielte mehrfach Europameisterschafts-, Weltcup und Europacupsiege und erlief sich insgesamt 22 Mal den Titel Deutscher Meister. Auch heute noch hält er aktuell gültige deutsche Rekorde auf 1500 m und 2000 m. Als Facharzt für Orthopädie ist er nach Tätigkeiten in Norderstedt, Mettlach- Orscholz und Damp seit 2008 in den Medical Park Kliniken im Tegernseer Tal tätig. Aus dem Süden kommt Dr. Wolfgang Birkner, Jahrgang 1960 (Abb. 2). Nach Kliniktätigkeit in Ulm und Rheinfelden ist er seit 2013 leitender Arzt der Orthopädischen Klinik Stuttgart-Botnang. Als Ruderer im Leichtgewicht wurde er in den Jahren 1983 bis 1990 zehnmal Deutscher Meister und 1984–1987 dreimal Vizeweltmeister. Derselben Sportart hat sich auch der 1976 geborene und in Wertheim am Main aufgewachsene Dr. Sebastian Thormann (Abb. 3) verschrieben. Er kann stolz sein auf 15 Deutsche und einen Schweizer Meistertitel, den Junioren Weltmeistertitel 1993, mehrere Vizeweltmeistertitel und Siege bei Nations-, World- und Canal-Cup. Nach Kliniktätigkeit in Cambridge, Luzern und Emmentall ist er heute in einer Praxis mit Belegarzttätigkeit im Medicum Wesemlin in Luzern tätig. Unvergesslich ist auch die Mannschafts-Goldmedaille und die Silbermedaille im Einzel der Tauberbischofsheimer Fechterin Dr. Sabine Bau (Abb. 4) bei den Olympischen Spielen in Seoul 1988. Insgesamt 23 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften im Damenflorett hat sie erkämpft, bevor sie nach Facharztausbildung in Creglingen, Würzburg und Bad Mergentheim zur Orthopädin wurde und derzeit als Oberärztin am dortigen Caritas-Krankenhaus tätig ist.

Wie sind Sie zu Ihrer Sportart gekommen?
Prof. Dr. Thomas Wessinghage: Das war eher eine zufällige Initialzündung durch die Bundesjugendspiele 1966 und die dabei erfolgreiche Teilnahme am 1000 m-Lauf.

Dr. Wolfgang Birkner: In der Schule suchte unser Sportlehrer für „Jugend trainiert für Olympia”. Die Aussicht an der Teilnahme mit Bundesfinale in Berlin, damals noch geteilt, war attraktiv. Dafür war ich bereit, sechsmal in der Woche zu trainieren. Der Ruderclub wurde zum Lebensmittelpunkt.

Dr. Sebastian Thormann: Ich habe schon sehr früh viel Sport getrieben, anfänglich sehr viele unterschiedliche Sportarten, bis ich dann zum Rudern gekommen bin. Mein Vater war Mitglied im Ruderverein und da bin ich mal mitgegangen. Die sportliche Betätigung im Freien und auf dem Wasser bei Wind und Wetter, verbunden mit der Eleganz eines Ruderbootes.

Dr. Sabine Bau: Bei mir war das Zufall, bzw. kam durch meine Mutter, auch ebenfalls Ärztin. Ihr Kollege war Fechter. Sie schlug vor, dass meine Schwester und ich das mal probieren sollten. Mich hat der Facettenreichtum der Sportart gefesselt.

Weshalb sind Sie Orthopäde/in geworden?
Prof. Wessinghage:
Eigentlich war ich im Herzen Unfallchirurg. Aufgrund der größeren Variationsbreite im Tätigkeitsfeld des Orthopäden im Vergleich zum Unfallchirurgen, habe ich die Orthopädie als Fachbereich vorgezogen, damals war das noch getrennt.

Dr. Birkner: Nach dem Studium wollte ich immer irgendetwas mit „Sport“ studieren. Ich entschied mich zunächst für das Lehramt Sport/Physik. Sport war super, Physik nicht. Deshalb wechselte ich dann auf Medizin. Nach dem Ende meines Studiums war es schwierig, überhaupt eine Stelle zu bekommen. Deshalb zunächst Unfallchirurgie in Ulm und danach Wechsel zur Orthopädie in Rheinfelden.

Dr. Thormann: Es war schon sehr lange mein Ziel. Eigentlich schon vor dem Studium. Ich wollte etwas mit dem Schwerpunkt Bewegungsapparat machen, verbunden mit dem Sport. Orthopädie, verbunden mit Manueller Medizin, Osteopathie, Chiropraktik, waren meine initialen Vorstellungen. Heute ist es eher die klassische Orthopädie inklusive der Operationen am Bewegungsapparat und die Traumatologie.

Dr. Bau: Der Wunsch, diesen Facharzt zu machen, wurde durch den Sport schon sehr früh geweckt. Im Laufe der klinischen Semester kam für mich keine andere Fachrichtung mehr in Frage. Ich wollte schon immer konservative Orthopädin werden.

Wie haben Sie es geschafft, sportliche Karriere und Studium bzw. ärztliche Tätigkeit miteinander zu vereinbaren? 
Prof. Wessinghage: Fleiß, Organisation und Unterstützung durch Vorgesetzte. Dank an meine Chefs Dr. Axel Thiel im Krankenhaus für Sportverletzte Hellersen und Prof. Dr. Gerd Biehl, St. Franziskus Krankenhaus Köln. Und letztlich natürlich die Freude an der Bewegung.

Dr. Birkner: Während des Studiums in Tübingen wohnte ich noch bei meinen Eltern!! Super, Kühlschrank immer voll, Wäsche wurde gewaschen. Da kann ich mich bei meinen Eltern nur ganz herzlich dafür bedanken!!

Dr. Thormann: Ich war sehr zielorientiert und fokussiert. Neben Studium und Sport gab es kaum etwas anderes. Sicherlich habe ich etwas länger fürs Studium gebraucht, da ich einige Ausfallzeiten hatte. So musste ich das Physikum wegen der Teilnahme an der Weltmeisterschaft verschieben. Danach war es immer ein Spagat zwischen Sport und Studium. In den Olympiajahren mussten wir aufgrund der vielen Trainingslager und Abwesenheiten Urlaubssemester nehmen.

