Leonie Beck ist deutsche Goldhoffnung in Paris. Ihr Vater Prof. Alexander Beck ist Mannschaftsarzt der Olympiaauswahl und betreut sie. DocCheck hat mit beiden gesprochen und Einblicke in die ärztliche Versorgung der Sportler bekommen.
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Verletzungsprävention im Schwimmsport – Ein Vater-Tochter Gespräch
Neben der Fußball-EM in Deutschland steht dieses Jahr im Zeichen eines weiteren sportlichen Großevents: Die 33. Olympischen Sommerspiele in Paris. Mit dabei: Leonie Beck. Sie ist Deutschlands erfolgreichste Freiwasserschwimmerin und Weltklasseschwimmerin. Bei ihrer Vorbereitung zu ihrem olympischen Rennen über 10 Kilometer am 8. August in Paris haben wir sie beim zweiten 10km Weltcup am 24.Mai. 2024 in Golfo Aranci (Sardinien) besucht und durften sie dann nochmals nach den Europameisterschaften im Freiwasserschwimmen im Juni in Belgrad zu ihrer Trainingsvorbereitung für Paris interviewen.
Das Interview führte ihr Vater Prof. Dr. Alexander Beck. Prof. Beck ist Chefarzt für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Juliusspital in Würzburg und Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des BVOU. Mittlerweile ist er ehrenamtlich Verbandsarzt der Freiwasserschwimmer im Deutschen Schwimmverband und als deutscher Vertreter Mitglied im Medical Board der Ligue Européenne de Natation (LEN) bin. Die LEN ist der europäische Dachverband für Wassersport und hat seinen Sitz in Luxemburg.
Hallo Leonie, wie läuft Deine Vorbereitung für diesen so wichtigen Sportsommer?
Leonie Beck: Ich trainiere nun schon seit den letzten Olympischen Spielen 2021 in Japan und in Italien, Ostia. Dort habe ich neben einer tollen internationalen Trainingsgruppe auch einen Spitzentrainer, was ganz hervorragende Bedingungen für mich sind. Zudem haben wir hier die Möglichkeit, zweimalmal die Woche direkt 100m vom Trainingspool im Meer zu trainieren, was es mir für meine Sportart Freiwasserschwimmen leichter macht.
Beim Weltcup in Golfo Aranci konntest Du einen starken 3. Platz gewinnen, in Belgrad bist Du Doppeleuropameisterin (über 5 und 10km) geworden, aktuell bist Du Führende im Gesamtweltcup. Was ist das für ein Gefühl, so kurz vor Deinem Jahreshöhepunkt vor Paris so stark zu sein.
Beck: Ich bin verständlicherweise sehr zufrieden mit den letzten Monaten und gleichzeitig gibt das enorm viel Selbstvertrauen und macht die harten Trainingstage etwas erträglicher vor Paris. Andererseits wird für den 8. August alles wieder auf Null gesetzt und die Karten neu gemischt, deswegen will ich den guten Ergebnissen auch nicht zu viel beimessen und muss weiter hart arbeiten.
Die aktuellen Wettkämpfe finden vorwiegend in kaltem Wasser statt, was bedeutet das für Dich?
Beck: Ich persönlich bin überhaupt kein Fan von Schwimmen in kaltem Wasser, aber ich arbeite daran, mich dort zu verbessern. Es ist wie bei einem guten Motor, der braucht auch eine vernünftige Betriebstemperatur, um optimal arbeiten zu können. Man wird sehen, wie im Endeffekt die Wassertemperatur in Paris sein wird, alle sprechen von relativ kaltem Wasser beim Wettkampf, ich bin da eher zuversichtlich, auch wenn ich schon jetzt versuche, im Training und bei den Wettkämpfen mit kalten Umgebungstemperaturen besser klarzukommen.
Beim Weltcup in Sardinien waren die Wassertemperaturen deutlich unter 20 Grad Celsius.
