Berlin – Laut dem Mitte 2015 in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sind die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) verpflichtet, regionale Terminservicestellen (TSS) zur Vermittlung von Facharztterminen für gesetzlich krankenversicherte Patienten einzurichten. Dank der neuen Servicestellen sollen lange Wartezeiten auf einen Termin beim Facharzt bald der Vergangenheit angehören. Nach langen Debatten über den Sinn und die Notwendigkeit solcher zentraler Terminvergabestellen, werden diese wie geplant zum 23. Januar – bzw. am darauffolgenden Montag, den 25. Januar – ihre Arbeit aufnehmen.
Mitte Dezember haben sich die kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in einer gemeinsamen Vereinbarung auf die Eckpunkte des neuen Terminservice der KVen geeinigt. In der Anlage zum Bundesmantelvertrag für Ärzte heißt es, dass die TSS als „zusätzliche Maßnahme zur Sicherstellung der angemessenen und zeitnahen Zurverfügungstellung der fachärztlichen Versorgung“ dienen sollen.
Eckpunkte des neuen Terminservice
Patienten mit einer dringlichen Überweisung, die selbst keinen Facharzt bzw. freien Termin finden konnten, können sich künftig an die TSS wenden. Die Vergabestellen müssen dem Patienten innerhalb einer Woche einen Termin vorgeschlagen, der spätestens vier Wochen nach Bekanntwerden des Vermittlungswunsches liegt. Der Versicherte hat dabei keinen Anspruch auf einen Termin bei einem bestimmten Arzt.
Festgelegt ist lediglich, dass sich der behandelnde Facharzt in zumutbarer Entfernung zum Wohnort des Patienten befinden muss. Ein vermittelter Facharzt muß laut der Vereinbarung von KBV und GKV bei allgemeiner fachärztlicher Versorgung (z.B. Orthopäden) in Reichweite des nächstgelegenen Facharztes plus 30 Minuten (mit öffentlichen Verkehrsmitteln) befinden. Spezialisierte Fachärzte (z. B. Kinder- und Jugendpsychiater, Fachinternisten oder Radiologen) können bis zu 60 Minuten vom Wohnort des Patienten entfernt sein. Kann ein Patient den vermittelten Termin nicht wahrnehmen, so kann er maximal einen Ausweichtermin verlangen.
Vom Terminservice ausgenommen sind Bagatellerkrankungen, Routineuntersuchungen und Vorsorgetermine. Um diese Fälle von den Überweisungen mit dringlichem Behandlungsbedarf unterscheiden zu können, sollen letztere vom überweisenden Arzt mit einer zwölfstelligen Codenummer versehen werden. Die Nummern bekommt der Arzt von seiner KV auf Klebeetiketten zur Verfügung gestellt. Langfristig soll der Code direkt aus dem Praxisverwaltungssystem auf die Überweisung gedruckt werden können.
Sollte die TSS keinen Termin bei einem niedergelassenen Facharzt anbieten können, muss sie dem Patienten einen ambulanten Behandlungstermin in einem Krankenhaus vermitteln. Hierzu sind die KVen aufgefordert, mit den Krankenhäusern auf eigene Kosten entsprechende Behandlungsverträge zu schließen, um die Versorgung der Patienten sicherzustellen.
Umsetzung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen
Wie die 16 KVen die Vorgaben des Gesetzgebers zur Einrichtung der TSS im Einzelnen umsetzen, bleibt ihnen selbst überlassen. Dies betrifft auch die Anzahl an Terminen, welche die niedergelassenen Fachärzte den Terminvergabestellen melden müssen. Hierbei verfahren die KVen größtenteils nach dem Prinzip der Freiwilligkeit und geben im Höchstfall Richtwerte vor. Bei der KV Berlin beträgt dieser Richtwert beispielsweise zwei Termine pro Arzt und Monat.
