Schlagwort-Archive: Orthopädie

Ärzte wehren sich erfolgreich gegen „Zwangslistung“ bei Jameda

Köln – Im Frühjahr dieses Jahres haben drei Gerichte unabhängig voneinander entschieden: Ärzte und Heilpraktiker müssen das ungewollte Anlegen von sogenannten Basis-Profilen auf dem Artbewertungsportal Jameda nicht dulden. Zwei Kammern des Landgerichts Bonn und das Landgericht Wuppertal gaben damit den Klagen zweier Zahnärzte und einer Heilpraktikerin gegen Jameda Recht, die sich wegen der fehlenden Zustimmung zur Nutzung ihrer Daten auf dem Portal auf die Verletzung des Datenschutzrechts berufen hatten[1]. Jameda kämpft allerdings weiter um sein Geschäftsmodell und hat gegen die Entscheidungen Berufung eingelegt.

Ein „Basis“-Profil auf Jameda enthält nicht viel: Name und Adresse des Arztes sowie die Bewertungen von Patienten werden dort veröffentlicht. Ansonsten ist das Profil nichtssagend und leer: Fast alle Felder und Funktionen, die das Portal zur ansprechenden Gestaltung des eigenen Profils anbietet, können nur gegen eine monatliche Zahlung befüllt werden. So bleibt insbesondere das Feld mit dem Portraitfoto frei, stattdessen ist dort nur ein Schattenriss zu sehen. Auch die Homepage der Praxis wird nicht angegeben. Schon gar nicht können Ärzte, die keinen Vertrag mit Jameda haben, „weitere Informationen“ über ihre Leistungen angeben oder Fotos, Artikel oder Videos hochladen. In den freien Feldern finden sich dagegen direkte Anprachen an den Noch-Nicht-Kunden, so z.B.: „Sind Sie Dr. XY? Vervollständigen Sie jetzt Ihr Profil und geben Sie so neuen Patienten einen Eindruck von Ihnen und Ihrer Praxis.“. Bei dem fehlenden Profilbild heißt es: „Dieser Arzt hat leider noch kein Portrait hinterlegt.“ Ein Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit dieser Einträge ist nicht ohne weiteres zu finden. Außerdem wird das Profil noch für Werbung von Drittunternehmen genutzt. Mitten im Basis-Profil findet sich – genau wie an den seitlichen Rändern – Werbung z.B. für Reiseanbieter, Versicherungen oder Banken. Bezahlte „Premium“-Profile können dagegen mit einer Vielzahl von Inhalten bis hin zur Onlinebuchung für Termine bestückt werden, die fast die eigene Praxishomepage überflüssig machen könnten.

Im vergangenen Jahr hatte eine Kölner Hautärztin vor dem Bundesgerichtshof erfolgreich auf Profillöschung geklagt. Das Gericht war der Ansicht, dass Jameda sich nicht (mehr) neutral verhalte, indem zahlenden Kunden „verdeckte Vorteile“ verschafft würden. Daher durften die Daten der Ärztin nicht ohne ihre Zustimmung verwendet werden. Allerdings: wer sich gegenüber Jameda auf das Urteil berief, wird weiterhin abgewiesen. Jameda hatte im Nachgang zu der Entscheidung einige Änderungen in der Profilgestaltung vorgenommen und meint deswegen, dass Ärzte nun wieder akzeptieren müssten, in dem Portal ungewollt aufzutauchen. Jameda beruft sich darauf, dass das Portal einen Beitrag zur Transparenz im Gesundheitswesen leiste und ein öffentliches Interesse an einer vollständigen Ärztelistung bestünde.

Allerdings kamen die drei mit der Sache befassten Gerichte nun zu dem Ergebnis, dass die Änderungen nicht ausreichten, um Jameda (wieder) die notwendige Neutralität zu verschaffen. Die Kläger hatten vorgebracht, dass die Möglichkeit, das eigene Profil nur gegen Entgelt aufbessern zu können, für den Portalnutzer nicht erkennbar sei und bezahlte Einträge attraktiver als die „Zwangs-Profile“ seien. Weiterhin würde Jameda die ungewollt angelegten „Basis-Profile“ dazu benutzen, für zahlende Jameda-Kunden indirekt Werbung zu machen. Berücksichtigt wurde unter anderem auch, dass sich Ärzte durch die unterschiedliche Gestaltung der Profile zu einer Mitgliedschaft gedrängt fühlen könnten. Daher würde – so auch die drei Entscheidungen – das Interesse der Betroffenen das Interesse von Jameda an der Datennutzung überwiegen. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für eine Datenverarbeitung ohne Einwilligung.

Ob die Profile am Ende wirklich gelöscht werden müssen, werden nun die Oberlandesgerichte entscheiden. Die erste Entscheidung ist im Herbst diesen Jahres zu erwarten.

Dr. Frauke Schmid-Petersen ist Rechtsanwältin bei HÖCKER Rechtsanwälte in Köln und seit 1999 auf dem Gebiet des Medienrechts tätig und war in den genannten Verfahren als Prozessvertreterin für die jeweiligen Ärzte tätig.


[1] LG Bonn Urt. v. 28.3.2019. Az. 18 O 143/18, Urt. v. 29.3.2019, Az. 9 O 157/18 und LG Wuppertal, Urt. v. 29.03.2019, Az. 17 O 178/18.

„Eine generalisierte und fundierte Ausbildung gewährleisten!“

Berlin/ Baden-Baden – Auf der BVOU-Mitgliederversammlung am 4. Mai 2019 in Baden-Baden wählten die Anwesenden PD Dr. Christian Merle in den BVOU-Gesamtvorstand und zum Vertreter Leitender Ärzte und Oberärzte in O und U. Im Interview spricht er über die Anforderungen an seinen Beruf und darüber, wie sich junge Ärztinnen und Ärzte trotz der wachsenden Herausforderungen zu leitenden Positionen begeistern lassen können.

PD Dr. Christian Merle, in Baden-Baden wurden Sie im BVOU-Gesamtvorstand als Vertreter der Oberärzte gewählt, stellen Sie sich doch einmal kurz vor:
PD Dr. Christian Merle: Ich bin als Oberarzt an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg tätig und leite hier seit 2018 das Endoprothetikzentrum. Meine Ausbildung habe ich ebenfalls in Heidelberg mit Rotation an die BG Unfallklinik Ludwigshafen und Auslandsaufenthalten an der University of Oxford und dem Hospital for Special Surgery in New York absolviert. Neben dem klinischen Schwerpunkt in der Primär- und Revisionsendoprothetik von Hüfte und Knie liegt auch mein wissenschaftliches Interesse im Bereich des Gelenkersatzes, insbesondere des Teilgelenkersatzes am Knie und der patientenindividuellen Endoprothetik. Als stellvertretender Leiter des Forums Mittelbau (FOURMit) der DGOU beschäftige ich mich unter anderem mit den berufspolitischen Themen der fachlichen und persönlichen Weiterbildung sowie Möglichkeiten der Qualifizierung nach dem Facharztabschluss. Ich freue mich, die Belange und Interessen der Fach- und Oberärzte/-innen als zahlenmäßig große Gruppe entscheidender Leistungsträger an deutschen Kliniken auch im BVOU vertreten zu dürfen.

Welche Ziele haben Sie sich für das erste Jahr gesetzt?
D Dr. Christian Merle: Es gibt aus meiner Sicht zwei relevante Themen, die ich auch im BVOU gerne voranbringen möchte.

Das exponentiell wachsende Wissen im Fachgebiet der muskuloskelettalen Erkrankungen, die stetige Weiterentwicklung von Operationstechniken und Implantatsystemen und die Sektions-/ Bereichsstruktur vieler Kliniken zeigen den Bedarf an einer zunehmenden operativen Subspezialisierung der Fachärzte, um eine qualitativ hochwertige, sichere und effiziente Patientenversorgung gewährleisten zu können. Im englischsprachigen Raum wird dieser Versorgungsrealität über strukturierte Fellowships Rechnung getragen; in Deutschland hingegen ist das operative Weiterbildungsangebot nach dem Facharzt sehr heterogen und nur unzureichend charakterisiert. Eine generalisierte und fundierte Ausbildung, die das gesamte Spektrum der operativen und konservativen Orthopädie und Unfallchirurgie abdeckt, muss zur Erlangung der Facharztkompetenz weiterhin gewährleistet bleiben. Nach der Facharztprüfung stellen klinische Fellowships eine attraktive und zukunftsfähige Möglichkeit dar, um dem zunehmenden Bedarf an operativ hochspezialisierten Fachärzten gerecht werden zu können. Wir haben in Heidelberg ein entsprechendes Rotationsmodell für Fachärzte in den subspezialisierten Sektionen etabliert, welches auf große Nachfrage und Zustimmung stößt und neben der klinischen auch die wissenschaftliche Karriere individuell fördert. Potentiell können Fellowships in die bereits vorhandenen Zusatzweiterbildungen für spezielle Orthopädie bzw. Unfallchirurgie integriert werden und diese perspektivisch weiterentwickeln. Hierfür ist jedoch eine transparente und einheitliche Definition von Umfang, Dauer und curricularem Inhalt in Anlehnung an die qualitätsorientierten Vorgaben der Sektionen der Fachgesellschaften in Deutschland erforderlich.