Beck: Das ist richtig, knapp über 18 Grad waren es hier. Umso erfreulicher war es für mich festzustellen, dass ich trotz kalter Wassertemperatur vorne mitschwimmen kann, was mir natürlich Hoffnung macht.
Deine finale Trainingsvorbereitung für die Olympischen Spiele wird jetzt im Juli in Livigno in der Höhe stattfinden. Wie sieht dort Dein Tagesablauf aus?
Beck: Die meisten Tage trainieren wir doppelt. Das bedeutet mit Vor- und Nachbereitung morgens drei Stunden und nachmittags drei bis dreieinhalb Stunden. Dazwischen geht es an die Regeneration und Essen. Die meiste Zeit schwimmen wir natürlich, aber auch Krafttraining, Gymnastik und Dehnung gehören zum Training.
Es gibt aktuell noch viele Diskussionen über die Wasserqualität in der Seine, aber auch die Sicherheit von Athleten und Zuschauern mitten in Paris wird bei der aktuellen Sicherheitslage in der gesamten Welt hinterfragt. Wie siehst du das in Bezug auf Deinen Start am 8. August?
Beck: Gerade die Wasserqualität macht mir sehr große Sorgen. Wenn es bei solch hohen E. coli-Werten bleiben sollte, halte ich es nicht für vertretbar, uns Athleten in der Seine schwimmen zu lassen. Gott sei Dank gibt es mittlerweile einen Plan B, einen See, auf dem auch die Ruder Wettbewerbe ausgetragen werden. Mir persönlich wäre das lieber, da dann nicht die Angst vor einer Erkrankung mitschwimmt. Zudem wäre es auch sicherheitspolitisch unbedenklicher, wenngleich auch die Kulisse vor dem Eiffelturm sicher ihren Charme hat.
Was sind die häufigsten Sportverletzungen, die bei Euch beim Schwimmsport auftreten?
Beck: Im Freiwasserschwimmen gibt es immer mal Verletzungen an scharfen Kanten, wie sie beispielsweise an Riffen, Steinen und Unrat im Wasser zu finden sind. Es können auch Verletzungen durch Quallen entstehen.
Darüber hinaus ist im Schwimmsport vor allem die Schwimmerschulter immer wieder ein Problem. Das kommt durch ein Missverhältnis in der Schultermuskulatur: In diesem Fall sind die Innenrotatoren deutlich stärker gefordert als die Außenrotatoren und deshalb kräftiger trainiert. Dieses Ungleichgewicht kann dazu führen, dass der Oberarmkopf nicht richtig zentriert wird und er höher steht. Die Enge unter dem Schulterdach führt zu einer Schleimbeutelreizung, einem Impingementsyndrom.
Durch konsequentes Training der Schultermuskulatur und der Rotatorenmanschette (u.a. sog. Rhomboideustrainer) lässt sich eine Schwimmerschulter am besten vermeiden. Die Muskeln müssen dabei gekräftigt und ins Gleichgewicht gebracht werden. Zudem sind Mobilisation, Massage des Bindegewebes, Übungen mit dem Theraband und Dehnen wichtig.
Du bist eine ausgewiesene Expertin im Freiwasserschwimmen. Was kannst Du anderen Schwimmern für Tipps geben, wie man sich aufs Schwimmen in offenen Gewässern vorbereitet?
Beck: Grundsätzlich lieber erstmal in einem See als in einem fließenden Gewässer anfangen zu üben. Am besten eine Schwimmboje um den Bauch binden und damit trainieren. Zudem sollte man fit genug sein, längere Strecken am Stück zu schwimmen, da in offenen Gewässern nicht jederzeit eine Wand (wie im Schwimmbad) wartet an der man sich festhalten kann. Zudem muss man ein wenig an der Orientierung arbeiten und immer mal wieder nach vorne atmen und schauen, ob man noch auf dem richtigen Weg ist.
Was sind die Hauptgefahren und wie kann man sie minimieren?
