Tel Aviv – Forscher des Souraski Medical Centre in Tel Aviv haben ein Trainingsprogramm zur Sturzprävention entwickelt, das konventionelles Laufbandtraining mit Elementen der virtuellen Realität (VR) verbindet. In einer randomisierten kontrollierten Studie konnten die Wissenschaftler nun zeigen, dass die neue Trainingsform, die motorische und kognitive Aspekte des Laufens miteinander kombiniert, das Risiko von Stürzen bei älteren Menschen deutlich reduzieren kann.
Erhöhtes Sturzrisiko mit zunehmendem Alter
Etwa 30 Prozent der über 65-Jährigen stürzen mindestens einmal pro Jahr. Bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Parkinson oder Demenz sind es laut Studien sogar 60 bis 80 Prozent. Stürze können nicht nur zu schweren Verletzungen führen, die Behinderungen, den Verlust der Unabhängigkeit oder sogar den Tod zur Folge haben können. Sie führen bei älteren Menschen vor allem auch zur Verunsicherung und der Angst vor weiteren Stürzen. Viele Betroffene vermeiden es dann, das Haus zu verlassen – Inaktivität, Muskelschwäche und Gleichgewichtsstörungen sind die Folge und das Risiko für weitere Stürze nimmt zu. Ein rehabilitatives Training, zum Beispiel auf dem Laufband, kann helfen, dies verhindern.
Laufen und Hindernissen ausweichen im virtuellen Raum
Das Forscherteam aus Israel ergänzte ein solches konventionelles Laufbandtraining um eine VR-Komponente: Mit einer Kamera werden dabei die Fußbewegungen des Patienten aufgenommen und in eine virtuelle Umgebung übertragen. Auf einem großen Bildschirm direkt vor dem Laufband kann der Patient so seine eigenen Schritte verfolgen, während er sich durch die virtuelle Umgebung bewegt und dabei versucht, Hindernissen auszuweichen oder diese zu überschreiten.
Die klinische Studie umfasste 282 Teilnehmer im Alter von 60 bis 90 Jahren aus Belgien, Italien, den Niederlanden, Großbritannien und Israel. Jeder der Senioren war in den sechs Monaten vor Studienbeginn mindestens zweimal gestürzt. 130 Studienteilnehmer litten an Morbus Parkinson, 43 von ihnen hatten leichte kognitive Beeinträchtigungen. Sämtliche Teilnehmer waren in der Lage, mindestens fünf Minuten ohne fremde Hilfe zu gehen.
Vergleich von konventionellem Training und VR-Training
Die Hälfte der Teilnehmer absolvierte ein konventionelles Laufbandtraining, die andere Hälfte trainierte mit der VR-Komponente. Jede Trainingseinheit dauerte etwa 45 Minuten. Die Teilnehmer absolvierten innerhalb von sechs Wochen im Durchschnitt 16 Übungseinheiten. In den sechs Monaten danach erfassten die Forscher erneut die Zahl Stürze in beiden Gruppen und verglichen diese mit der Anzahl vor Studienbeginn.
Signifikante Verringerung des Sturzrisikos
In beiden Gruppen nahm die Zahl der Stürze ab. In der Gruppe mit dem konventionellen Laufbandtraining reduzierte sich Anzahl von zuvor 10,7 auf 8,3 Stürze. Ein signifikanter Rückgang ergab sich laut den Forschern allerdings nur in der Gruppe, die mit dem VR-System trainiert hatte. Hier reduzierte sich die Zahl der Stürze von 11,9 auf 6,0. Durch das Training mit der VR-Komponente konnte das Sturzrisiko damit um 42 Prozent gesenkt werden, so die Forscher. Sie führen dies vor allem auf die kombinierte Verbesserung von physischer Mobilität und kognitiven Fähigkeiten zurück.
Ob das System auch über den Beobachtungszeitraum von sechs Monaten hinaus das Sturzrisiko effektiv senken kann oder ein längerfristiges Training ein noch besseres Resultat erzielen könnte, müsse in weiteren Studien untersucht werden, so die Forscher. Sie glauben, dass das VR-System in Reha- und Pflegeeinrichtungen sowie Fitness-Studios zur Sturzprävention und als Teil von Reha-Programmen zum Einsatz kommen könnte. Die Kosten für das System belaufen sich auf etwa 4.000 Euro.
Die Studie „Addition of a non-immersive virtual reality component to treadmill training to reduce fall risk in older adults (V-TIME): a randomised controlled trial“ wurde am 11. August online in der Zeitschrift The Lancet veröffentlicht.
Quelle: The Lancet