Des Weiteren bin ich davon überzeugt, dass in Anbetracht der aktuellen berufspolitischen Entwicklungen eine intensivere Zusammenarbeit der Klinikärzte und der niedergelassenen Ärzte sowohl in der Patientenversorgung als auch der Fort-/ und Weiterbildung von essentieller Bedeutung ist. Abstimmungsschwierigkeiten, die insbesondere durch die Vielfältigkeit der Tätigkeitsbereiche in unserem Fachgebiet entstehen, können durch intensivere Kooperationen und eine bessere Vernetzung überbrückt werden.

Die heutigen Anforderungen an Oberärzte und Chefärzte in O und U gehen weit über die medizinische Expertise und Fachkenntnisse hinaus. Was zählt aus Ihrer Sicht dazu?
PD Dr. Christian Merle: Neben einem stetig wachsenden Fachwissen und dem klaren Trend zur Subspezialisierung übernehmen in der Klinik tätige ärztliche Führungskräfte zunehmend Aufgaben, die organisatorische Prozesse, betriebswirtschaftliche und arbeitsrechtliche Aspekte, die Mitarbeiterführung sowie eine zielgerichtete interdisziplinäre Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit umfassen. Dies erfordert insbesondere in den chirurgischen Fächern eine hohe Belastbarkeit, Flexibilität und Organisationskompetenz. Hier bedarf es analog zur Vermittlung von Fachwissen innovativer Fort-/ und Weiterbildungsangebote sowie flexibler Arbeitsmodelle, um die berufliche Situation von Krankenhausärzten/-innen auch weiterhin für die besten Köpfe attraktiv zu sein.

Diese wachsenden Aufgaben an Krankenhausärzte in leitenden Positionen erfordern Handlungsbedarf: Sie unterstützen angehende Chefärzte und leitende Ärzte in O und U mit Vorträgen bei verschiedenen Fortbildungsangeboten. Welches Wissen möchten Sie an die Kolleginnen und Kollegen weitergeben?
PD Dr. Christian Merle: In der Frage der individuellen Karriereplanung, die alle Fach- und Oberärzte intensiv beschäftigt, sind genau die o.g. Themen wie Organisation, Kommunikation, Ökonomie und Arbeitsrecht zunehmend relevant. Diese Inhalte können nicht nur durch ärztliche Kollegen vermittelt werden. Es besteht ein Bedarf an Kursformaten, in denen auch Experten aus den Bereichen Klinikmanagement, Rechts- und Personalberatung zu Wort kommen und Kompetenzen und Erfahrungen aus der Praxis ihres Fachgebiets teilen. Vor diesem Hintergrund wurde der CLOU- Kurs (Chefarzt und Leitender Arzt in O&U) vom Nichtständigen Beirat der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und dem Forum Mittelbau der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) in Kooperation mit der AUC – Akademie der Unfallchirurgie, der Akademie Deutscher Orthopäden (ADO), dem Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) sowie dem Verband leitender Orthopäden und Unfallchirurgen (VLOU) entwickelt. Nach sehr positivem Feedback aus dem letzten Jahr wird der Kurs um die Perspektive Niederlassung erweitert und in diesem Jahr in Berlin am 13./14.09.2019 stattfinden.

Im CLOU+-Kursprogramm trägt Ihr Vortrag den Titel: Karrieresprungbrett Oberarzt?! Verraten Sie uns, was hinter diesem Titel steckt? Welcher Inhalt erwartet die Teilnehmer?
PD Dr. Christian Merle: Die Oberarzttätigkeit in O&U ist trotz oder gerade wegen der vielzitierten “Sandwichposition” definitiv ein Karrieresprungbrett und bietet durch eigenverantwortliches Arbeiten ein hohes Entwicklungspotential. Neben dem klassischen Chefarztmodell stellen zunehmend auch Sektionsleitungen und Beleg-/Kollegialsysteme eine attraktive Alternative dar. Gerade in unserem Fachbereich gibt es eine dynamische Entwicklung der Karriereoptionen mit vielfältigen Chancen sowohl im klinischen als auch niedergelassenen Setting, die es kritisch und unter Berücksichtigung der individuellen Interessen und Qualifikationen zu bewerten gilt.

Herr Dr. Merle, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Janosch Kuno, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit BVOU

Tipps zur TI-Installation – Haftung und Haftungsbefreiung

Berlin – KBV und gematik haben im Rahmen der Diskussion um die Sicherheit des TI-Konnektors und der Haftung der Ärzte Stellung bezogen. Laut MEDI-Verbund hätten entsprechende Muster und Anleitungen zur Installation des TI-Konnektors den Praxen längst zur Verfügung gestellt werden müssen. Auch wenn die Ausführungen der gematik bezüglich der Sicherheit der TI nicht nachvollzogen werden können, seien die Ausführungen der gematik zur angeblichen Haftungsbefreiung der Praxen als positiv zu bewerten. MEDI-Chef Dr. Werner Baumgärtner empfiehlt in einem Rundschreiben, die gematik beim Wort zu nehmen: “Es ist leider nach wie vor so, dass Sie unter Strafandrohung in eine technisch veraltete und unsichere TI gezwungen werden, die Sie auch nicht selbst prüfen oder prüfen lassen dürfen. Die Übernahme der Haftung durch die gematik wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung.” Um sich abzusichern, rät der MEDI-Verbund folgendes Vorgehen:

1) Lassen Sie das von der gematik zur Verfügung gestellte Muster-Installationsprotokoll von Ihrem Dienstleister ausfüllen und unterschreiben.

2) Lassen Sie sich die weitergehende Erklärung zur umfassend korrekten Installation (Bestätigung des Dienstleisters) unterschreiben!

3) Sind die Erklärungen nach 1) und 2) von Ihrem Dienstleister unterschrieben, so schicken Sie je eine Kopie und unser Musterschreiben Haftungsbefreiung 1an die gematik. Damit kann die gematik Ihnen schriftlich versichern, dass sie die Haftung bei Angriffen übernimmt, auch wenn nicht festgestellt werden kann, über welchen Weg der Angriff in das Praxisverwaltungssystem erfolgt ist. In der Regel ist das leider so.

4) Falls Ihr Dienstleister die Erklärungen nach 1) und/oder 2) nicht unterschreibt, so das auch an die gematik gemeldet werden, unter Verwendung des Musterschreibens Haftungsbefreiung 2.

Quelle: MEDI

Unseriöses Jonglieren mit großen Zahlen

Berlin – Zwei Drittel der Akutkrankenhäuser in Deutschland mal schnell geschlossen. Sieht so ein sinnvoller Vorschlag für die zukünftige Gesundheitsversorgung aus? „Diese Meldung ist Effekthascherei. Es ist der in den letzten Jahren von interessierter Seite immer mal wieder unternommene Versuch einer Kahlschlagdebatte in der Krankenhausversorgung. Die Meldung auf der Bertelsmann-Homepage ‘Eine bessere Versorgung ist nur mit halb so vielen Kliniken möglich‘ ist schlichtweg Unsinn. Bertelsmann ist dabei, seinen guten Ruf zu verspielen“, kommentierte VKD-Präsident Dr. Josef Düllings den neuesten Vorstoß, dieses Mal in Form einer Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung.

Der Vorschlag kommt fast zur selben Zeit wie der Bericht der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ unter Vorsitz von Horst Seehofer. Ziel sei, so wurde in der Vorstellung betont, gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland zur Richtschnur für alle künftigen Vorhaben der Bundesregierung zu machen. Es gehe um den Ausbau einer flächendeckenden Infrastruktur – je nach Bedarf in der jeweiligen Region. Als Beispiel dafür wird auch die Gesundheitsversorgung genannt, wird auf Arztpraxen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen als wichtige Standortfaktoren verwiesen, die entscheidend seien für die Lebensqualität der dort lebenden Menschen.

