Tipps zum Qualitäts- und Gerätemanagement in der Arztpraxis
Der Umgang mit Medizingeräten und Medizinprodukten (Medizintechnik) ist in Deutschland wie europaweit streng geregelt. Da ein unsachgemäßer Gebrauch großen Schaden anrichten kann, steht die Sicherheit einerseits für die Patienten und andererseits für die Personen, die die Geräte bedienen im Mittelpunkt.
Ein gutes Gerätemanagement ist unverzichtbar für eine moderne Arztpraxis. Im Folgenden werden die wichtigsten Rechtsgrundlagen und die praktische Umsetzung dieser Vorgaben im Praxisalltag dargestellt.
Rechtliche Vorgaben
Mit dem Geltungsbeginn der europäischen Verordnung über Medizinprodukte (EU) 2017/745 (MDR) ab dem 26.05.2021 gilt auch das neue MedizinprodukterechtDurchführungsgesetz (MPDG) in Deutschland, welches das
Medizinproduktegesetz (MPG) ablöst. Grundsätzlich hat die MDR Vorrang vor der nationalen Gesetzgebung, aber in der MDR nicht geregelte Rechtsthemen sowie ausdrücklich in der MDR geforderte nationale Regelungen müssen von den Mitgliedsstaaten in Gesetze umgesetzt werden.
Dies bedeutet, dass ab 26.05.2021 die Regelungen der MDR dann unmittelbar, originär und vorrangig gelten, das MPG tritt grundsätzlich außer Kraft. Das MPDG ergänzt die Regelungen der MDR.
Auch die neuen Regelungswerke verfolgen die Zwecke der Sicherstellung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts sowie der Gewährung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards zum Schutz von Patienten, Anwendern und Dritten.
Insbesondere für die Hersteller von Medizinprodukten, oft sind es mittelständische Unternehmen, führen die neuen Vorgaben der MDR zu einem ganz erheblichen Mehr- und Umstellungsaufwand. Teilweise dürfte die Umsetzung aus Mangel an zusätzlichem Personal und hinreichender Infrastruktur sehr problematisch oder gar existenzgefährdend sein.
Weniger aufwändig ist die Umsetzung der neuen Vorgaben für den Anwender bzw. in diesem Fall den Arzt und seine Praxis. Vieles ist in der MDR nahezu identisch zum MPG geregelt. Hinzu kommt, dass die für den Betreiber bzw. Anwender primär relevante MedizinprodukteBetreiberverordnung (MpBetreibV) auch nach dem Inkrafttreten der MDR Gültigkeit hat, wenn auch teilweise geändert bzw. dem MPDG angepasst.
a. Der Begriff des Medizinproduktes
Der Begriff des Medizinproduktes ist weit und komplex. In der MDR bestimmt nunmehr Art. 2 Nr. 1, wann ein Medizinprodukt vorliegt. Neu ist die Ausdehnung der Zweckbestimmung auf Vorhersagen und Prognosen von Krankheiten, sodass der Anwendungsbereich erweitert wird. Medizinprodukte sind demnach insbesondere
- Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände
- die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen oder der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder der Empfängnisregelung zu dienen bestimmt sind
- und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirksame Mittel, noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.
Abzugrenzen sind Medizinprodukte somit insbesondere auch von Arzneimitteln, die den Regelungen des Arzneimittelgesetzes unterworfen sind.
b. Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV)
Für die Praxis des Umganges mit Medizinprodukten enthält die MPBetreibV die wesentlichen Regelungen. Tatsache ist zudem, dass durch nicht ordnungsgemäß betriebene und gewartete Medizinprodukte oder durch nicht ausreichend geschultes Personal für die Patienten das größte Gefährdungspotential besteht. Die Werkzeuge
dazu, dieser Gefährdung entgegenzuwirken, sind in der MPBetreibV enthalten. Gefordert ist hierbei ein stetiger Überwachungsprozess und nicht nur punktuelle Maßnahmen, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Gefahrvermeidungspflichten im Rahmen des Betreibens und Anwendens von Medizinprodukten bestehen hierbei aus Organisationspflichten, Aufklärungspflichten, Behandlungspflichten und Kooperationspflichten. Eine Arztpraxis als Gesundheitseinrichtung und Betreiber im Sinne der Verordnung muss die Qualifikation der Anwender, die Einweisung, die Instandhaltung, die sachkundige Aufbereitung sowie die Durchführung und Protokollierung der Sicherheitstechnischen Kontrollen (STK) sicherstellen.