Beck: Bei Strömung und kalten Temperaturen aufpassen. Am besten nur an bewachten Badestellen schwimmen, sodass immer jemand im Notfall eingreifen kann. Zudem niemals sich selber überschätzen, lieber etwas weniger schwimmen und kleinere Runden, um jederzeit wieder nah am Ufer zu sein.
Ernährung und Langstreckenschwimmen: Welche Tipps hast Du parat?
Beck: Eine ausgewogene Ernährung mit vielen Vitaminen, Kohlehydraten und Proteinen. Gerade direkt nach dem Training sollte man die Speicher schnell auffüllen (ich mache das mit einer Schokomilch) und dann abends richtig essen. Zudem bei körperlicher Anstrengung alle 60min ca. 40 Gramm Kohlenhydrate zu sich nehmen bei körperlicher Anstrengung. Je nach Belastung gerne auch mehr.
Liebe Leonie, wir möchten uns ganz herzlich bedanken für Dein Interview. Wir wünschen Dir für Paris nur das Beste, und hoffentlich den Tag Deines Lebens, wo Du Dir alle Ziele, die Du Dir gesetzt hast, auch erfüllen kannst.
Karrieren im Spitzensport und in der Orthopädie
Wertheim – Eine Karriere im Spitzensport und als Arzt miteinander zu vereinbaren, stellt Anforderungen an diejenigen, die beides erfolgreich schaffen wollen. Ein besonderes Interesse am Bewegungsapparat darf dem Sportler dabei per se unterstellt werden. So wundert es nicht, dass sich gerade bei sportlich erfolgreichen Medizinern ein hoher Anteil im Fachgebiet von O und U wiederfindet. Wir haben uns auf die Suche gemacht und wollten mit orthopädischen Fachkollegen sprechen, die nicht nur im Beruf Orthopäde, sondern auch im Sport Spitzenleistungen vollbracht haben. Davon gibt es eine ganze Reihe, man denke beispielsweise an Schwimmer Roland Matthes, Turner Hans-Peter Boschert oder Zehnkämpfer Siegfried Wentz.
Der Grandseigneur in diesem Kreis ist Prof. Dr. Thomas Wessinghage (Abb. 1). Der 1952 im westfälischen Hagen geborene Mittel- und Langstreckenläufer wurde in den Jahren 1972–1984 viermal für die deutsche Olympiamannschaft nominiert, erzielte mehrfach Europameisterschafts-, Weltcup und Europacupsiege und erlief sich insgesamt 22 Mal den Titel Deutscher Meister. Auch heute noch hält er aktuell gültige deutsche Rekorde auf 1500 m und 2000 m. Als Facharzt für Orthopädie ist er nach Tätigkeiten in Norderstedt, Mettlach- Orscholz und Damp seit 2008 in den Medical Park Kliniken im Tegernseer Tal tätig. Aus dem Süden kommt Dr. Wolfgang Birkner, Jahrgang 1960 (Abb. 2). Nach Kliniktätigkeit in Ulm und Rheinfelden ist er seit 2013 leitender Arzt der Orthopädischen Klinik Stuttgart-Botnang. Als Ruderer im Leichtgewicht wurde er in den Jahren 1983 bis 1990 zehnmal Deutscher Meister und 1984–1987 dreimal Vizeweltmeister. Derselben Sportart hat sich auch der 1976 geborene und in Wertheim am Main aufgewachsene Dr. Sebastian Thormann (Abb. 3) verschrieben. Er kann stolz sein auf 15 Deutsche und einen Schweizer Meistertitel, den Junioren Weltmeistertitel 1993, mehrere Vizeweltmeistertitel und Siege bei Nations-, World- und Canal-Cup. Nach Kliniktätigkeit in Cambridge, Luzern und Emmentall ist er heute in einer Praxis mit Belegarzttätigkeit im Medicum Wesemlin in Luzern tätig. Unvergesslich ist auch die Mannschafts-Goldmedaille und die Silbermedaille im Einzel der Tauberbischofsheimer Fechterin Dr. Sabine Bau (Abb. 4) bei den Olympischen Spielen in Seoul 1988. Insgesamt 23 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften im Damenflorett hat sie erkämpft, bevor sie nach Facharztausbildung in Creglingen, Würzburg und Bad Mergentheim zur Orthopädin wurde und derzeit als Oberärztin am dortigen Caritas-Krankenhaus tätig ist.