„Genau das ist auch die Position des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands“, bekräftigt der VKD-Präsident. „Strukturen müssen den Notwendigkeiten in den jeweiligen Regionen entsprechend weiterentwickelt werden. Dabei müssen ambulante und stationäre Leistungen endlich besser miteinander vernetzt werden. Gerade in ländlichen Regionen sind die Krankenhäuser Anker einer funktionierenden Gesundheitsversorgung. Sie übernehmen vielfach schon jetzt Leistungen, für die der niedergelassene Bereich zwar zuständig ist, die er aber vor allem durch den Ärztemangel nicht zeitnah zur Verfügung stellen kann. Diese Strukturen zu zerschlagen, wäre abenteuerlich. Vielmehr muss diesen Kliniken, wie der VKD schon seit langem fordert, die Verantwortung für die ambulante Versorgung übertragen werden, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen schon seit langem nicht mehr sichergestellt werden kann.“

Das wäre sinnvoller als die Weiterführung von Parallelstrukturen. Es wäre wirtschaftlicher und im Sinne einer integrierten Versorgung auch besser für den Patienten, der dann nicht von einem Leistungserbringer zum anderen geschickt werden müsste. Es gehe nicht um die Wünsche von Krankenkassen oder Studienautoren, sondern um die Bedürfnisse der Menschen vor Ort. Der VKD wehrt sich in diesem Zusammenhang auch gegen das Schlechtreden kleiner Krankenhäuser, die häufig neben der geprüft guten Grundversorgung für die Patienten in ihren Regionen vielfach auch hochspezialisierte Leistungen anbieten und international anerkannte Experten beschäftigen. „Klein ist keinesfalls gleich schlecht“, so Dr. Düllings. „Die Studie verunsichert letztendlich mit ihren Bewertungen und Vorschlägen viele Menschen, die nun vielleicht befürchten, dass ihr Krankenhaus zu denen gehören könnte, die laut der Studie geschlossen werden sollten.“

Auch das Krankenhausmanagement sieht die Notwendigkeit zu weitreichenden Strukturveränderungen. Es sind vor allem die Kranhausmanager, die solche Veränderungen fordern und, wo dies mit entsprechenden finanziellen Ressourcen hinterlegt ist, sogar schon jetzt umsetzen. Dazu hätte die Studie einen Beitrag leisten können. Mit dem jetzigen Schwerpunkt hat sie leider das Thema verfehlt. Aus den Praxiserfahrungen ist für den VKD klar, dass solche Strukturveränderungen nicht zum Nulltarif zu haben sind – leider eine immer noch gepflegte Fantasie von Krankenkassen- und Länderseite. Angesichts einer historisch niedrigen Investitionsquote und eines beispiellosen Investitionsstaus ist eine solche Vorlage wie die Bertelsmann-Studie eher ein Papiertiger als zielführende Politikberatung. Diese Studie wird nicht Realität werden.

Quelle: VKD

BARMER-Umfrage zur Zweitmeinung

Berlin – Millionen Patientinnen und Patienten in Deutschland zweifeln an der Notwendigkeit von planbaren medizinischen Eingriffen. Das belegt eine repräsentative BARMER-Erhebung, für die im März bundesweit 1.000 Männer und Frauen ab 18 Jahren befragt wurden. Demnach ist mehr als jeder Zweite (56 Prozent) unsicher, ob die Operation tatsächlich notwendig ist. Aber nur 57 Prozent der Befragten mit einem planbaren medizinischen Eingriff veranlassen ihre Zweifel, sich eine Zweitmeinung einzuholen. Dabei zeige die Umfrage, dass die Meinung anderer Ärztinnen oder Ärzte in nicht wenigen Fällen ganz anders ausfalle. Zwar gäben 72 Prozent der Befragten an, die Diagnose bestätigt bekommen zu haben, 21 Prozent bekämen die Therapieempfehlung bestätigt. Damit wurden diese Antwortalternativen am häufigsten gewählt. Acht Prozent erhielten jedoch eine andere Diagnose, 17 Prozent eine andere Therapieempfehlung. „Wir haben ein Informationsdefizit in Deutschland, was Operationen angeht. Wissens- und Informationslücken dürfen nicht dazu beitragen, dass unnötige Eingriffe vorgenommen werden“, sagt Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER. Er forderte die Patientinnen und Patienten auf, konsequent vom Recht auf Zweitmeinung Gebrauch zu machen. Wer zwei Meinungen höre, folge laut Umfrage zu mehr als der Hälfte der Alternativauffassung (56 Prozent).

Alter, Bildung und Einkommen beeinflussen Interesse

Die zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen respondi durchgeführte Online-Umfrage zeige, dass die Faktoren Alter, Bildung und Einkommen die Offenheit gegenüber Zweitmeinungen beeinflussen. Je höher Einkommen und Bildung, desto öfter würden weitere Meinungen erfragt. Der Effekt zeige sich auch bei einzelnen Altersgruppen, wobei die 40- bis 49-Jährigen als besonders kritisch auffielen. „Mit dem sozialen Status und der Lebenserfahrung steigt die Bereitschaft, ärztliche Empfehlungen zu hinterfragen. Zweitmeinungen sind jedoch für Patientinnen und Patienten jeden Alters interessant, die vor einem planbaren Eingriff stehen“, so Straub.

Ergebnisse der Umfrage im Detail

Sozioökonomische Einflussfaktoren

Zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) bejahten, dass sie vor einem planbaren medizinischen Eingriff Wert auf eine Zweitmeinung legen würden. Bei Frauen ist die Bereitschaft dazu mit 69 Prozent deutlicher ausgeprägt als bei Männern, von denen dies nur 61 Prozent wichtig finden. Den Einfluss der sozioökonomischen Faktoren Alter, Bildung und Einkommen zeigt die Grafik. Offenbar besteht ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens und des Bildungsstandes mit der Bereitschaft zum Einholen einer Zweitmeinung. Tendenziell wächst auch mit dem Lebensalter die Bereitschaft, medizinische Diagnosen und darauf basierende Therapieoptionen zu hinterfragen.

Wenn Zweifel fehlen

Von den Befragten, die keine Zweitmeinung eingeholt haben, nennen 67 Prozent als Grund für den Verzicht, dass sie die Notwendigkeit des Eingriffs nicht bezweifelten. Mehr als jeder Zweite (55 Prozent) fühlte sich vom Arzt ausreichend aufgeklärt.

Zwei zusätzliche Meinungen am häufigsten

Die Mehrheit derer, die Zweifel an einer anstehenden Therapie hat, wünscht sich der Umfrage nach sogar mehr als nur eine weitere Meinung. So holt mehr als die Hälfte zwei weitere Einschätzungen ein (56 Prozent). Während vier von zehn Befragten (38 Prozent) mit einer zusätzlichen Meinung auskommen, holen sechs Prozent drei und mehr zusätzliche Voten ein. Dabei scheint die Wahl mit der Zahl zusätzlicher Einschätzungen schwieriger zu werden. Von den Patientinnen und Patienten, die sich auf zwei Meinungen stützen, folgen 56 Prozent der zweiten Empfehlung. Haben die Befragten drei oder mehr Experten gehört, fällt ihre Wahl zu etwa gleichen Teilen auf die erste, zweite und dritte Meinung. 

Entscheidung folgt Nutzen-Risiko-Abwägung

Leitkriterium für die letztendliche Entscheidung der Patientinnen und Patienten ist dann eine Abwägung zwischen möglichen Risiken und dem zu erwartenden persönlichen Nutzen des Eingriffs (58 Prozent). Der Ruf der Klinik, in dem der Eingriff stattfinden sollte, war für ein Drittel der Befragten entscheidend.

Facharztgruppen und Eingriffsarten

Am häufigsten holten die Befragten Zweitmeinungen ein, wenn es um planbare Eingriffe im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie (27 Prozent) und der allgemeinen Chirurgie (24 Prozent), der Gynäkologie (zehn Prozent) sowie der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (acht Prozent) ging. Am häufigsten ging es bei Zweitmeinungen um Eingriffe am Bewegungsapparat (19 Prozent), dem Verdauungstrakt und den Geschlechtsorganen (jeweils neun Prozent).

Hintergrundinformationen zum Thema

Rechtsgrundlage: Der Gesetzgeber hat mit dem Versorgungstärkungsgesetz zum 23. Juli 2015 mit § 27b SGB V den Anspruch auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung eingeführt. Der Anspruch richtet sich insbesondere auf solche Indikationen, bei denen mit Blick auf die zahlenmäßige Entwicklung die Gefahr einer Indikationsausweitung nicht auszuschließen ist.

Richtlinie: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wurde damit beauftragt, eine Richtlinie über die Konkretisierung des Anspruchs auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung zu beschließen. Die Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren (Zm-RL) ist im Dezember 2018 in Kraft getreten. Die Zm-RL legt den Leistungsumfang, die Aufgaben der indikationsstellenden Ärzte sowie die Anforderungen und Aufgaben der Ärzte fest, die eine Zweitmeinung abgeben. Außerdem bestimmt sie die Eingriffe, bei denen ein Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung besteht, sowie die eingriffsspezifischen Anforderungen. Bislang gibt es auf Basis der Zm-RL Anspruch auf Zweitmeinungen zu Mandeloperationen (Tonsillotomien und Tonsillektomien) und Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien).