Dr. Bau: Gutes Zeitmanagement, ein Verein, der darauf ausgerichtet war, es den Sportlern zu ermöglichen, ein Studium oder einen Beruf auszuüben und ein Trainer, der sich sehr auf meine Bedürfnisse eingestellt hat.

Was empfanden Sie in Ihrer Zeit als aktive/r Sportler/in in der eigenen sportorthopädischen Betreuung am wichtigsten? Was raten Sie Kolleginnen und Kollegen, die sich in diesem Bereich neu engagieren möchten?
Prof. Wessinghage:
Meine sportorthopädische Betreuung als Athlet fiel mangels Bedarfs sehr gering aus: Keine Massagen, keine Physiotherapie; gelegentliche Blessuren stammten aus Unfällen, z. B. beim Fußball oder Basketball. Mein Rat: „man kann alles übertreiben“ oder auch „Konzentration auf das Wesentliche“!

Dr. Birkner: Ich hatte kaum orthopädische Probleme. Die sportmedizinische Diagnostik war wichtig und als Trainings- Steuerung hervorragend geeignet, damals bei Prof. Jeschke in Tübingen. Da habe ich dann auch meine Promotionsarbeit gemacht.

Dr. Thormann: Das gegenseitige Vertrauen und dass man „seine“ Sportler kennt. Eine gewisse Nähe zu dem Sportler macht die Arbeit leichter und effizienter. Außerdem ist es von Vorteil, wenn die Sportler wissen, dass man den Sport selber gemacht hat und weiß wovon sie reden. Rat? Das muss jeder für sich selber selbst herausfinden. Prinzipiell aber Begeisterung für den Sport, denn der Aufwand ist enorm. Eine Vergütung gibt es meist kaum bis gar nicht. Der Dank der Sportlerinnen und Sportler ist aber meist Lohn genug.

Dr. Bau: Für mich waren Vertrauen und Ehrlichkeit von großer Bedeutung. Schon damals war es mir wichtig, auf meine Ressourcen zu achten und meine Gesundheit möglichst wenig zu gefährden. Die Betreuung von Spitzensportlern erfordert sehr viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl.

Gab es während Ihrer sportlichen Karriere einmal bedeutende, eigene sportorthopädische Probleme, Verletzungen, Operationen? Wie und von wem wurden sie gelöst?
Prof. Wessinghage:
Besagte Unfälle ereigneten sich nicht beim Lauftraining. Ausnahme: eine Fissur des Os naviculare, die auf einen Sturz in einem zahlenmäßig überbesetzten Rennen 1984 zurückzuführen war und mich die Olympiateilnahme 1984 kostete. Ich hatte hervorragende, aber selten benötigte Betreuung durch Dr. Axel Thiel, Hellersen und Dr. Bernhard Segesser, Basel.

Dr. Birkner: In der Übergangszeit Junior zu Aktiv, während der Bundeswehrzeit, verletzte ich mich am Handgelenk (Naviculare- Fraktur). Ich sollte schon im Bundeswehr-Krankenhau Wildbad operiert werden… Dann doch konservativ, drei Monate Gips. Damit kann man auch gut trainieren… Ich hatte Glück, dass dies auch ohne OP gut ausgeheilt war.

Dr. Thormann: Prinzipiell hatte ich Glück in meiner Karriere. Neben den üblichen Verschleißproblemen und kleineren Verletzungen, habe ich erst am Ende meiner Karriere wegen einer schlimmeren Verletzung schlussendlich meine Karriere beendet. Ein unverschuldeter Fahrradunfall mit einer langwierigen Rückenverletzung, hat letztendlich meine Karriere beendet. Es war eine schwierige Zeit, eigentlich hatte ich noch vieles im Sport vor, aber die Gesundheit hat es dann nicht mehr erlaubt. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich mich mit dem Karriereende schwer getan habe, da es nicht wirklich freiwillig war und ich nicht darauf vorbereitet war. Außerdem brach für mich eine Welt zusammen und der geregelte Tagesablauf sowie die Kameradschaft unter den Sportlern war weg. Eine schwierige Zeit.

Dr. Bau: Es gab ständig irgendwelche Probleme – Gott sei Dank vor allem kleinere Wehwehchen, die die Physios in den Griff bekamen. Doch blieben Verletzungen nicht aus. Es gibt viele Namen, die ich hier aufzählen könnte – die Liste würde auf jeden Fall zu lang. Jeder Betreuer von Großereignissen hat seinen wichtigen Beitrag geleistet. Diesen und allen anderen Kollegen, die sich für die Sportler engagieren, möchte ich hier DANKE sagen.

Haben Sie sich selbst in der orthopädischen Betreuung von Sportlern weiter engagiert, wenn ja wie?
Prof. Wessinghage:
Ich war für einige Jahre Verbandsarzt des Deutschen Leichtathletik Verbandes. Die Bemühungen um meine nicht ganz so sportlichen Patienten standen für mich aber immer – auch zeitlich – im Vordergrund, von denen viele auch sehr sportlich sind – aber eben keine Hochleistungssportler.

Dr. Birkner: Lediglich lokal im Verein, RC Rheinfelden.

Dr. Thormann: Ich habe schon während meines Studiums häufig die Betreuung in den Trainingslagern oder im Stützpunkt mit übernommen und in der Zeit sehr eng mit den ärztlichen Kollegen zusammen gearbeitet. Nach meinem eigenen sportlichen Karriereende bin ich ins Ausland gegangen. Natürlich lag der Fokus in der Zeit auf der eigenen Ausbildung. Da ich zu diesem Zeitpunkt im Vorstand der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) ehrenamtlich gearbeitet habe, war meine Zeit begrenzt, mich auch noch in einem Sportverband zu betätigen. Außerdem wollte ich nicht in einen Konflikt mit der Arbeit bei der NADA geraten. In der klinischen Tätigkeit war ich meist der Ansprechpartner im kollegialen Umfeld und hatte entsprechende Schwerpunkte in meiner Sprechstundentätigkeit. Inzwischen bin ich soweit aufgestellt, dass ich eine Vielzahl an Sportlern in meiner Praxis sehe und über entsprechende Kooperationen auch direkter Ansprechpartner von Trainern und Vereinen bin.