Wie sind Sie zu Ihrer Sportart gekommen?
Prof. Dr. Thomas Wessinghage: Das war eher eine zufällige Initialzündung durch die Bundesjugendspiele 1966 und die dabei erfolgreiche Teilnahme am 1000 m-Lauf.
Dr. Wolfgang Birkner: In der Schule suchte unser Sportlehrer für „Jugend trainiert für Olympia”. Die Aussicht an der Teilnahme mit Bundesfinale in Berlin, damals noch geteilt, war attraktiv. Dafür war ich bereit, sechsmal in der Woche zu trainieren. Der Ruderclub wurde zum Lebensmittelpunkt.
Dr. Sebastian Thormann: Ich habe schon sehr früh viel Sport getrieben, anfänglich sehr viele unterschiedliche Sportarten, bis ich dann zum Rudern gekommen bin. Mein Vater war Mitglied im Ruderverein und da bin ich mal mitgegangen. Die sportliche Betätigung im Freien und auf dem Wasser bei Wind und Wetter, verbunden mit der Eleganz eines Ruderbootes.
Dr. Sabine Bau: Bei mir war das Zufall, bzw. kam durch meine Mutter, auch ebenfalls Ärztin. Ihr Kollege war Fechter. Sie schlug vor, dass meine Schwester und ich das mal probieren sollten. Mich hat der Facettenreichtum der Sportart gefesselt.
Weshalb sind Sie Orthopäde/in geworden?
Prof. Wessinghage: Eigentlich war ich im Herzen Unfallchirurg. Aufgrund der größeren Variationsbreite im Tätigkeitsfeld des Orthopäden im Vergleich zum Unfallchirurgen, habe ich die Orthopädie als Fachbereich vorgezogen, damals war das noch getrennt.
Dr. Birkner: Nach dem Studium wollte ich immer irgendetwas mit „Sport“ studieren. Ich entschied mich zunächst für das Lehramt Sport/Physik. Sport war super, Physik nicht. Deshalb wechselte ich dann auf Medizin. Nach dem Ende meines Studiums war es schwierig, überhaupt eine Stelle zu bekommen. Deshalb zunächst Unfallchirurgie in Ulm und danach Wechsel zur Orthopädie in Rheinfelden.
Dr. Thormann: Es war schon sehr lange mein Ziel. Eigentlich schon vor dem Studium. Ich wollte etwas mit dem Schwerpunkt Bewegungsapparat machen, verbunden mit dem Sport. Orthopädie, verbunden mit Manueller Medizin, Osteopathie, Chiropraktik, waren meine initialen Vorstellungen. Heute ist es eher die klassische Orthopädie inklusive der Operationen am Bewegungsapparat und die Traumatologie.
Dr. Bau: Der Wunsch, diesen Facharzt zu machen, wurde durch den Sport schon sehr früh geweckt. Im Laufe der klinischen Semester kam für mich keine andere Fachrichtung mehr in Frage. Ich wollte schon immer konservative Orthopädin werden.
Wie haben Sie es geschafft, sportliche Karriere und Studium bzw. ärztliche Tätigkeit miteinander zu vereinbaren?
Prof. Wessinghage: Fleiß, Organisation und Unterstützung durch Vorgesetzte. Dank an meine Chefs Dr. Axel Thiel im Krankenhaus für Sportverletzte Hellersen und Prof. Dr. Gerd Biehl, St. Franziskus Krankenhaus Köln. Und letztlich natürlich die Freude an der Bewegung.
Dr. Birkner: Während des Studiums in Tübingen wohnte ich noch bei meinen Eltern!! Super, Kühlschrank immer voll, Wäsche wurde gewaschen. Da kann ich mich bei meinen Eltern nur ganz herzlich dafür bedanken!!