Quelle: BARMER

Telematikinfrastruktur, BVOU, Vorstand

Empfehlung zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI)

Berlin – Der BVOU-Gesamtvorstand hat sich auf seiner Januartagung am 26.01.2019 mit der Einführung der Telematik-Infrastruktur (TI) ausführlich befasst. Er kam nach kontroverser Diskussion und Bewertung der vorliegenden Informationen zu Risiken und Haftung damals mehrheitlich zur Ansicht, dass der Anschluss an die Telematik-Infrastruktur den BVOU-Mitgliedern zum damaligen Zeitpunkt nicht empfohlen werden sollte. Es wurde empfohlen, eher die gesetzlich vorgesehene Honorarkürzung bei nicht-fristgerechtem Anschluss in Kauf zu nehmen, als die mit dem Anschluss an die TI verbundenen und zum Jahresanfang 2019 noch nicht abschließend geklärten Risiken einzugehen.

Bereits in seinem damaligen Statement wies der Gesamtvorstand darauf hin, dass sich um eine rein subjektive Einschätzung handelt, für die keinerlei Haftung übernommen werden kann. Nach Änderung der Informations- und Rechtlage könne sich diese Meinung jederzeit ändern und jedes Mitglied sollte deshalb für sich selbst abwägen, welchen Weg es gehen möchte. Dieser Fall ist nun eingetreten, weshalb sich der Geschäftsführende Vorstand des BVOU zu einer Korrektur dieser Einschätzung und den daraus abgeleiteten Empfehlungen für seine Mitglieder entschlossen hat.

Haftungsausschluss bei ordnungsgemäßer TI-Anbindung

Ende Juni 2019 hat die Gematik auf Drängen der KBV festgestellt, dass Praxisinhaber nicht für Datenpannen einer korrekt an die Telematikinfrastruktur angeschlossenen Praxis-IT haftbar gemacht werden können. Weiterhin wurde von der Gematik nochmals bekräftigt, dass die TI kein Sicherheitsrisiko darstellt, wenn die zugelassenen Konnektoren vorschriftsgemäß aufgestellt und betrieben werden.

Ferner liegt nunmehr eine erste sozialgerichtliche Entscheidung vor, die zum einen Verstoß der Telematikinfrastruktur gegen Datenschutzrecht ablehnt sowie die Art und Höhe der Kostenerstattung bei der Anschlusspflicht als rechtmäßig sowie die Kostenbeteiligung der Vertragsärzte hieran als zumutbar und verfassungsgemäß einstuft (vgl. SG München, Beschluss v. 22.03.2019 – S 38 KA 52/19 ER).

Sichere Anschlussvarianten an die TI

Gematik und KBV haben Merkblätter veröffentlicht, die die empfohlenen Anschlussvarianten an die TI erklären und darstellen, wie die TI zur Erhöhung der Sicherheit der Praxis-IT führt.

Reihenbetrieb

Sicherste Variante: Reihenschaltung des TI-Konnektors ohne Anbindung der Praxis-IT ans “normale” Internet

Nach diesen Informationen ist die Installationsvariante „Reihenbetrieb“ als sicherste Installation einzuschätzen, da die gesamte Praxis durch den Konnektor und die ausschließliche Anbindung an die TI optimal geschützt wird. Über den Konnektor ist zusätzlich die Anbindung an das KV Safenet und weitere sichere Internetdienste möglich.

Diese Installation bietet ein Plus an Sicherheit im Vergleich zur Internetanbindung einer Praxis über einen normalen Router wie z.B. die FritzBox mit oder ohne zusätzlicher Firewall.

Einschränkend muss festgestellt werden, dass jede Praxis überprüfen sollte, ob mit dieser Installation alle zuvor genutzten Installationen (Fernwartung, Remote-Zugriffe u.ä.) weiter im gleichen Umfang nutzbar sind. Hier sollte ggf. der Praxis-EDV-Dienstleister nachbessern, um höchste Sicherheitsstandards zu gewährleisten.

Parallelbetrieb

Potentiell unsichere Variante: Parallelbetrieb erfordert zusätzliche Absicherung der IT-Infrastruktur in Verantwortung der Praxis (z.B. Firewall, Antivirus, eigener Mailserver etc.)

Auch im sogenannten „Parallelbetrieb“ ist die Praxis-EDV abgesichert, wenn sich die Praxis (wie bislang auch) selbst um Sicherheitsmaßnahmen wie Firewall und Virenschutz kümmert.

Werden diese Sicherheitsmaßnahmen durch die Praxis als Netzwerkbetreiber nicht ergriffen, ist die Praxis-EDV ebenso wie bereits vor dem Anschluss an die TI gefährdet und ggf. Hackerangriffen ausgesetzt. Die Praxis verstößt damit gegen die DSGVO, weil sie die erforderlichen Technisch-Organisatorischen Maßnahmen (TOM) zum Schutz von Patientendaten nicht ausreichend ergriffen hat. Dies hat jedoch nichts mit dem Anschluss an die TI zu tun und liegt wie vor der TI-Anbindung im Verantwortungs­bereich der Praxis selbst.

Netztrennung für gleichzeitige, sichere Nutzung des Internets

Netztrennung bei gleichzeitiger Internet-Nutzung: Hier ist die Praxis-EDV hinter dem Konnektor geschützt während Internet-Rechner in einem separaten Netzwerk arbeiten.

PCs oder Netzwerkteile, die an das Internet über einen normalen Router etc. angeschlossen sind, sollten physisch vollständig von der Praxis-EDV und der TI getrennt werden. Damit ist der Zugriff auf Patientendaten auch für den Fall eines erfolgreichen Hackerangriffs ausgeschlossen. Dieses Szenario kann beispielsweise durch die Installation eines zusätzlichen WLAN erreicht werden, das über einen separaten Router ans Internet angebunden ist. Über einen solchen Kanal sollten auch Digitalisierungsprojekte wie Videosprechstunde und Online-Terminvergabe in der Praxis installiert werden.

Stand-Alone- oder Kioskbetrieb der TI

Kioskbetrieb: Kartenterminal wir unabhängig von der Praxis-EDV genutzt

Bei dieser Anschlussvariante ist die TI vollständig von der bereits existierenden Praxis-EDV getrennt. Mit dieser Variante kann lediglich die Online-Prüfung der Versichertenstammdaten erfolgen.

Dadurch ändert sich das Sicherheitsniveau der bisherigen Praxis-Installation nicht, schneidet die Praxis aber von allen zukünftigen Anwendungen der TI ab, wie z.B. elektronische AU, eRezept, eArztbrief und elektronische Patientenakten.

Deshalb ist diese Installationsvariante lediglich als kurzfristige Übergangsvariante zu empfehlen, beispielsweise bis die gesamte Praxis-EDV mit den erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen für einen Parallelbetrieb ausgerüstet ist.

Digitalisierung kommt und basiert auf der TI

Der Referentenentwurf des „Digitale Versorgung Gesetz“ sieht eine Reihe von Digitalisierungs­projekten vor, die per Gesetz bis Ende 2021 eingeführt werden sollen. Zentral ist beispielsweise die Anbindung an eine von der Gematik und der KBV zu definierende zentrale elektronische Patientenakte sowie das Recht des Patienten, diese Akte in jeder Praxis befüllt zu bekommen.

Dafür ist eine gesonderte Vergütung ebenso vorgesehen wie weitere Sanktionen bei Nichtanbindung an die TI. Weitere digitale Anwendungen im Gesundheitssystem wie die elektronische AU, das eRezept und der eArztbrief, eine vom „normalen“ Internet abgekoppelte elektronische Post zwischen Ärzten, werden ausschließlich auf der Telematikinfrastruktur aufsetzen.

Die KBV schafft gerade die Grundlagen für eine sichere digitale E-Mail-Kommunikation zwischen Ärzten und Praxen, die auf der TI basiert und in die Praxis-EDV-Systeme integriert werden soll. So kann in Kombination mit den oben beschriebenen sicheren Anschlussvarienten an die TI sichergestellt werden, dass das Haupteinfallstor für Hackerangriffe auf Praxen und Kliniken verschlossen wird: E-Mails mit infizierten Anhängen, über die z.B. die sogenannten Kryptotrojaner in Praxisnetzwerke eingeschleust werden. Diese verschlüsseln dann die gesamten Praxis- und Patientendaten, was Grundlage für Erpressungen durch Cyberkriminelle und erhebliche Schäden ist.