Dr. Bau: Ich habe eine gewisse Zeit die Physiotherapie im ehemaligen Olympiastützpunkt als ärztliche Leitung unterstützt und bin Mitglied der Medizinischen Kommission des Deutschen Fechterbundes.

Welchen anderen Teilbereich der Orthopädie außerhalb der Sportorthopädie mögen Sie am liebsten und warum?
Prof. Wessinghage:
Wie bereits erwähnt, empfinde ich die Unfallchirurgie als besonders befriedigend für den handelnden Arzt. Auch hat mir die manuelle Tätigkeit immer die größte Freude bereitet. Heute würde ich meine Aufgabe als die eines „Controllers“ und „Coaches“ bezeichnen. Die meisten Patientengespräche drehen sich um die Notwendigkeit, Patienten die Wichtigkeit der Eigeninitiative für die eigene Gesundheit zu erläutern.

Dr. Birkner: Mein Lehrer Prof. Henche hat in den 70er Jahren die Arthroskopie in Deutschland publik gemacht. Ich habe von ihm den traditionellen Arthroskopiekurs in Arosa übernommen, wo jedes Jahr ca. 100 Ärzte die Arthroskopie erlernen und in Kursen vertiefen.

Dr. Thormann: Natürlich ist der konservative Bereich, in den ich die Prävention explizit mit integriere, ein wichtiger Teil meiner Tätigkeit. Inzwischen ist der Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit und des Wohlbefindens ein großer Teil meiner Tätigkeit gewidmet.

Dr. Bau: Mich fasziniert die konservative Orthopädie. Ich glaube, dass das Potential der konservativen Therapie nicht immer ausgeschöpft wird.

Wie beurteilen Sie die Zukunft für unser Fach? Wo sehen Sie die Herausforderungen? Können Sie jungen Menschen heute noch den Rat geben, Arzt bzw. Orthopäde zu werden?
Prof. Wessinghage: Unser Fach wird in Zukunft nicht an Bedeutung verlieren. Die Schwerpunkte sind operativ heute zwar in Richtung Endoprothetik verschoben, aber das Fach weist eine enorme Bandbreite auf – von ganz jungen zu hochbetagten Patienten, angeborene und erworbene Krankheitsbilder betreffend, konservative und operative Therapieansätze bietend. Und ein wichtiger Aspekt aus meinem Blickwinkel: In der Orthopädie und Unfallchirurgie haben wir nach Abschluss einer Behandlung eine hohe Zahl geheilter oder doch zumindest sehr zufriedener Patienten.

Dr. Birkner: Es wird schwierig, das gesamte Gebiet der Orthopädie, mit neuem Facharzt inklusive Unfallchirurgie, zu überblicken. Ich finde es irgendwie schade, dass viele Ärzte sich auf ein kleines Gebiet hoch spezialisieren. Der „Gesamt-Patient“ rückt damit etwas in den Hintergrund. Eine breite „orthopädische Grundausbildung“ halte ich für absolut erforderlich. Das Berufsziel „Orthopäde“ kann ich auch heute noch empfehlen!!

Dr. Thormann: Die Zukunft liegt in der Stärkung unseres Faches. In der Kommunikation darüber, was wir alles Gutes tun können und auch machen. Und dass wir es hoffentlich schaffen, uns gegen die ganzen politischen Entwicklungen besser zu positionieren, diese mitgestalten und dass wir wieder mehr Zeit für unsere Patienten haben. Unser Augenmerk sollte auf dem Patienten liegen und der Qualität unserer Versorgung. Ich erlebe es tagtäglich in der Praxis, dass man durch ein gut geführtes Gespräch mit Erklärungen und Aufklärung der Patienten häufig viel erreichen kann und zufriedene Patienten hat. Medizin ist kein Geschäft, die ewige Diskussion um die Wirtschaftlichkeit ist zwar wichtig, beschädigt aber unseren schönen Beruf. Ja klar, ich freue mich immer wieder über Studenten und Assistenten, die in unserer Praxis hospitieren und die man für unsere schöne Tätigkeit begeistern kann. Ich hoffe, dass wir das Boot wieder etwas in die richtige Richtung gesteuert bekommen, und miteinander als Team können wir wesentlich mehr erreichen, als wenn wir als Einzelkämpfer auftreten und nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind. Eine Begeisterung für den Bewegungsapparat sollte man auf jeden Fall mitbringen, alles andere wird sich dann schon ergeben!

Dr. Bau: Die Menschen werden immer Ärzte brauchen – also kann ich auf jeden Fall jungen Menschen den Rat geben, Arzt und besonders Orthopäde zu werden. Unser Fach ist für mich noch immer eines mit Fingerfertigkeit, Fingerspitzengefühl, mit Patienten unterschiedlichen Alters und viel Menschenkenntnis. Wir finden hier viele Ansichten wieder, die wir auch in der Berufspolitik immer wieder diskutieren.

Wir danken Ihnen für das interessante Interview mit den Einblicken in Ihr Leben als Arzt und Sportler und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute!

Das Interview führte Dr. Karsten Braun, BVOU-Bezirksvorsitzender Heilbronn-Franken

Praxisleitfaden Demenz – Wie Krankenhäuser mit der Herausforderung umgehen

Stuttgart – Täglich werden rund 50.000 Patienten, die an Demenz oder einer verwandten kognitiven Einschränkung leiden, in deutschen Krankenhäusern stationär behandelt. Bei der Versorgung ihres Knochenbruchs oder Infekts bleibt die Demenz meist unerkannt oder wird unterschätzt – mit erheblichen Folgen für die Betroffenen und das ohnehin überlastete Krankenhauspersonal. Die Robert Bosch Stiftung GmbH hat jetzt einen umfangreichen Praxisleitfaden veröffentlicht, der Krankenhäusern dabei helfen soll, demenzsensible Strukturen aufzubauen und geeignete Prozesse einzuführen. Er entstand unter der Federführung von Sabine Kirchen-Peters vom Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V. in Saarbrücken und bündelt die Erfahrungen aus dem 2012 gestarteten Programm „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“ der Robert Bosch Stiftung.