Dr. Thormann: Ich war sehr zielorientiert und fokussiert. Neben Studium und Sport gab es kaum etwas anderes. Sicherlich habe ich etwas länger fürs Studium gebraucht, da ich einige Ausfallzeiten hatte. So musste ich das Physikum wegen der Teilnahme an der Weltmeisterschaft verschieben. Danach war es immer ein Spagat zwischen Sport und Studium. In den Olympiajahren mussten wir aufgrund der vielen Trainingslager und Abwesenheiten Urlaubssemester nehmen.
Dr. Bau: Gutes Zeitmanagement, ein Verein, der darauf ausgerichtet war, es den Sportlern zu ermöglichen, ein Studium oder einen Beruf auszuüben und ein Trainer, der sich sehr auf meine Bedürfnisse eingestellt hat.
Was empfanden Sie in Ihrer Zeit als aktive/r Sportler/in in der eigenen sportorthopädischen Betreuung am wichtigsten? Was raten Sie Kolleginnen und Kollegen, die sich in diesem Bereich neu engagieren möchten?
Prof. Wessinghage: Meine sportorthopädische Betreuung als Athlet fiel mangels Bedarfs sehr gering aus: Keine Massagen, keine Physiotherapie; gelegentliche Blessuren stammten aus Unfällen, z. B. beim Fußball oder Basketball. Mein Rat: „man kann alles übertreiben“ oder auch „Konzentration auf das Wesentliche“!
Dr. Birkner: Ich hatte kaum orthopädische Probleme. Die sportmedizinische Diagnostik war wichtig und als Trainings- Steuerung hervorragend geeignet, damals bei Prof. Jeschke in Tübingen. Da habe ich dann auch meine Promotionsarbeit gemacht.
Dr. Thormann: Das gegenseitige Vertrauen und dass man „seine“ Sportler kennt. Eine gewisse Nähe zu dem Sportler macht die Arbeit leichter und effizienter. Außerdem ist es von Vorteil, wenn die Sportler wissen, dass man den Sport selber gemacht hat und weiß wovon sie reden. Rat? Das muss jeder für sich selber selbst herausfinden. Prinzipiell aber Begeisterung für den Sport, denn der Aufwand ist enorm. Eine Vergütung gibt es meist kaum bis gar nicht. Der Dank der Sportlerinnen und Sportler ist aber meist Lohn genug.
Dr. Bau: Für mich waren Vertrauen und Ehrlichkeit von großer Bedeutung. Schon damals war es mir wichtig, auf meine Ressourcen zu achten und meine Gesundheit möglichst wenig zu gefährden. Die Betreuung von Spitzensportlern erfordert sehr viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl.
Gab es während Ihrer sportlichen Karriere einmal bedeutende, eigene sportorthopädische Probleme, Verletzungen, Operationen? Wie und von wem wurden sie gelöst?
Prof. Wessinghage: Besagte Unfälle ereigneten sich nicht beim Lauftraining. Ausnahme: eine Fissur des Os naviculare, die auf einen Sturz in einem zahlenmäßig überbesetzten Rennen 1984 zurückzuführen war und mich die Olympiateilnahme 1984 kostete. Ich hatte hervorragende, aber selten benötigte Betreuung durch Dr. Axel Thiel, Hellersen und Dr. Bernhard Segesser, Basel.
Dr. Birkner: In der Übergangszeit Junior zu Aktiv, während der Bundeswehrzeit, verletzte ich mich am Handgelenk (Naviculare- Fraktur). Ich sollte schon im Bundeswehr-Krankenhau Wildbad operiert werden… Dann doch konservativ, drei Monate Gips. Damit kann man auch gut trainieren… Ich hatte Glück, dass dies auch ohne OP gut ausgeheilt war.