Zusammenfassung:
Empfehlung zum Anschluss an die TI

Eine der Grundbefürchtungen des Gesamtvorstandes, dass Praxen für Datenschutzpannen der Telematikinfrastruktur haftbar sind, wurde vor wenigen Tagen von der Gematik und der KBV ausgeräumt. Gleichzeitig bietet die TI bei korrektem Anschluss und Betrieb ein deutliches Mehr an Sicherheit als viele aktuelle Installationsvarianten von Praxis-EDV-Systemen mit Anbindung ans Internet.

Des Weiteren drückt der Gesetzgeber aufs Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems und schafft mit der TI, dem TSVG sowie dem im Referentenentwurf vorliegenden „Digitale Versorgung Gesetz“ den rechtlichen Rahmen für die Einführung klar definierter digitaler Anwendungsszenarien im deutschen Gesundheitssystem.

Diesen Anforderungen müssen sich die Vertragsärzte und auch die Mitglieder des BVOU stellen. Wer sich dem Anschluss an die Telematikinfrastruktur weiter verweigert, wird spätestens ab dem Jahr 2022 von vielen Entwicklungen und Kommunikationspfaden abgehängt und hat mit weiteren Sanktionen zu rechnen, als die aktuell angedrohten Honorarkürzungen.

Der geschäftsführende Vorstand des BVOU empfiehlt in Anbetracht dieser aktuellen Entwicklungen den BVOU-Mitgliedern nunmehr den Anschluss an die Telematikinfrastruktur. Die Einschätzung des BVOU-Gesamtvorstandes wird damit revidiert.

Sollten in der eigenen Praxis-IT-Infrastruktur umfangreichere Sicherheitsmaßnahmen nachzurüsten sein, kann vorübergehend die Installation der Kiosk- bzw. Stand-Alone-Variante der TI erwogen werden, um die gesetzten Fristen zur Anbindung an die TI einzuhalten. Mittelfristig sollte jedoch eine der empfohlenen Installationsvarianten eingeführt werden, um an allen zukünftigen digitalen Diensten teilnehmen zu können, die über die TI eingeführt werden sollen.

Geschäftsführender Vorstand des BVOU, 08.07.2019

Weiterführende Informationen

  1. Informationen von KBV und gematik zur Haftung bei Datenmängeln der TI:
    https://www.kbv.de/html/1150_41119.php
  2. Informationsblatt der Gematik zu Betriebsarten des Konnektors:
    https://fachportal.gematik.de/fileadmin/user_upload/fachportal/files/Service/Anschluss_medizinischer_Einrichtungen_an_die_Tele-matikinfrastruktur__DVO_/Informationsblatt_Betriebsarten-Konnektor_V1.0.0.pdf
  3. Praxisinformationen der KBV zu TI-Installationsvarianten:
    https://www.kbv.de/media/sp/PraxisInfo_TI_Installationsvarianten.pdf
  4. Zentrale Informatinsseite der KBV zur Telematikinfrastruktur: https://www.kbv.de/html/telematikinfrastruktur.php

Höchste Anforderungen an die Akupunktur-Dokumentation durch BSG-Urteil

Wertheim – Akupunktur bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder der Kniegelenke durch Gonarthrose gehört zum kassenärztlichen Leistungsangebot vieler konservativ tätiger Orthopäden. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.2.2019 (B 6 KA 56/17R) könnte vielen Akupunkteuren nun eine Honorarrückforderung drohen: Nach jahrelangem Weg durch die Instanzen hat das BSG in seinem Urteil höchste Anforderungen an die Dokumentation der Eingangsvoraussetzungen für Akupunktur als Krankenkassenleistung bestätigt, wie sie vielen Ärzten nicht bewusst sein dürften.

Danach reicht es nicht aus, dass die Voraussetzung einer 6-monatigen Beschwerdedauer anamnestisch oder durch Ankreuzen auf dem Eingangsdokumentationsbogen festgehalten wird. Der behandelnde Arzt muss den Patienten entweder in den beiden Quartalen unmittelbar vor der Akupunkturbehandlung in der eigenen Praxis wegen dieser Krankheit selbst behandelt haben oder alternativ eine Behandlung bei anderen Ärzten in den beiden Vorquartalen durch vorliegende Arztbriefe nachweisen können. Auch reicht eine frühere Behandlung derselben Krankheit vor diesem 6-Monatsintervall irgendwann in der Vergangenheit als Nachweis einer entsprechenden Beschwerdedauer nicht aus.

Die genauen Einzelheiten zum Urteil sind im separaten Text von BVOU-Justitiar Dr. Heberer dargestellt.

Der Fall in Kürze: BVOU-Mitglied Dr. B. (Name der Redaktion bekannt) hatte Patienten im Quartal II/2007 kassenärztlich mit Akupunktur behandelt. Die Voraussetzungen der Qualitätssicherungsvereinbarung Akupunktur seien bei seinen Patienten erfüllt gewesen, so der betroffene Kollege. Er dokumentierte die Beschwerdedauer in den Behandlungsunterlagen, wie dem üblichen Eingangsdokumentationsbogen für Akupunktur. “Ich habe in bestem Glauben gehandelt, dass diese Dokumentation ausreichend ist” schildert der Betroffene sein Vorgehen. “Ich bin als guter Akupunkteur in der Region bekannt, die Krankenkassen haben mir diese Patienten sogar geschickt!”

Doch der Arzt erlebte sein blaues Wunder: Auf Antrag einer großen Krankenkasse musste die zuständige KV im Jahr 2011 in 69 Behandlungsfällen eine Rückforderung der vergüteten Akupunkturleistungen nach GOP 30790 und 30791 in Höhe von 9.322€ im Rahmen einer Richtigstellung festsetzen, da in den beiden Vorquartalen bei den behandelten Patienten keine entsprechende ICD-Diagnose in den Quartalsabrechnungen kodiert und somit das geforderte mindestens sechsmonatige ärztlich dokumentierte Schmerzintervall nicht festgestellt werden konnte.

Seinem Widerspruch, dass dieses im Eingangsbogen nach EBM 30790 entsprechend dokumentiert sei, wurde nicht stattgegeben. In den vom BVOU als Musterprozess anwaltlich unterstützten Verfahren wiesen sowohl das SG München (S 39 KA 307/12) 2014 als auch das LSG München (L 12 KA 221/14) 2016 die Klage des Orthopäden ab und folgten der Ansicht von KV und Krankenkasse. Wie im Text von Dr. Heberer dargestellt hat sich nun auch das BSG in seiner Entscheidung 2019 den Vorinstanzen angeschlossen. Die entstehungsgeschichtliche Auslegung der Einführung der EBM Ziffern 30790 und 30791 lege nahe, dass Akupunktur als zusätzliche Behandlungsoption mit Ausnahmecharakter nicht schon zu Beginn einer Schmerzbehandlung zum Einsatz kommen solle.

Dr. Karsten Braun, Wertheim, Bezirksvorsitzender Heilbronn-Franken

Versorgungsrealität der Orthopädischen Rheumatologie: Anspruch und Wirklichkeit

Berlin – Seit vielen Jahren besteht ein deutliches Versorgungsdefizit in der Rheumatologie in Deutschland. Vor über zehn Jahren stand in der Präambel eines Kooperationsvertrages des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen (BDRh) und einem Hausärzteverbund das Zitat des BDRh-Vorsitzenden Dr. Edelmann:

„Die umfassende Betreuung von Patienten mit entzündlichen Gelenkveränderungen wie rheumatoider Arthritis, Psoriasisarthritis und auch Morbus Bechterew sind in Deutschland noch weit vom Optimum entfernt.“

Die frühe Überweisung vom Hausarzt zum internistischen Rheumatologen sollte dieses Problem lösen. Weitere Strukturverträge zwischen dem BDRh und Hausärzten mit verschiedenen Krankenkassen folgten unter eindeutigem Ausschluss von Orthopäden und Orthopädischen Rheumatologen.

Memorandum der DGRh 2008

In einem Memorandum zur „Rheumatologischen Versorgung von akut und chronisch Rheumakranken in Deutschland“ der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) aus dem Jahr 2008 wurde die rheumatologische Unterversorgung Deutschlands mit Zahlen belegt und für je 100.000 Einwohner (2) internistische Rheumatologen gefordert (1). Das entspricht einem bundesweiten Bedarf von 1.300 – 1.600 internistischen Rheumatologen. Nach dieser Forderung hätte die Zahl der internistisch-rheumatologisch tätigen Fachärzte seit 2008 nahezu verdoppelt werden müssen. Der Beitrag von Orthopäden und Unfallchirurgen sowie Orthopädischen Rheumatologen war allerdings weder in der Statusfeststellung, noch in den daraus abgeleiteten Forderungen der DGRh für eine Verbesserung der rheumatologische Versorgung berücksichtigt worden.