Demenzsensible Krankenhäuser bundesweit zum Standard machen

„Die große Mehrheit der Krankenhäuser in Deutschland ist trotz inzwischen 1,7 Millionen Demenzerkrankter noch immer nicht auf die Bedürfnisse dieser Patienten eingestellt. Darunter leiden die Betroffenen,“ sagt Bernadette Klapper, Leiterin des Bereichs Gesundheit in der Robert Bosch Stiftung. „Wir müssen dafür sorgen, dass demenzsensible Krankenhäuser bundesweit Standard werden. Der Praxisleitfaden gibt auf Basis unserer Förderarbeit konkrete Handlungsempfehlungen dafür und setzt zusammen mit der Nationalen Demenzstrategie, die 2020 verabschiedet werden soll, hoffentlich entscheidende Impulse.“

Praktische Empfehlungen für ein demenzsensibles Krankenhaus

Neben Beispielen guter Praxis und Hinweisen auf mögliche Stolpersteine bietet der Leitfaden einen Überblick über den aktuellen Wissensstand zu Demenz und beschreibt anwendungsorientiert zehn in der Praxis erprobte Bausteine auf dem Weg zu einem demenzsensiblen Krankenhaus: Dazu gehört u.a. der Wissensaufbau zu Demenz und Delir beim pflegerischen, therapeutischen und medizinischen Personal eines Krankenhauses. Darüber hinaus sollten alle Mitarbeiter, vom Pförtner bis zur Verwaltung, die Empfehlungen für den Umgang mit dieser besonders verletzlichen Patientengruppe kennen. Feste Bezugspersonen, Begleitung und Tagestrukturierung erleichtern den Patienten die Orientierung im Krankenhaus.

Klare Steuerung und klare Architektur

Jedes Krankenhaus sollte einen Demenzbeauftragten benennen, der über die nötige Expertise verfügt und als interner Multiplikator und Projektkoordinator fungiert. Darüber hinaus haben sich Demenzkoordinatoren auf den Stationen bewährt. Bei allen Neu- und Umbaumaßnahmen in Krankenhäusern sollte auf eine demenzsensible Gestaltung – beispielsweise durch farbliche Orientierungshilfen im Gebäude – geachtet werden. Damit die nötigen personellen und finanziellen Ressourcen für eine demenzsensible Ausrichtung zur Verfügung stehen, bedarf es der Initiative und Unterstützung durch die Klinikleitung.

Auch die Ergebnisse der von der Robert Bosch Stiftung geförderten General Hospital Study wurden jetzt erstmals vollumfänglich veröffentlicht. Sie belegen nicht nur, dass vierzig Prozent der über 65-jährigen Patienten in Allgemeinkrankenhäusern an kognitiven Störungen und fast zwanzig Prozent an Demenz leiden, sondern auch, dass diese Gruppen besondere Anforderungen an das pflegerische und medizinische Personal stellen.

Quelle: Robert Bosch Stiftung

ADO-Kursangebote auf dem DKOU 2019

Berlin – Zum diesjährigen Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie gibt es wieder zahlreiche Fort- und Weiterbildungsangebote unserer Akademie und Partner mit BVOU-Mitglieds-Preisvorteil.

Hier finden Sie einen Überblick:

K-Logic-Taping-Crashkurs22.10.201908:15 – 12:45 Uhr
Manuelle Medizin Refresher23.10.201909:00 – 12:00 Uhr
Spezialkurs Digitale Volumentomografie DVT TEIL 1 23.10.2019 15:00 – 16:30 Uhr
Spezialkurs Digitale Volumentomografie DVT TEIL 2 23.10.2019 17:00 – 18:30 Uhr
DIGEST-Fachkundekurs Modul 324.10.201908:00 – 18:00 Uhr
Rheuma Refresherkurs DKOU 24.10.201909:30 – 12:30 Uhr
Refresher: Sonografie Säuglingshüfte24.10.201914:30 – 17:30 Uhr
DIGEST-Fachkundekurs Modul 425.10.201908:00 – 18:00 Uhr
Update Fachkunde Strahlenschutz25.10.201909:00 – 17:00 Uhr
Orthopädische Rheumatologie Zertifizierungskurs II25.10.201909:00 – 16:15 Uhr
Orthopädische Rheumatologie Zertifizierungskurs III
26.10.201909:00 – 16:15 Uhr

Hinweis:
Für den Zugang zum Kongressgelände ist eine gültige Einlass- oder Kongresskarte nötig, die Registrierung erfolgt im Vorfeld über  https://dkou.org/registrierung/oder im Kongressbüro vor Ort. Frühbucherrabatt gilt bist 15.08.2019.

DKOU 2019: Wie stellen wir in O und U das Patientenwohl sicher?

Berlin – Orthopädie und Unfallchirurgie befinden sich im raschen Wandel: Durch Digitalisierung, Datenschutz und rasanten wissenschaftlichen Fortschritt weiten sich Arbeitsfeld und Anforderungen in Klinik und Praxis nahezu täglich aus. Gleichzeitig haben Ärztinnen und Ärzte mit zunehmendem ökonomischen Druck, politischer Fehlsteuerung und teils eklatantem Personalmangel zu kämpfen. Um in diesem Spannungsfeld nicht nur als Erfüllungsgehilfen in der „Wertschöpfungskette Medizin“ zu agieren, sondern eine verantwortungsvolle Patientenversorgung auch zukünftig sicherstellen zu können, ist mehr denn je eine solide Balance zwischen Wissen und Werten gefragt. Unter dem Motto „Wissen braucht Werte“ diskutieren Expertinnen und Experten auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) aktuelle gesundheitspolitische und medizinische Fragen. Auf der Agenda stehen auch die neuen Risiken von E-Scooter, E-Bike und Co., die Reform der Notfallversorgung, das Implantatregister Deutschland, Digitalisierung und Anforderungen an eine sektorenübergreifende Patientenversorgung. Ebenso Thema sind neue Probleme bei der Patientenversorgung und der Erforschung von schweren Verletzungen (TraumaRegister DGU®) durch den Datenschutz. Der DKOU findet vom 22. bis 25. Oktober 2019 in Berlin statt.