Dr. Thormann: Prinzipiell hatte ich Glück in meiner Karriere. Neben den üblichen Verschleißproblemen und kleineren Verletzungen, habe ich erst am Ende meiner Karriere wegen einer schlimmeren Verletzung schlussendlich meine Karriere beendet. Ein unverschuldeter Fahrradunfall mit einer langwierigen Rückenverletzung, hat letztendlich meine Karriere beendet. Es war eine schwierige Zeit, eigentlich hatte ich noch vieles im Sport vor, aber die Gesundheit hat es dann nicht mehr erlaubt. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich mich mit dem Karriereende schwer getan habe, da es nicht wirklich freiwillig war und ich nicht darauf vorbereitet war. Außerdem brach für mich eine Welt zusammen und der geregelte Tagesablauf sowie die Kameradschaft unter den Sportlern war weg. Eine schwierige Zeit.
Dr. Bau: Es gab ständig irgendwelche Probleme – Gott sei Dank vor allem kleinere Wehwehchen, die die Physios in den Griff bekamen. Doch blieben Verletzungen nicht aus. Es gibt viele Namen, die ich hier aufzählen könnte – die Liste würde auf jeden Fall zu lang. Jeder Betreuer von Großereignissen hat seinen wichtigen Beitrag geleistet. Diesen und allen anderen Kollegen, die sich für die Sportler engagieren, möchte ich hier DANKE sagen.
Haben Sie sich selbst in der orthopädischen Betreuung von Sportlern weiter engagiert, wenn ja wie?
Prof. Wessinghage: Ich war für einige Jahre Verbandsarzt des Deutschen Leichtathletik Verbandes. Die Bemühungen um meine nicht ganz so sportlichen Patienten standen für mich aber immer – auch zeitlich – im Vordergrund, von denen viele auch sehr sportlich sind – aber eben keine Hochleistungssportler.
Dr. Birkner: Lediglich lokal im Verein, RC Rheinfelden.
Dr. Thormann: Ich habe schon während meines Studiums häufig die Betreuung in den Trainingslagern oder im Stützpunkt mit übernommen und in der Zeit sehr eng mit den ärztlichen Kollegen zusammen gearbeitet. Nach meinem eigenen sportlichen Karriereende bin ich ins Ausland gegangen. Natürlich lag der Fokus in der Zeit auf der eigenen Ausbildung. Da ich zu diesem Zeitpunkt im Vorstand der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) ehrenamtlich gearbeitet habe, war meine Zeit begrenzt, mich auch noch in einem Sportverband zu betätigen. Außerdem wollte ich nicht in einen Konflikt mit der Arbeit bei der NADA geraten. In der klinischen Tätigkeit war ich meist der Ansprechpartner im kollegialen Umfeld und hatte entsprechende Schwerpunkte in meiner Sprechstundentätigkeit. Inzwischen bin ich soweit aufgestellt, dass ich eine Vielzahl an Sportlern in meiner Praxis sehe und über entsprechende Kooperationen auch direkter Ansprechpartner von Trainern und Vereinen bin.
Dr. Bau: Ich habe eine gewisse Zeit die Physiotherapie im ehemaligen Olympiastützpunkt als ärztliche Leitung unterstützt und bin Mitglied der Medizinischen Kommission des Deutschen Fechterbundes.
Welchen anderen Teilbereich der Orthopädie außerhalb der Sportorthopädie mögen Sie am liebsten und warum?
Prof. Wessinghage: Wie bereits erwähnt, empfinde ich die Unfallchirurgie als besonders befriedigend für den handelnden Arzt. Auch hat mir die manuelle Tätigkeit immer die größte Freude bereitet. Heute würde ich meine Aufgabe als die eines „Controllers“ und „Coaches“ bezeichnen. Die meisten Patientengespräche drehen sich um die Notwendigkeit, Patienten die Wichtigkeit der Eigeninitiative für die eigene Gesundheit zu erläutern.
Dr. Birkner: Mein Lehrer Prof. Henche hat in den 70er Jahren die Arthroskopie in Deutschland publik gemacht. Ich habe von ihm den traditionellen Arthroskopiekurs in Arosa übernommen, wo jedes Jahr ca. 100 Ärzte die Arthroskopie erlernen und in Kursen vertiefen.