Statusupdate 2016

Eine Aktualisierung des Memorandums von 2008 wurde als Update 2016 veröffentlicht (1). Es wird festgestellt, dass der Versorgungsbedarf und das Versorgungsdefizit im Vergleich zu 2008 unverändert weiter besteht, sich allerdings die Therapieoptionen und Therapiestrategien (treat to target) sowie die erreichbaren Therapieziele (Remission) verändert haben. Dies habe Auswirkungen auf den rheumatologischen Versorgungsbedarf und führte trotz bestehender Unterversorgung zu einer Ausweitung der von den Rheumatologen beanspruchten Rolle:

„Der internistische Rheumatologe hat die spezifische Aufgabe, die Versorgung von Personen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen, insbesondere mit entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankungen, inflammatorischen/immunologischen Systemerkrankungen, endokrinen und metabolischen Erkrankungen mit rheumatischer Symptomatologie sowie schweren Verlaufsformen anderer muskuloskelettaler Erkrankungen verantwortlich zu leiten, zu steuern und zu begleiten.“

Zu diesem erweiterten Patientenkollektiv gehören in Deutschland ca. 1,5 Mio Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, die von 776 internistischen Rheumatologen versorgt werden sollen (fast 6.000 Patienten pro Arzt).

Trotz dieser bereits eindrucksvollen Dysbalance erklärt die DGRh im Memorandum von 2016 „auf der Ebene der spezialisierten fachärztlichen Versorgung fachärztlich tätige Internisten für die ambulante Versorgung von … rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen zuständig“. Wie will diese kleine Facharztgruppe auch noch weitere muskuloskelettale Erkrankungen behandeln, wenn sie es schon nicht allein schafft, die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zu versorgen? Die DGRh stellte immerhin fest, daß diese Aufgabe von den internistischen Rheumatologen nicht allein zu bewältigen ist. Deshalb soll mit Hausärzten, weitere ärztlichen Fachrichtungen und nichtärztlichen Heilberufen bei entsprechender Qualifikation in der Versorgung unkomplizierter Verläufe zusammengearbeitet werden.

Anspruch und Wirklichkeit der rheumatologischen Versorgung

In dem Memorandum der DGRh werden für eine hochwertige ambulante Versorgung von Rheumapatienten folgende Voraussetzungen gefordert:

Anspruch: Primär versorgende Ärzte (Allgemeinmediziner, Orthopäden etc.) müssen über grundlegendes rheumatologisches Wissen verfügen, um Patienten mit Bedarf an rheumatologischer Mitbetreuung sicher von solchen ohne diesen Bedarf zu unterscheiden.

Wirklichkeit: Kann das wirklich der Allgemeinmediziner? Der Orthopäde und Unfallchirurg lernt dies in seiner Weiterbildung und der Orthopädische Rheumatologe hat diesbezüglich eine 2-jährige Zusatzweiterbildung abgeleistet.

Anspruch: Hat der internistische Rheumatologe eine entzündlich-rheumatische Krankheit festgestellt, so wird er den Patienten entsprechend informieren, die Therapie einleiten und im Bedarfsfall auch die Heil- und Hilfsmittelversorgung vornehmen.

Wirklichkeit: Die Hilfsmittelversorgung erfolgt leider noch viel zu selten in Absprache mit dem Orthopäden und Unfallchirurgen bzw. dem Orthopädischen Rheumatologen.

Anspruch: Bei den meisten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist eine Überwachung des Verlaufs durch den internistischen Rheumatologen in regelmäßigen Abständen erforderlich.

Wirklichkeit: Viele Verläufe sind aus der Erfahrung von Orthopädischen Rheumatologen unkompliziert. Aber eine Kontrolle 1x jährlich könnte nicht schaden.

Anspruch: Ein Patient mit Gelenkschmerzen oder anderen Symptomen einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung benötigt den unmittelbaren Zugang zu seinem Hausarzt. Dieser muss ein rheumatologisches Basiswissen aufweisen, um eine erste Sichtung und ggf. eine Überweisung vornehmen zu können. Hat der primär versorgende Arzt den begründeten Verdacht auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, sollte der Zugang zum internistischen Rheumatologen innerhalb von zwei Wochen gewährleistet sein.

Wirklichkeit: Aktuell beträgt die Wartezeit für einen Termin beim internistischen Rheumatologen ca. drei bis sechs Monate (Prof. Matthias Schneider, Düsseldorf, DGRh-Pressekonferenz 9/2018)  

Versorgungsbedarf und Wartezeiten

Die Differenz zwischen bedarfsgerechter und tatsächlicher Versorgung ist immens. Am 31.12.2015 gab es in Deutschland in der ambulanten internistisch-rheumatologischen Versorgung 665 Vertragsärzte oder angestellte Ärzte und 111 ermächtigte Rheumatologen an Kliniken. Da 155 von diese 665 Ärzten in der hausärztlichen Versorgung standen, waren deutschlandweit sogar nur 510 Fachärzte für die internistisch-rheumatologische Versorgung aktiv, was bei 1,5 Mio Patienten völlig unzureichend ist.

Die Versorgungsrealität dieser Patienten hat sich durch die Memoranden der DGRh seit 2008 nicht verändert, da mit diesen Papieren ausschließlich die Eigeninteressen der internistischen Rheumatologen durchgesetzt werden sollten. Das Ergebnis ist eine Unterversorgung mit daraus resultierenden erheblichen Wartezeiten. Auch perspektivisch besteht wenig Hoffnung auf eine wesentliche Steigerung der Zahl der internistischen Rheumatologen: Die Zahl der derzeit weitergebildeten Ärzte reicht kaum aus, um die aus Altersgründen ausscheidenden Rheumatologen zu ersetzen.

Lösungsvorschläge der DGRh

Im Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie 2016 werden Vorschläge zu Lösung des Problems und ein ausführlicher Forderungskatalog an die Gesundheitspolitik formuliert. Die einfachste Lösung, Orthopäden und Unfallchirurgen und insbesondere die Orthopädischen Rheumatologen in die Primärdiagnostik und -Therapie mit einzubeziehen, findet sich nicht. Der Orthopädische Rheumatologe wird im gesamten Text nur einmalig erwähnt. Allerdings ging es hier konkret darum, ihn aus der Bedarfsplanung herauszuhalten. Dies wohl vor allem im Hinblick auf das ASV-Verfahren Rheumatologie, das 2016 bei einigen Verbänden für eine Goldgräberstimmung sorgte.

Die Rolle der orthopädischen Rheumatologie

Ungeachtet der gewünschten Exklusivität der internistischen Rheumatologen durch die DGRh versorgen Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie seit Jahrzehnten eine erhebliche Zahl von Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen.

Einen ersten Faktencheck liefern zwei jüngst publizierte Übersichtsartikel aus dem Jahr 2018. Die Behandlungsergebnisse bei Patienten mit Rheumatoidarthritis (RA) haben sich in den letzten 20 Jahren erheblich verbessert (2). Dies zeigt sich in einem deutlichen Rückgang der Krankheitsaktivität, einer Verbesserung der Lebensqualität sowie des Funktionsstatus betroffener Gelenke sowie im Anstieg der Erwerbstätigkeit.

Bundesweit werden ungefähr zwei Drittel der RA-Patienten internistisch-rheumatologisch (mit-)betreut. Ein Drittel der Patienten wird von Hausärzten und Orthopäden versorgt. Unsere Fachgruppe wird in der Regel primär von Patienten mit Beschwerden des Bewegungssystems aufgesucht, insbesondere bei Gelenk- und Rückenbeschwerden. Orthopäden und Unfallchirurgen können dank ihrer Weiterbildung eindeutig zwischen entzündlichen und nicht entzündlichen rheumatischen Erkrankungen differenzieren.

Zu beachten ist, daß Orthopäden und Hausärzte unabhängig vom Antikörperstatus ihre Patienten sehr viel seltener mit DMARDs versorgen, als internistische Rheumatologen (2, 3). Dies hat vermutlich mit den Regressängsten vieler Kolleginnen und Kollegen zu tun, kann aber auch in der mangelnden Erfahrung mit Biologica begründet sein.

Den Patienten entgeht in diesen Fällen eine moderne effektive Rheumatherapie. Hier besteht bei Orthopäden und Unfallchirurgen Informations- und Fortbildungsbedarf, wie er z.B. durch das RhefO-Kurskonzept der ADO adressiert wird. Auch die Delegation bestimmter Therapieoptionen und Teilschritte an geschultes Fachpersonal wie die Orthopädisch-Rheumatologische Fachassistenz (ORFA) ist denkbar, um den Versorgungsbedarf zu befriedigen.