Kongresspräsidenten des DKOU 2019 und Gastgeber auf dem Messegelände Süd in Berlin sind Professor Dr. med. Paul Grützner aus Ludwigshafen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) sowie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Dr. med. Thomas Möller, Kongresspräsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) aus Speyer, und Professor Dr. med. Carsten Perka aus Berlin, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädischer Chirurgie (DGOOC) und stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Der DKOU ist der größte Kongress Europas in diesem Fachbereich. Vertreter aus 60 Nationen kommen jährlich in Berlin zusammen, um sich über aktuelle Entwicklungen und neueste Erkenntnisse in Orthopädie und Unfallchirurgie zu informieren. Die etwa 11 000 erwarteten Kongressteilnehmer können sich in rund 1 800 Präsentationen über die neuesten Erkenntnisse zu Erkrankungen und Verletzungen des Bewegungs- und Halteapparates informieren. „Wir möchten diese große Plattform intensiv dazu nutzen, um durch Systemänderungen resultierende Schwachstellen in unseren Fächern zu identifizieren und zu diskutieren, wie wir eine qualitativ hochwertige medizinische Betreuung auch in Zukunft gewährleisten können“, erklärt Möller. „Hierzu holen wir auch die Expertise unserer Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland, insbesondere in diesem Jahr aus den Gastländern Italien und Kanada.“

Neben politischen und ökonomischen Entscheidungen ist die Digitalisierung ein möglicher Lösungsansatz, um wieder mehr Zeit für Patienten zur Verfügung zu haben und die Versorgung weiter zu optimieren. Auf dem Kongress stellen Experten unter anderem vor, wie eine digitale Dokumentation und Organisationsunterstützung die Abläufe im Klinik- und Praxisalltag optimieren kann – etwa durch Apps, Telemedizin, virtuelle Weiterbildung sowie eine sektorenübergreifend vernetzte digitale Patientenakte. „Mittlerweile gibt es etliche digitale Lösungen, die die Arbeit von Ärzten erleichtern und beschleunigen können“, so Perka. „In Ländern wie Schweden werden sie bereits seit Jahren selbstverständlich angewendet. Doch Deutschland hängt hier weit zurück. Hierzulande müssen wir noch etliche bürokratische und juristische Hürden überwinden, um von den neuen Möglichkeiten profitieren zu können.“ In diesem Zusammenhang diskutieren Orthopäden und Unfallchirurgen auch die Auswirkungen von neuen Datenschutzregularien auf die Fortführung des nun 25 Jahre bestehenden TraumaRegisters DGU®) und die ab 2021 geplante Implementierung des Implantatregisters Deutschland (IRG).

Ein weiterer Themenschwerpunkt ist die Elektromobilität: „Wir sehen und schätzen natürlich die Chancen dieser neuen Fortbewegungsmöglichkeiten“, erklärt Grützner. „Doch sie bergen auch neue Gefahren.“ So würden nahezu täglich schwere Unfälle mit E-Scootern und E-Bikes registriert. Ärzte berichten auf dem Kongress über neue Verletzungsmuster. Gleichzeitig diskutieren sie Möglichkeiten der Unfallprävention – von einer proaktiven Mitarbeit bei der Planung der Verkehrsführung bis hin zu individuellen Schutzmaßnahmen. So wird auf dem Kongress beispielsweise ein neuartiger Airbag-Helm aus Schweden präsentiert. „Auf Grundlage neuer Helmtests diskutieren wir dann auch die Frage, wie wir künftig Schädel und Halswirbelsäule schützen werden“, so Grützner.

Darüber hinaus informieren Experten über aktuelle Erkenntnisse in der Diagnostik und bei bildgebenden Verfahren, Arthrose, Erkrankungen und Verletzungen der Wirbelsäule, Schmerz, Endoprothetik, Gelenkverletzungen, Komplikationen und Komorbiditäten, Alterstraumatologie und -orthopädie sowie Traumamanagement. „Es ist uns ein Anliegen, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen mit ihren jeweiligen Arbeitsgebieten in den Angeboten wiederfinden“, so Möller zur Programmgestaltung des DKOU 2019.

Der DKOU 2019 findet vom 22. bis 25. Oktober 2019 auf dem Messegelände Süd in Berlin statt. Die Anmeldung ist im Internet unter http://dkou.org/eintrittsgebuehren/ möglich.

Kongresspräsidenten DKOU 2019:

Professor Dr. med. Paul Grützner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) sowie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Ärztlicher Direktor der BG Klinik Ludwigshafen und Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie

Dr. med. Thomas Möller, Kongresspräsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), niedergelassener Orthopäde und Unfallchirurg am Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie in Speyer

Professor Dr. med. Carsten Perka, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädischer Chirurgie (DGOOC), Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité Berlin

Kongress-Schwerpunktthemen:

Diagnostik und bildgebende Verfahren, Wirbelsäule und Schmerz, Arthrose, Integrierte Versorgung und Innovationen, Endoprothetik, Gelenkverletzungen, Alterstraumatologie, -orthopädie, Traumamanagement, Komplikationen und Komorbiditäten

Quelle: Pressestelle DKOU

Telematikinfrastruktur

TI-Konnektorpauschale wird in diesem Jahr nicht mehr abgesenkt

Berlin – Damit erhalten Ärzte und Psychotherapeuten weiterhin 1.547 Euro für den Konnektor erstattet. Erst ab 1. Januar 2020 erfolgt eine Absenkung auf 1.014 Euro. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) konnte ferner erreichen, dass der Erstattungsbetrag für stationäre Kartenterminals ab 1. Oktober 2019 angehoben wird. Die Krankenkassen zahlen zukünftig 535 Euro für ein Gerät, 100 Euro mehr als bisher.

Kriedel: Damit haben Praxen die nötige Sicherheit

„Damit haben alle Praxen, die die nötige Technik bestellt haben, die Sicherheit, dass sie die bisher gültigen Pauschalen erhalten“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel. Er gehe zudem davon aus, dass bis Jahresende alle Praxen an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen sind.

Schiedsamt abgewendet

In den Verhandlungen zur TI-Finanzierungsvereinbarung hatte der GKV-Spitzenverband eine Absenkung der Erstausstattungspauschale rückwirkend zum 1. Juli verlangt und zur Durchsetzung seiner Forderung das Schiedsamt angerufen. „Dies konnten wir verhindern“, betonte Kriedel und fügte hinzu: „Wir sind froh, dass doch noch eine Einigung möglich war.“

Das Schiedsamt sollte ursprünglich am morgigen Freitag tagen, um eine Lösung herbeizuführen. Die Vertragspartner werden ihre Anträge nun zurückziehen und die Finanzierungsvereinbarung zur TI auf Basis der vereinbarten Eckpunkte anpassen.