Dr. Thormann: Natürlich ist der konservative Bereich, in den ich die Prävention explizit mit integriere, ein wichtiger Teil meiner Tätigkeit. Inzwischen ist der Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit und des Wohlbefindens ein großer Teil meiner Tätigkeit gewidmet.
Dr. Bau: Mich fasziniert die konservative Orthopädie. Ich glaube, dass das Potential der konservativen Therapie nicht immer ausgeschöpft wird.
Wie beurteilen Sie die Zukunft für unser Fach? Wo sehen Sie die Herausforderungen? Können Sie jungen Menschen heute noch den Rat geben, Arzt bzw. Orthopäde zu werden?
Prof. Wessinghage: Unser Fach wird in Zukunft nicht an Bedeutung verlieren. Die Schwerpunkte sind operativ heute zwar in Richtung Endoprothetik verschoben, aber das Fach weist eine enorme Bandbreite auf – von ganz jungen zu hochbetagten Patienten, angeborene und erworbene Krankheitsbilder betreffend, konservative und operative Therapieansätze bietend. Und ein wichtiger Aspekt aus meinem Blickwinkel: In der Orthopädie und Unfallchirurgie haben wir nach Abschluss einer Behandlung eine hohe Zahl geheilter oder doch zumindest sehr zufriedener Patienten.
Dr. Birkner: Es wird schwierig, das gesamte Gebiet der Orthopädie, mit neuem Facharzt inklusive Unfallchirurgie, zu überblicken. Ich finde es irgendwie schade, dass viele Ärzte sich auf ein kleines Gebiet hoch spezialisieren. Der „Gesamt-Patient“ rückt damit etwas in den Hintergrund. Eine breite „orthopädische Grundausbildung“ halte ich für absolut erforderlich. Das Berufsziel „Orthopäde“ kann ich auch heute noch empfehlen!!
Dr. Thormann: Die Zukunft liegt in der Stärkung unseres Faches. In der Kommunikation darüber, was wir alles Gutes tun können und auch machen. Und dass wir es hoffentlich schaffen, uns gegen die ganzen politischen Entwicklungen besser zu positionieren, diese mitgestalten und dass wir wieder mehr Zeit für unsere Patienten haben. Unser Augenmerk sollte auf dem Patienten liegen und der Qualität unserer Versorgung. Ich erlebe es tagtäglich in der Praxis, dass man durch ein gut geführtes Gespräch mit Erklärungen und Aufklärung der Patienten häufig viel erreichen kann und zufriedene Patienten hat. Medizin ist kein Geschäft, die ewige Diskussion um die Wirtschaftlichkeit ist zwar wichtig, beschädigt aber unseren schönen Beruf. Ja klar, ich freue mich immer wieder über Studenten und Assistenten, die in unserer Praxis hospitieren und die man für unsere schöne Tätigkeit begeistern kann. Ich hoffe, dass wir das Boot wieder etwas in die richtige Richtung gesteuert bekommen, und miteinander als Team können wir wesentlich mehr erreichen, als wenn wir als Einzelkämpfer auftreten und nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind. Eine Begeisterung für den Bewegungsapparat sollte man auf jeden Fall mitbringen, alles andere wird sich dann schon ergeben!
Dr. Bau: Die Menschen werden immer Ärzte brauchen – also kann ich auf jeden Fall jungen Menschen den Rat geben, Arzt und besonders Orthopäde zu werden. Unser Fach ist für mich noch immer eines mit Fingerfertigkeit, Fingerspitzengefühl, mit Patienten unterschiedlichen Alters und viel Menschenkenntnis. Wir finden hier viele Ansichten wieder, die wir auch in der Berufspolitik immer wieder diskutieren.
Wir danken Ihnen für das interessante Interview mit den Einblicken in Ihr Leben als Arzt und Sportler und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute!
Das Interview führte Dr. Karsten Braun, BVOU-Bezirksvorsitzender Heilbronn-Franken