Umfrage bei Orthopäden und Unfallchirurgen

Bei einer Umfrage des BVOU unter rheumatologisch aktiven Orthopäden und Unfallchirurgen (allesamt Teilnehmer der RhefO-Kursreihe der ADO) gaben die Antwortenden zu über 40% an, Rheumatoide Arthritiden zu behandeln (Abb. 1). Jeweils ca. 20 % der behandelten Rheumapatienten verteilen sich auf die Diagnosen M. Bechterew, Psoriasisarthritis sowie andere Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises.

Abbildung 1: Diagnoseverteilung von behandelten Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis (n=145). Umfrage des BVOU zur Versorgungsrealität Rheuma 2018.

Aus seiner langjährigen Praxiserfahrung heraus kann Dr. Uwe Schwokowski Erfahrungsberichte bestätigen, daß sich bei Überweisungen von Hausärzten zu internistischen Rheumatologen nur bei 2 von 10 Patienten die Verdachtsdiagnose „Rheuma“ bestätigt. Diese fehlgeleiteten Patienten sind Hauptursache der langen Wartezeiten beim internistischen Rheumatologen.

Würde der Orthopäde und Unfallchirurg und erst recht der Orthopädische Rheumatologe regelhaft in den Versorgungsprozeß einbezogen, könnten viele Fehlüberweisungen vermieden und die Sprechstunden der internistischen Rheumatologen spürbar entlastet werden. Die internistischen Rheumatologen hätten sehr viel mehr Vakanzen für Akutfälle, wirklich bedürftige Rheumapatienten und vor allem die komplexen Therapien bei schweren Verläufen.

Spektrum rheumatologisch tätiger Orthopäden und Unfallchirurgen

Orthopäden und Unfallchirurgen sowie Orthopädische Rheumatologen sind in der täglichen Praxis in der Lage, durch Anamnese und körperliche Untersuchung sowie spezifische Diagnostik wie bildgebende Verfahren (Sonographie und Röntgen) und Laboruntersuchungen, eine Diagnose zu stellen. Sie beherrschen die gängigen Klassifikationssysteme und können selbständig die Initialtherapie starten. Dabei verordnen Sie vor allem Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Glukokortikoide.

Lediglich ein Drittel der Kolleginnen und Kollegen verschreiben auch die moderneren DMARDs regelhaft (Abb. 2). Hier besteht vor allem die Befürchtung, das eigene Arzneimittelbudget zu überziehen und Regressforderungen ausgesetzt zu sein. Dieses Risiko ist heute bei intakter Kommunikation mit der zuständigen KV fast zu vernachlässigen. Bitte wenden Sie sich bei diesbezüglichen Fragen gern an die Autoren oder die BVOU-Geschäftsstelle.

Abbildung 2: Verordnung von Arzneimitteln zur Therapie rheumatischer Erkrankungen in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis (n=147). Umfrage des BVOU zur Versorgungsrealität Rheuma 2018.

Bei einer Umfrage zur Versorgungsrealität bei Orthopäden und Unfallchirurgen, die Rheumapatienten behandeln, gaben knapp 60% der Antwortenden an, bis zu 50 Rheumapatienten pro Quartal zu behandeln. Bei ca. 40% der Antwortenden waren es deutlich mehr (siehe Abb. 2).

Abbildung 3: Anzahl behandelter Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis pro Quartal (n=147). Umfrage des BVOU zur Versorgungsrealität Rheuma 2018.

Bei deutlich größeren Erhebungen zur Versorgungsrealität von Rheumapatienten sind Orthopäden und Unfallchirurgen bei bis zu 30% der Rheumapatienten unmittelbar an der Versorgung beteiligt. Siehe dazu den folgenden Beitrag von Dr. Johannes Flechtenmacher.

Orthopäden und Unfallchirurgen tragen bereits heute zu einer erheblichen Entlastung der internistischen Rheumatologen bei. Dieser Versorgungsbeitrag könnte bei einer Kooperation auf Augenhöhe, wie sie in einzelnen Regionen Deutschlands bereits gelebte Realität ist, in Zukunft noch deutlich gesteigert werden.

Daß diese Kooperationen regional funktionieren, zeigt auch die Erhebung des BVOU. Der Anteil der Kolleginnen und Kollegen, der die Diagnose einer rheumatischen Erkrankung selbst stellt, ist ebenso hoch wie der Anteil der Kollegen, die dies in enger Kooperation mit einem internistischen Rheumatologen tut (Abb. 4).

Abbildung 4: Diagnosestellung bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis (n=147). Umfrage des BVOU zur Versorgungsrealität Rheuma 2018.

Perspektiven für die Orthopädische Rheumatologie

Es wird Zeit, Orthopäden und Unfallchirurgen und die Orthopädischen Rheumatologen als kollegiale Partner wahrzunehmen, die in der Rheumaversorgung eine wichtige Rolle spielen.

Zertifikat „Rheumatologisch fortgebildeter Orthopäde – RhefO“

Über die Akademie Deutscher Orthopäden hat der BVOU seit 2012 spezielle Intensivkurse zur Vertiefung der Kenntnisse in der Rheumatologie für Orthopäden und Unfallchirurgen angeboten. In einem dreistufigen Curriculum wird das nötige Fachwissen von der Früherkennung über die Diagnosestellung bis zum Einstieg in die spezielle Rheumatherapie vermittelt. An diesem Kurssystem haben seither 1.800 Teilnehmer an 75 Wochenendkursen teilgenommen, über 500 Kolleginnen und Kollegen haben alle drei Kurse belegt. Das Zertifikat zum „Rheumatologisch Fortgebildeten Orthopäden (RhefO)“ haben bislang leider deutlich weniger Kollegen beantragt, weil die Regularien neben dem Besuch der Kursreihe bislang den Besuch weiterer Fortbildungsveranstaltungen verlangten. Das Erlangen des RhefO-Zertifikates wurde zum Jahresbeginn 2019 erleichtert. Wer alle drei Kurse des RhefO-Curriculums durchläuft, erhält das RhefO-Zertifikat unter der Bedingung, alle 2 Jahre einen RhefO-Refresherkurs zu belegen. Dies macht wegen der rasanten Entwicklung der Arzneimitteltherapie in der Rheumatologie auch Sinn.

Abbau von Abrechnungshürden und Regressen

Regressängste bei Arzneimittel- und Laborbudgets sowie der unbezahlte Mehraufwand der Rheumaversorgung hält viele interessierte Orthopäden und Unfallchirurgen davon ab, in die Versorgung von Rheumapatienten einzusteigen. Hier sind die Kassenärztlichen Vereinigungen gefordert, Abhilfe zu schaffen und die Rahmenbedingungen für die Beteiligung von Orthopäden und Unfallchirurgen an der Rheumaversorgung attraktiver zu gestalten.

Rheumanetzwerke für die strukturierte Rheumaversorgung

Mit Hilfe von Rheuma-Netzen nach dem folgenden Schema gelingt es vor Ort häufig in interdisziplinärer Kooperation zwischen Hausärzten, Orthopäden und Rheumatologen unkompliziert und unbürokratisch die Versorgung von Rheumapatienten zu optimieren. Wäre dies nicht auch ein Ansatz für ein neues Memorandum aller an der Rheumaversorgung in Deutschland beteiligten Arztgruppen? Gemeinsam können internistische Rheumatologen, Hausärzte sowie Orthopäden und Unfallchirurgen mit der RhefO-Zusatzqualifikation oder der Zusatzweiterbildung „Orthopädische Rheumatologie“ die Versorgung von Rheumapatienten in Deutschland sicherstellen.

Dr. Uwe Schwokowski, Dr. Jörg Ansorg

Literatur

  1. Memorandum zur Versorgungsqualität in der Rheumatologie (2016). Z Rheumatol 2017 · 76:195–207; Springer-Verlag Berlin Heidelberg
  2. Albrecht K, Zink A (2018): Versorgungssituation der rheumatoiden Arthritis in Deutschland. Akt Rheumatol 2018; 43: 369–374; Springer-Verlag Berlin Heidelberg
  3. Strahl A, Schneider O, Frankenhauser-Mannuß J et al. (2018): Prävalenz, Komorbidität und interdisziplinäre Versorgung der Rheumatoiden Arthritis – Versicherungsdaten zur ambulanten und stationären Versorgung in Baden-Württemberg. Z Rheumatol 2018; 77:113–126; Springer-Verlag Berlin Heidelberg

TSVG-Vergütung: KBV und Krankenkassen erzielen Einigung

Berlin – Bei den Verhandlungen zur Umsetzung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) haben Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband sich am Mittwoch, den 19.6. im Bewertungsausschuss auf konkrete Eckpunkte geeinigt. Der Vorstandsvorsitzender der KBV, Dr. Andreas Gassen zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis: „Das TSVG ist leider ein sehr kleinteilig angelegtes Gesetz. Vor dem Hintergrund der nun gemeinsam beschlossenen tragfähigen Lösungen ist es aber möglich, dass sich die vom Gesetzgeber gewollte Mehrarbeit für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte auch auszahlen kann“.