Mit dem jetzt gefassten Beschluss beträgt die Erstausstattungspauschale, die die notwendigen Kosten für einen Konnektor und ein Kartenterminal decken soll, bis zum Jahresende weiterhin 1.982 Euro, ab 1. Januar 1.549 Euro. Für Praxen, die Anspruch auf zwei oder drei Kartenterminals haben, erhöht sich diese Pauschale dann pro Gerät um 535 Euro. Entscheidend für die Höhe der Pauschale ist weiterhin der Installationstermin.

Weitere Anpassungen für eMP und NFDM

Außerdem gibt es Neuerungen bei der Finanzierung von Praxen, die sich für den elektronischen Medikationsplan (eMP) und das Notfalldatenmanagement (NFDM) rüsten. Für beide Anwendungen benötigen Praxen weitere Kartenterminals.

Für die Anschaffung dieser weiteren Terminals erhalten Ärzte bereits ab Oktober 535 Euro (statt 435 Euro) pro Gerät. Anspruch darauf haben Ärzte, die ihre Praxis-IT auf den eMP und/oder das NFDM umstellen. Dabei ist die Anzahl der Terminals von der Zahl der Betriebsstättenfälle abhängig.

Für den Aufwand der Praxen bei der Einführung des eMP und NFDM gibt es eine neue Zusatzpauschale von 60 Euro. Diese kann abhängig von der Zahl der Betriebsstättenfälle je Gerät abgerechnet werden. Der Zuschlag ist zeitlich befristet: Er wird vom 1. Oktober 2019 bis zum 30. September 2020 gezahlt.

Damit Praxen mit dem eMP und dem NFDM arbeiten können, sind Updates von Konnektor und Praxisverwaltungssystem erforderlich. Die dafür bereits ausgehandelte Pauschale bleibt unverändert bei 530 Euro. Auch der Zuschlag zur Betriebskostenpauschale in Höhe von 4,50 Euro wird beibehalten.

Die Industrie plant nach eigenen Angaben, im vierten Quartal 2019 ein Konnektor-Update zur Verfügung zu stellen.

Quelle: KBV

Jameda-Bewertung bei nicht nachgewiesenem Kontakt zu Praxispersonal unzulässig

Das LG Meiningen hat in einem aktuellen Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren noch einmal kurz und bündig klargestellt, dass die Bewertung eines Arztes auf einer Ärztebewertungsplattform ohne nachgewiesenen Behandlungskontakt unzulässig ist.

Das Gericht folgt damit der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil v. 1.3.2016, Az. VI ZR 34/15). Nach Ansicht des LG Meiningen gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der angebliche Patient behauptet, er sei bereits vor einer Behandlung vom Praxispersonal trotz starker Schmerzen abgewiesen worden, dies aber nicht nachgewiesen hat.

Der Ärztebewertungsplattform obliegen auch dann Prüfpflichten, denen sie im hier gegenständlichen Fall nicht nachgekommen ist. Die bloße Forderung einer Praxisbeschreibung und der Benennung des Behandlungsmonats und -jahres reicht dazu nicht aus (LG Meiningen, Urteil v. 15.5.2019, Az. (117) 2 O 274/19, nicht rechtskräftig).

Jameda-Bewertung enthielt schwere Vorwürfe

Die Antragstellerin, eine niedergelassene Allgemeinmedizinerin, wandte sich gegen eine Bewertung eines angeblichen Patienten, der auf dem Ärztebewertungsportal jameda.de behauptet hatte, trotz starker Schmerzen vom Personal der Antragstellerin „abgewimmelt“ worden zu sein. Die Antragstellerin wurde mit der Gesamtnote 6,0 bewertet.

Das wollte sich die Ärztin verständlicherweise nicht gefallen lassen. Denn in der unbegründeten Verweigerung einer Behandlung durch einen Arzt liegt nicht nur die Verletzung des hippokratischen Eids (der zwar in Deutschland nicht mehr verpflichtend geleistet wird, jedoch als Ehrenkodex weiterhin Bedeutung hat) sondern möglicherweise auch eine nach § 323c des Strafgesetzbuchs (StGB) strafbare unterlassene Hilfeleistung.

Die Antragstellerin meldete Jameda diese Bewertung daher als Problem. Sie beanstandete, dass die Angaben in der Bewertung nicht wahr seien, und bestritt, dass der Bewertende tatsächlich in der Praxis gewesen und trotz starker Schmerzen im Nierenbereich vom Personal „abgewimmelt“ worden sei. Sie teilte mit, dass sie sicher sei, dass sich ein solcher Vorfall nach eingehender Rücksprache mit ihrem Praxisteam in ihrer Praxis nicht ereignet habe.

Jameda hatte die Bewertung samt Benotung zunächst vorübergehend von der Webseite entfernt, die Bewertung ohne Noten dann aber wieder veröffentlicht, da sie den Wahrheitsgehalt der Bewertung durch eine kurze Praxisbeschreibung und die Nennung des Behandlungsmonats und -jahres des Bewertenden als dargelegt ansah.

Jameda konnte die Behauptung nicht beweisen

Das LG Meiningen bejahte eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin. Grundsätzlich sei zwar die Antragstellerin nach den allgemeinen Regeln für die Verletzung ihrer Rechte darlegungs- und beweisbelastet. Jedoch treffe die Antragsgegnerin bei negativen Tatsachen – hier dem Fehlen des Kontakts mit dem Praxispersonal – eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast. Das Gericht entschied, dass die Antragsgegnerin ihren daraus resultierenden Prüfpflichten hinsichtlich des behaupteten Sachverhalts nicht nachgekommen war, und berief sich dabei auf die Rechtsprechung des BGH.

Denn die vom Portalbetreiber durchzuführende Überprüfung muss erkennbar zum Ziel haben, die Berechtigung der Beanstandung des betroffenen Arztes zu klären. Er muss daher ernsthaft versuchen, sich hierzu die notwendige Tatsachengrundlage zu verschaffen und darf sich insbesondere nicht auf eine rein formale Prüfung zurückziehen (BGH, Urteil v. 1.3.2016, Az. VI ZR 34/15).