Problematisch könnte es werden, wenn nicht genügend Fachärzte freiwillig ihre freien Terminkontingente angeben. Für diesen Fall seien von einigen KVen, wie zum Beispiel Baden-Württemberg, bereits Satzungsänderungen vorbereitet worden, mit denen eine Beteiligung an dem Vergabesystem zur Not auch zur Pflicht gemacht werden könnte, berichtet die Frankfurter Allgemeine. Eine Alternative zu dieser Vorgehensweise wäre die Schaffung von Anreizen für teilnehmende Haus- und Fachärzte. In Sachsen beispielsweise, wo ein zentrales Terminvermittlungssystem bereits Ende 2014 auf eigene Initiative eingerichtet wurde, erhalten teilnehmende Mediziner einen Honorarzuschlag.
Bei der technischen Umsetzung der Terminvergabe werden die KVen durch die KV Telematik GmbH unterstützt, die im Auftrag der KBV einen eTerminservice entwickelt hat. Dieser besteht aus einer Webanwendung mit möglicher Schnittstelle zum Praxis-Terminmanagement. Fachärzte können ihre freien Termine über ein Online-Portal angeben oder alternativ auch per E-Mail oder Fax mitteilen. Wird ein Termin vergeben, erhält der Arzt eine Rückmeldung vom System mit den Daten des Patienten. Dieser wendet sich mit seinem Vermittlungswunsch telefonisch an die TSS. Später sollen Patienten einen Termin allerdings auch selbst elektronisch buchen können. Mindestens 10 KVen setzen den eTerminservice ab 23. Januar für ihre TSS ein, teilte Helena Dreznjak, Leiterin Marketing & PR bei der KV Telematik GmbH, der Ärztezeitung mit. Genauere Informationen zur jeweiligen Umsetzung des Terminservice erhalten Fachärzte und Patienten auf den Internetseiten der KVen.
Kritik von KVen und niedergelassenen Fachärzten
Der allgemeine Tenor der KVen und ihrer Mitglieder gegenüber der zentralen Terminvergabe ist nach wie vor durch Skepsis und Kritik geprägt. Denn für sie bedeutet die Einrichtung der TSS zunächst einen bürokratischen und finanziellen Mehraufwand. Bei der Jahrespressekonferenz der KV Bayern Anfang Dezember betonte der erste stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Pedro Schmelz, dass der „Eingriff des Gesetzgebers in die Terminvergabe der niedergelassenen Ärzte“ weder sinnvoll noch durch belastbare Daten gerechtfertigt sei. Denn im internationalen Vergleich gebe es in Deutschland relativ geringe Wartezeiten auf Facharzttermine. „Wir werden die gesetzlich vorgeschriebene Terminservicestelle umsetzen – aber nicht, weil sie sinnvoll ist und die Versorgung der Patienten verbessert, sondern nur deshalb, weil wir es tun müssen“, erklärte Schmelz. Eine ähnliche Einstellung haben auch viele andere KVen.
Befürchtet werden zudem negative Auswirkungen für die Vergütung der Fachärzte und eine zunehmende Verlagerung der ambulanten Versorgung in die Krankenhäuser: Denn wird ein Patient nach missglückter Terminvermittlung zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus geschickt, fallen die Behandlungskosten zulasten der Gesamtvergütung der Vertragsärzte.
GKV-Spitzenverband fordert Unterstützung von deutschen Fachärzten
Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer, hat sich dagegen erneut für das neue System ausgesprochen: „Die Terminservicestellen können gut funktionieren, wenn sich die Kassenärztlichen Vereinigungen auch wirklich darum bemühen“, sagte sie im Gespräch mit der Berliner Morgenpost. Weil die Terminvergabe in der Vergangenheit nicht richtig funktioniert habe, sei es richtig, dass der Gesetzgeber eingegriffen habe. „Ich erinnere die Ärzte daran, dass 90 Prozent der Bevölkerung gesetzlich versichert ist. Die Ärzte sollten nicht an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen“, so Pfeiffer.