Die nächsten Schritte für die Umsetzung des TSVG seien damit klar geregelt. Das Gesetz war am 11. Mai 2019 in Kraft getreten. Einige Neuerungen gelten seitdem bereits, bei anderen ist dies ab September oder später der Fall.

Eckpunkte

  • Seit dem 11. Mai können Ärzte Untersuchungen und Behandlungen bei Patienten extrabudgetär abrechnen, für die durch die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen oder einen Hausarzt Termine vermittelt wurden. Der BA hat nun die umfassten Leistungen und Regeln zu deren Bereinigung aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung festgelegt.
  • Regelung der extrabudgetären Zuschläge für Termine, welche durch dieTerminservicestellen vermittelt werden (gilt ab 1. September).
  • Zuschlag Terminvermittlung an Facharzt durch Hausarzt: Ab 1. September gibt es für den Hausarzt einen extrabudgetären Zuschlag von zehn Euro je Vermittlung. Voraussetzung: Der vermittelte Termin muss innerhalb von vier Kalendertagen nach Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit durch den Hausarzt liegen.
  • Offene Sprechstunde: Ab 1. September können maximal fünf offene Sprechstunden je Woche extrabudgetär abgerechnet werden. Im Bewertungsausschuss einigte man sich auf die jeweiligen Arztgruppen, die eine offene Sprechstunde anbieten können. Dies sind Augenärzte, Chirurgen, Gynäkologen, HNO-Ärzte, Hautärzte, Kinder- und Jugendpsychiater, Nervenärzte, Neurologen, Orthopäden, Psychiater und Urologen. Nun müssen KBV und GKV-Spitzenverband noch den Bundesmantelvertrag anpassen.
  • Versorgung von Neupatienten: Ab 1. September können Ärzte die Behandlung von Neupatienten extrabudgetär abrechnen. Patienten gelten als Neupatienten, wenn sie seit zwei Jahren nicht mehr in der Praxis behandelt oder untersucht worden sind.

Quelle: KBV

Gesamtüberblick und Fokus auf das Wesentliche

Berlin – Neben der Darstellung des prüfungsrelevanten Wissens bereiten die Referenten die FAB-Teilnehmer in einer simulierten Prüfungssituation auf zu erwartende, konkrete orthopädisch-unfallchirurgische Fragestellungen vor. Bisherige Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer empfinden die Themen- und Formatvielfalt an den sechs Unterrichtstagen als eine gelungene Vorbereitung. Die Akademie Deutscher Orthopäden (ADO) und Ottobock MedicalCare GmbH vergaben auch für den 26. Facharztvorbereitungskurs zwei Stipendien. Auf dem gemeinsamen Grillabend im Garten der DRK Kliniken Berlin Westend haben wir mit der Stipendiatin Bernadett Predel (Kaufbeuren) über die Kurswoche gesprochen.

Du bist eine der glücklichen FAB-Stipendiatinnen: Erzähl uns doch etwas über Deine Tätigkeiten im Fach O und U.
Bernadett Predel: Während meiner bisherigen, fast siebenjährigen, Weiterbildung durfte ich einerseits an zwei regionalen Traumazentren meine Fähigkeiten vor allem in der Akutversorgung von Patienten entwickeln. Dabei erlernte ich die verschiedenen operativen Verfahren der Notfall- wie auch der Elektivtraumatologie und -orthopädie. Andererseits habe ich im vergangenen letzten Jahr die Möglichkeit bekommen, in einer konservativ orientierten orthopädischen Praxis mit Fokus auf Kinderorthopädie und Osteologie, einen Einblick in die nicht-traumatologischen Facetten des Fachgebietes zu bekommen. Mit großem Interesse baute ich meine Fähigkeiten in der konservativen Orthopädie, der manuellen Medizin, der Behandlung häufiger und weniger häufiger kinderorthopädischer Krankheitsbilder sowie osteologischer Verfahren aus und erwarb erste Kenntnisse im Bereich der Akupunktur und Osteopathie.

Berufsbegleitend engagiere ich mich als aktive Bergwachtnotärztin in der Region Allgäu bei der Bergwacht Bayern. In diesem Rahmen übernehme ich dort auch Aufgaben in der notfallmedizinischen Ausbildung der Anwärter und aktiven Einsatzkräfte der im Allgäu und darf seit 2017 das Ressort Notfallmedizin der Bergwachtbereitschaft Kaufbeuren leiten.

Wie geht es jetzt für Dich weiter?
Predel: Im April dieses Jahres habe ich die Tätigkeit am regionalen Traumazentrum Memmingen wieder aufgenommen und auch die Arbeit an einer Promotion mit dem Thema “Abriebinduzierte Lockerung von Knie-Totalendoprothesen” begonnen.

Die Prüfung zum Facharzt für Unfallchirurgie und-Orthopädie möchte ich im Spätsommer dieses Jahres ablegen. Für die Zukunft plane ich zunächst, meine Kenntnisse im Rahmen der Verantwortlichkeiten als Facharzt im klinischen Bereich zu festigen. Im Anschluss erwäge ich die Anstellung in einer orthopädischen Praxis mit teilweiser operativer Tätigkeit.

Wie hast Du vom Facharztvorbereitungskurs der ADO in Berlin erfahren?
Predel: Das war ganz interessant: Ich habe im Rahmen der Rotation in einer Praxis gearbeitet. Ich habe das Glück gehabt, dass ich in eine Praxis gekommen bin, die orthopädisch-konservativ tätig ist. Mein Chef. Dr. Joachim Geis in Memmingen, ist sehr engagiert. Ihm hatte ich erzählt, dass ich auf der Suche nach einem Termin für einen Vorbereitungskurs bin. Er gab mir den Hinweis, dass die Akademie Deutscher Orthopäden (ADO) des BVOU ein entsprechendes Kursformat anbietet und Stipendien vergibt. Daraufhin habe ich mich beworben.

Wie lief der Bewerbungsablauf für das Stipendium ab? Was musstest Du vorbereiten?
Predel:
Das funktionierte alles sehr schnell und unkompliziert. Ich habe meinen Lebenslauf aktualisiert und ein Motivationsschrieben verfasst. Die Unterlagen habe ich direkt zur ADO geschickt. Darauf folgte die Zusage, über die ich mich gefreut habe.

Was gefällt Dir besonders gut am Facharztvorbereitungskurs?
Predel: Mir gefällt, dass die Kurswoche eine komplette Vorbereitung beinhaltet und das gesamte Themenspektrum abgedeckt wird. Deswegen ist es großartig, dass man bei so einem umfangreichen Fach einen Gesamtüberblick bekommt, trotzdem mit einem Fokus auf das Wesentliche. Viele Dozenten weisen auch an bestimmten Stellen darauf hin, was besonders prüfungsrelevant ist. So kann man auch direkt schauen, welche Themengebiete man sich noch einmal genauer anschauen sollte.

Hast Du auch Verbesserungsvorschläge bezüglich des Ablaufs oder Organisation?
Predel:
Ich habe einmal bei einer anderen Fortbildungsveranstaltung erlebt, dass 20-minütige Impulsvorträge gehalten wurden. In kürzester Zeit kann man auf diesem Weg wirklich geballtes Wissen vermittelt bekommen und dieses auch sehr gut behalten. Die Informationen ließen sich gut verdauen, denn man hatte zwischen den Vorträgen jeweils eine fünfminütige Pause, bevor der nächste Vortrag an der Reihe war. Das Konzept empfand ich als sehr produktiv. Auf der anderen Seite bin ich mir nicht sicher, inwieweit das auf unser Fach angewandt werden könnte – in O und U gibt es so viele verschiedene große Themengebiete, die man wahrscheinlich splitten müsste.

Ganz neu ist die Event-App. Wie hast Du diese wahrgenommen? Empfindest Du den Einsatz als geglückt?
Predel:
Auf jeden Fall. Besonders toll fand ich den Einsatz beim Kindertraumatologie-Vortrag aufgrund der Fallbeispiele und der Fragen dazu. Anhand der Beantwortung der Fragen konnten wir nachvollziehen, wer an den Fall konservativ, wer operativ rangehen würde. Für die Entscheidungsfindung dieser Kernfrage war die App super.

Bernadett, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Janosch Kuno, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit BVOU.