Berlin – Eine hohe Arbeitsbelastung und häufige Überstunden, zu wenig Zeit für die Patienten und fehlende Strukturen in der Weiterbildung – die Mehrheit der Assistenzärzte in Deutschland schätzt ihre aktuellen Arbeitsbedingungen an den Kliniken als bestenfalls befriedigend bis schlecht ein. Dies geht aus einer aktuellen Umfrage des Hartmannbundes unter Ärzten in Weiterbildung hervor.
Demnach bewertet lediglich rund ein Drittel der 1.300 befragten Assistenzärzte seine Arbeitssituation als „sehr gut“ (5,8 Prozent) oder gut (29,5 Prozent). Fast zwei Drittel der jungen Ärztinnen und Ärzte vergeben Noten von „befriedigend“ (32,2 Prozent) über „ausreichend“ (20,2 Prozent) bis hin zu „mangelhaft“ (12,3 Prozent).
Hohe Arbeitsbelastung: Patientenversorgung und Privatleben leiden
Wie die Umfrage zeigt, ist die Ursache für die Unzufriedenheit der jungen Ärzte vor allem die zunehmende Arbeitsbelastung in den Kliniken: So sind bis zu zehn Überstunden und mehr pro Woche bei fast zwei Dritteln der Befragten die Regel. Mindestens jeder zweite Arzt in Weiterbildung ist zudem von seinem Arbeitgeber schon einmal direkt oder indirekt aufgefordert worden, Überstunden nicht zu dokumentieren. Auch die Pausenzeiten können von der Hälfte der Befragten selten bis nie eingehalten werden.
Die Folgen: Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, dass ihr Privatleben unter der Arbeit leidet. Viele Assistenzärzte empfinden ihre Arbeitsbelastung sogar als so groß, dass sie mit Schlafmangel zu kämpfen haben (32,3 Prozent), gesundheitliche Beeinträchtigungen befürchten (29,6 Prozent) oder bereits darunter leiden (12,9 Prozent).
Als weitere Belastung empfinden viele zudem, dass sie nicht genug Zeit für die Patientenversorgung haben. So hadern 40 Prozent der Befragten mit mangelnder Behandlungszeit für ihre Patienten – häufig verursacht durch zeitaufwändige Dokumentationsarbeiten, die von insgesamt 70 Prozent der Befragten mit „bis zu drei Stunden oder mehr“ angegeben werden. Weniger als ein Drittel der Befragten kann angeben, dass sie bei nichtärztlichen Leistungen (Kodieren, Sekretariatsarbeiten etc.) unterstützt werden.
„Dies ist ganz ohne Frage der Hilferuf einer jungen Ärztegeneration, die so nicht mehr arbeiten will“, kommentiert der Hartmannbund-Vorsitzende, Dr. Klaus Reinhardt, die Ergebnisse der Umfrage. Dass stetig steigende ökonomische Zwänge und Personalknappheit an den Kliniken die Arbeitsbedingungen belasten und darunter auch die Patientenversorgung leidet, sei an sich keine neue Erkenntnis. In welchem Ausmaß allerdings junge Ärztinnen und Ärzte ihre daraus resultierende Arbeitssituation als belastend empfinden, sei alarmierend.
Wenig strukturierte Weiterbildung
Auch im Hinblick auf ihre Weiterbildung sind viele Assistenzärzte unzufrieden. So fühlt sich zu Beginn der Weiterbildung nur knapp jeder Vierte umfangreich eingearbeitet. Zudem ist eine strukturierte Weiterbildung mit definierten Jahreszielen bei den Befragten noch immer die Ausnahme: drei Viertel von ihnen können nach eigenen Angaben auf ein solches Angebot nicht zurückgreifen – obwohl die Weiterbildungsordnungen dies schon seit Jahrzehnten vorsähen, so Klaus-Peter Schaps, Vorsitzender des Arbeitskreises Aus- und Weiterbildung im Hartmannbund. Er fordert die Ärztekammern auf, für die in den Weiterbildungsordnungen fixierten Vorgaben – Weiterbildungspläne, regelmäßige Gespräche der Weiterbilder mit den sich weiterbildenden Ärztinnen und Ärzten – sinnvolle Prüfinstrumente zu entwickeln.
Betreuung positiv bewertet
Vergleichsweise gute Noten vergeben die Assistenzärztinnen und -ärzte ihren Chefs in Sachen Betreuung. Mehr als zwei Drittel der Befragten geben an, dass in ihrer Abteilung Chef- und Oberärzte ihren Fragen offen gegenüberstehen, die Mehrzahl der Befragten fühlt sich durch ihren Hintergrunddienst gut betreut.
An der offenen Online-Umfrage „Ärztliches Arbeiten. Heute. Und Morgen.“ des Hartmannbundes haben sich zwischen Dezember 2016 und Januar 2017 mehr als 1.300 deutsche Assistenzärzte beteiligt.
Um die Qualität im Bereich der Facharztweiterbildung weiterzuentwickeln, hat der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie gemeinsam mit weiteren Partnern die Mastertrainer-Initiative ins Leben gerufen.