Dies gilt nach Ansicht des LG Meiningen auch dann, wenn der angebliche Patient behauptet, dass er bereits vom Personal abgewiesen worden sei. Denn die ärztlichen Pflichten beginnen manchmal nicht erst im Behandlungszimmer, sondern bereits dann, wenn der Patient mit starken Schmerzen die Praxis betritt. Der Vorwurf des „Abwimmelns“ wiegt dann unter Umständen sehr schwer, siehe oben.

Die Antragstellerin konnte nach eingehender Absprache mit ihrem gesamten Personal jedoch glaubhaft machen, dass niemand mit starken Schmerzen am Empfang abgewiesen worden war. Dem konnte Jameda nichts entgegensetzen.

Pauschale Praxisbeschreibung nicht ausreichend

Nach Ansicht des LG Meiningen reichen eine Praxisbeschreibung und die Nennung des Behandlungsmonats sowie des Behandlungsjahres nicht aus, um den behaupteten Kontakt mit dem Praxispersonal darzulegen.

Das LG Meiningen überträgt damit die Rechtsprechung des BGH, wonach es nicht ausreichend ist, die Behandlung in mindestens zwei Sätzen zu umschreiben und den Behandlungszeitraum zu nennen (BGH, Urteil v. 1.3.2016, Az. VI ZR 34/15), auf eine zu pauschale Praxisbeschreibung.

Jameda hätte den Verfasser der Bewertung vielmehr nochmals auffordern müssen, die angebliche Abweisung in der Praxis der Antragstellerin möglichst genau zu beschreiben und sich beispielsweise eine anschließende Behandlung oder den weiteren Verlauf der Krankengeschichte skizzieren lassen müssen. Jameda haftet hinsichtlich dieser Bewertung, da die Plattform als Hostprovider durch die Kenntnis von der Rechtsverletzung mittelbare Störerin geworden ist.

Im Falle der Zuwiderhandlung droht Jameda ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft. Der Streitwert wurde mit 15.000 € festgesetzt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Jameda steht nun das Rechtsmittel der Berufung zur Verfügung oder die Klärung des Sachverhalts im Hauptsacheverfahren.

Arno Lampmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Köln


Rheuma-Apps für Ärzte

Wertheim – In den App Stores gibt es zahlreiche Apps für Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, die diesen das Leben leichter machen können. Verbreitet sind Programme, die beim Management von Arztbesuchen, Medikation, Ernährung und Bewegungstherapie helfen, den Erkrankungsverlauf und die Laborwerte dokumentieren oder als Schmerztagebuch dienen. Selbsthilfegruppen wie die Rheumaliga nutzen Apps um auf regionale Angebote aufmerksam zu machen, andere Apps dienen zum Austausch mit anderen Betroffenen in der community. Doch gibt es auch Anwendungen, die für den rheumatologisch tätigen Arzt interessant sind, vielleicht gerade für den nicht versierten Spezialisten? Wir haben im April 2019 einmal im Apple-App-Store eingekauft, der rheumatologische Warenkorb in alphabetischer Reihenfolge sieht so aus:

1000 Arthritis Wörterbuch
Englischsprachiges Wörterbuch von Sand Apps Inc. mit eher patientenadressierten, einfachsten Definitionen von Fachbegriffen rund um rheumatische Erkrankungen zum Preis von 3,49€. Für Ärzte können aber die Links zu öffentlichen Bilddateien interessant sein.

ART Arthritis & Rheumatology, IJRD International Journal of Rheumatic Diseases und AC&R Arthritis Care & Research
Die drei kostenlosen, englischsprachigen Apps des Wiley-Verlags zeigen Abonnenten die Online-Ausgaben von „Arthritis & Rheumatology“ (American College of Rheumatology), „International Journal of Rheumatic Diseases“ (Asia Pacific League of Associations for Rheumatology) bzw. „Arthritis Care & Research“ (American College of Rheumatology) an. Das Abo ist jeweils kostenpflichtig. Die in der App vorgesehene Möglichkeit zum
Download kostenfreier Inhalte funktionierte zum Testzeitpunkt nicht.

ArthritisID PRO
Gut gemachtes, wahlweise englisch- oder französischsprachiges, kostenloses Diagnosetool, welches anhand auszuwählender betroffener Gelenke und einiger nachfolgender Fragen eine erste rheumatologische Verdachtsdiagnose liefert. Zu neun Krankheiten sind weitere Informationen abrufbar, fünf Videos zeigen Untersuchungstechniken.

DAS Calculator
Die kostenlose, englischsprachige App bietet ein übersichtliches Tool zur Berechnung von DAS28-CRP mit vier oder drei Variablen sowie ein Tool zur Umrechnung von DAS in DAS28. Gegen einen in-app-Kauf in Höhe von 2,29 Euro können zehn weitere Tools genutzt werden.

DAS28/ACR-EULAR criteria
Kleines, übersichtliches, englischsprachiges und kostenloses Tool zur Berechnung von DAS28, CDAI/SDAI und ACR-EULAR-Kriterien.

DoseChecker
Die einfache, kostenlose, englischsprachige App berechnet die körpergewichtsabhängige Hydroxychloroquindosis. Die Eingabe kann in pounds oder kg erfolgen, ausgegeben wird das Dosierschema nach der ABW-Methode in Übereinstimmung mit den AAC-Guidelines 2016.

EULAR School App
In einem passwortgeschützten Bereich sind laut Produktbeschreibung nur für registrierte Teilnehmer der EULAR School of Rheumatology EULAR-Empfehlungen, Tools, bildgebende Befunde und online-Kurse zugänglich. Ein Testzugang wurde auf Anfrage leider nicht zur Verfügung gestellt.

Mobile Leitlinien Innere Medizin
Die umfangreiche App der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) stellt kostenlos und deutschsprachig die Leitlinien zu zahlreichen Erkrankungen auf internistischem Fachgebiet zur Verfügung. Enthalten sind auch die S1-Leitlinie zur RA von 2012 mit Tools zur Berechnung von DAS28-Score, EULAR-Diagnosekriterien und Therapiealgorithmus der RA.

