Berlin – Die Konflikte um den Rollout und die Finanzierung der Telematikinfrastruktur (TI) halten weiter an. „Der GKV-Spitzenverband ist derzeit nicht bereit, ab Juli eine kostendeckende Finanzierungspauschale zu garantieren“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Stephan Hofmeister vergangene Woche. Die KBV und der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) kritisieren die Blockadehaltung der Kassen. Die Politik ruft die Selbstverwaltung währenddessen dazu auf, zu einer konstruktiven Diskussion zurückzukehren.
„Die KBV und die Kassenärztlichen Vereinigungen lassen nicht zu, dass die Praxen am Ende auf den Kosten für die Anbindung an die Telematikinfrastruktur sitzenbleiben“, betonte Vize-KBV-Chef Hofmeister. Hintergrund des Konflikts ist die Erstausstattungspauschale ab dem dritten Quartal, die von jetzt 2.344,98 Euro auf 1.155 Euro sinken soll. Die Pauschalen waren vor einem Jahr vereinbart worden in der Erwartung, dass die Preise aufgrund der Marktentwicklung fallen würden. Anderenfalls sollte nachverhandelt werden.
KBV: Nur kostendeckendem Angebot zustimmen
„Bis nicht klar ist, dass die Krankenkassen die Ausstattung der Praxen mit der nötigen Technik auch im dritten Quartal in voller Höhe finanzieren, können wir den Ärzten und Psychotherapeuten nicht empfehlen, die notwendigen Komponenten zu bestellen“, stellte Hofmeister klar. Denn für die Erstattungshöhe ist nicht der Zeitpunkt der Bestellung entscheidend, sondern ab wann die Praxis an die TI angeschlossen ist und das Versichertenstammdatenmanagement durchführen kann.
Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel kritisierte die Blockadehaltung der Krankenkassen in den Verhandlungen und sagte: „Wir haben fristwahrend das Schiedsamt angerufen.“ Dieser Kritik schloß sich nun auch der SpiFa an: „Wir unterstützen die KBV hinsichtlich der aktuellen Forderung nach vollständiger Finanzierung der Anbindung von Praxen an die Telematikinfrastruktur. Wir fordern die gesetzlichen Krankenkassen auf, wie im Gesetz vorgesehen, die dafür entstehenden Kosten – ohne Wenn und Aber – zu übernehmen“, so Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa.
Politik appelliert an Selbstverwaltung
Tino Sorge, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags, rief die Träger der Selbstverwaltung gestern dazu auf, zu einer geordneten Diskussionskultur zurückzukehren, berichtet das „Deutsche Ärzteblatt“. „Dass öffentliche Konflikte und Rivalitäten die Telematikinfrastruktur ausbremsen, ist inakzeptabel. Einmal mehr ist das Schiedsamt angerufen worden – in einer Frage, die die Selbstverwaltung sehr wohl auch unter sich hätte klären können“, sagte Sorge. Die öffentliche und mediale Austragung von Streitigkeiten beschädige das Vertrauen, das die Politik der Selbstverwaltung für die Umsetzung der Digitalisierung ausgesprochen habe.
Technik mit Kinderkrankheiten
Neben der KBV rät auch der MEDI Verbund Baden-Württemberg den Praxen von einer TI-Installation ab. Der TI-Konnektor für den Datenabgleich mit den Krankenkassen weise noch „zu viele Störungen und Kinderkrankheiten“ auf, so Dr. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von MEDI Baden-Württemberg und MEDI GENO Deutschland in einem Rundschreiben an die MEDI-Mitglieder. Darin heißt es: „Der Datenabgleich findet, nach Rückmeldungen aus bisher installierten Praxen, inzwischen schnell genug statt. Allerdings stürzt das System in der Konfiguration mit dem Konnektor häufiger ab und die Praxen können nicht weiterarbeiten.“ Ein Anwender habe deshalb dazu geraten, bei der Umstellung darauf zu achten, dass man ggf. mit seiner alten Konfiguration – also ohne Konnektor – weiterarbeiten können sollte, falls der Konnektor ausfällt. Zudem gebe es teilweise Probleme mit dem Format der Patientenkarte und sie könne nicht eingelesen werden.
Umfrage unter BVOU-Mitgliedern
Auch der BVOU hat seine Mitglieder zur Telematikinfrastruktur befragt. An der Umfrage des Referats Service im BVOU unter Leitung von Dr. Christian Hauschild beteiligten sich 144 Mitglieder. Von diesen haben bisher erst 22 die neue Technik in ihrer Praxis eingeführt. Bei etwa einem Drittel davon kam es nach Einführung der TI eigenen Angaben zufolge vermehrt zu Serverausfällen. Mehr als 60 Prozent aller Umfrageteilnehmer wollen mit dem Anschluss an die TI noch abwarten, bis die Technik ausgereift ist, bzw. raten ihren Kollegen dazu.