ÖGR RheumaGuide
Die kostenlose App des österreichischen MedMedia Verlags verspricht im App Store Hilfestellungen bei Diagnostik und Therapie bei Erkrankungen des Rheumatischen Formenkreises basierend auf der Kurzfassung der 2013 herausgegebenen Leitlinien für die Praxis RA, PsA und SpA. Angekündigt werden Scorerechner, Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie & Rehabilitation und Links zu DMARD Aufklärungsbögen. Eine erforderliche Registrierung als medizinisches Personal funktionierte zum Testzeitpunkt von Deutschland aus nicht.

RA Augemented Reality
Englischsprachiges, kostenloses Lehrmodul, welches Elemente der virtuellen Realität einbindet, um insbesondere die Rolle von Zytokinen im Entzündungsprozess der RA darzustellen. Eine Hilfefunktion, die dem Anwender die Handhabung der technisch gut gemachten App erklärt, fehlt leider.

RAPID Clinician Educator
Kostenlose Lehr-App zur RA, englischsprachig mit zahlreichen Videos, insgesamt nicht sehr umfangreich. Zusätzlicher Patientenguide mit zahlreichen Videos.

RAUSSA
Sehr schöne, wohl auch dank Sponsoring von Pfizer kostenlose und einfach zu bedienende App zur Sonografie und Duplexsonografie von Gelenken und Sehnen mit Darstellung der korrekten Schnittebenen am anatomischen Präparat und beispielhaften Befunden aller Stadien. Beim ersten Start der App muss man bestätigen, als Arzt in Spanien tätig zu sein, was aber nicht weiter geprüft wird.

RAVE Mobile
Die englischsprachige App bietet einerseits Tools zur Scoreberechnung bei Ankylosierender Spondylitis, Psoriasisarthritis und Rheumatoider Arthritis, SLE ist in Vorbereitung. Anderserseits werden englischsprachige Fortbildungsinhalte bereitgestellt.

RheumaHelper
Übersichtlicher, kostenloser englischsprachiger Rechner mit Tools zur Diagnoseklassifikation von 19 Krankheiten und 12 Aktivitätsscores, darüber hinaus Newsfeedfunktion.

Rheuma IQ
Übersichtlicher englischsprachiger Rechner mit Tools zur Diagnoseklassifikation von 17 Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises von „Adult Still’s disease“ bis „Sjogren’s syndrome 2016“, Tools zur Berechnung der Krankheitsaktivität von elf Erkrankungen („ASDAS“ bis „Vasculitis Damage Index“). Kostenlos.

Rheuma-VOR
Kostenlose, deutschsprachige App, die anhand von wenigen an den Patienten zu richtender Fragen in drei Minuten bei der Frühdiagnose und Differenzierung zwischen RA, Psoriasis Arthritis und axialer Spondylarthritis helfen soll. Ärzte in Niedersachsen, Rheinland Pfalz und dem Saarland können die Terminvermittlungsfunktion der Rheuma-VOR-Koordinationszentrale gleich aus der App heraus nutzen.

Rheuma Schweiz Education
Laut App Store soll die App interaktive Fortbildungsveranstaltungen auf dem neuesten Stand der Wissenschaft für Fachleute bieten. Zum Testzeitpunkt war mit der kostenlosen App lediglich eine Fortbildung über Injektionstechniken zum Preis von 7,99 Euro als in-app- Kauf möglich. Diesen Einkauf haben wir uns gespart.

Rheumatoid Arthritis @PoC
Laut App Store kostenlose, englischsprachige Wissensdatenbank mit Tools zur RA. Eine Registrierung aus Deutschland gelang zum Testzeitpunkt nicht.

Roche Rheumatologie App
Kostenlose, deutschsprachige App mit den drei Inhalten Rheumatoide Arthritis, Riesenzellarthritis und ANCA-assoziierten Vaskulitiden. Übersichtlich gestaltet sind Diagnosekriterien, Aktivitätsscores, Klassifikationen, Therapiealgorithmen sowie Fachinformationen und Anwenderhinweise zu den für die drei Krankheiten verfügbaren Produkte von Roche abrufbar. Vorgesehene Funktionen eines Veranstaltungskalenders und eine Newsfunktion waren zum Testzeitpunkt nicht mehr auf aktuellem Stand.

SensAR
Laut Beschreibung im App Store Tool zur Bestimmung der Schäden an Händen und Füßen mit dem SENS-Index (simple erosion narrowing score). Kostenlos. Eine Registrierung aus Deutschland gelang zum Testzeitpunkt nicht.

Thieme Rheumatologie visuell
Rheumatologische Bilddatenbank klinischer u. radiologischer Befunde von „Achenbach-Syndrom“ bis „Zoster unter Rituximab-Therapie“, deren Inhalte auch zur persönlichen Nutzung in Vorträgen, Fortbildungen und zu Lehrzwecken dienen. Wahlweise in deutsch oder englisch und kostenlos, Sponsoring von abbvie.

Auch für den rheumatologisch tätigen oder interessierten Arzt gibt es einige gute Apps im App Store, zum Teil mit sehr unterschiedlichem Leistungsumfang und in unterschiedlicher Qualität. Nur einige Apps erfordern eine Verifikation als Arzt, z. B. mit doccheck. Besonders praktisch für die Kitteltasche und die sinnvollste App-Anwendung sind die zum Teil umfangreichen Tools zur Berechnung von Scores zur Klassifikation und Krankheitsaktivität wie z. B. Rheumahelper. Gut gemacht ist auch das englischsprachige Diagnosetool ArthritisID PRO. Sehr gut gefällt auch die RAUSSA-App zur Sonografie und das feature zur Terminvereinbarung beim Rheumatologen bei Rheuma-VOR. Fast alle Inhalte sind erfreulicherweise kostenlos. Wer dann noch gute Apps für betroffene Patienten empfehlen kann, kann die Betreuung seiner Rheumapatienten durch Nutzung von Smartphones verbessern. Perspektivisch können telemedizinische Lösungen wie die DAAG-Videosprechstunde das Betreuungsangebot abrunden.

Dr. Karsten Braun, LL. M.
BVOU-Bezirksvorsitzender Heilbronn Franken