Arztpraxen sollten also eine/einen Mitarbeiter/in explizit beauftragen, die/der sich um den sicheren Umgang mit Medizinprodukten und Medizingeräten kümmert, eine/einen sogenannte/n Gerätebeauftragte/n.
In Praxen ab 20 Beschäftigten ist die Bestellung einer/s Beauftragten für Medizinproduktesicherheit nach § 6 MPBetreibV verpflichtend. Die Person muss eine medizinische, naturwissenschaftliche, pflegerische, pharmazeutische oder technische Ausbildung haben, die durch Weiterbildungszertifikate nachgewiesen werden kann. Außerdem muss auf der Website eine Funktions-E-MailAdresse hinterlegt sein, damit die zuständige Behörde zielgerichtet Kontakt aufnehmen kann.
Eine Bestellung sollte immer schriftlich erfolgen, damit sowohl der/die beauftragte Mitarbeiter/in bestätigt, dass er/sie die Aufgabe übernehmen möchte, als auch die Praxis zustimmt, dass der-/diejenige das Amt innehaben soll.
Erforderlich ist zudem die Führung eines Medizinproduktebuchs für Medizinprodukte der Anlagen 1 und 2 der MPBetreibV und eines Bestandsverzeichnisses gem. § 13 MPBetreibV für alle aktiven nicht implantierbaren Medizinprodukte. Gegenüber den Anwendern müssen Gebrauchsanweisungen und Medizinproduktebücher zugänglich gemacht werden. Bei einem begründeten Verdacht, dass bei der Anwendung ein Sicherheitsrisiko besteht, ist der Betrieb eines Medizinprodukts einzustellen. Auf Verfallsdaten ist zu achten. Bei miteinander verbundenen Medizinprodukten sowie Produkten mit Zubehör muss sich der Betreiber vergewissern, dass die Konstellation geeignet ist.
Zu den unmittelbaren Behandlungspflichten gehört insbesondere die Reinigung und Desinfektion nach Herstellerangaben mit validierten Verfahren. Die entsprechenden Vorgaben nach den einschlägigen Hygiene-Richtlinien (KRINKO-/ BfArM-Richtlinie) sind hierbei heranzuziehen.
c. Straf- und Bußgeldvorschriften
Werden die gesetzlichen Vorschriften oder die Empfehlungen der Hersteller ignoriert, riskiert der Betreiber, hier die Arztpraxis, zunächst dass ein Gerät nicht ordnungsgemäß in Betrieb genommen werden kann oder auch eine Fehlbedienung der Geräte durch die Mitarbeiter. Beides kann zu Schaden am Patienten oder am Mitarbeiter führen. Es gibt bundesweit regelmäßig Begehungen von Regierungspräsidien bzw. Gewerbeämter und auch den Gesundheitsämtern in Arztpraxen – regional verschieden häufig und
intensiv ausgeprägt.
Aus § 17 MPBetreibV i.V.m. § 94 MPDG ergeben sich die Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbußen von bis zu 30.000 € bestraft werden können. In härteren Fällen sind nach § 92 und § 93 MPDG auch Strafvorschriften mit Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr bzw. drei Jahren oder Geldstrafen möglich.
Bußgelder in Arztpraxen sind durchaus realistisch, z.B.
- wenn den Behörden bei einer Dokumentenprüfung kein Bestandsverzeichnis vorgelegt werden kann,
- wenn den Behörden bei einer Dokumentenprüfung keine Einweisungsprotokolle vorgelegt werden können,
- wenn den Behörden bei einer Dokumentenprüfung keine Wartungsprotokolle vorgelegt werden können bzw. wenn die Behörden bei einer Begehung feststellen, dass Geräte nicht gewartet wurden, oder
- wenn die Behörden bei einer Begehung abgelaufene Medizinprodukte finden.
Gerätemanagement in der Arztpraxis
Auf Basis dieser rechtlichen Vorgaben bedarf es mithin eines entsprechenden Gerätemanagements in der Arztpraxis um Sanktionen oder gar Schäden zu vermeiden.
Im Folgenden werden entsprechende Grundlagen dieses Managements sowie praktische Tipps in der alltäglichen Umsetzung dargestellt.
a. Vorteile des systematischen Gerätemanagements
Ein systematisches Gerätemanagement ist für die einzelne Praxis hilfreich, um immer einen Überblick über den Gerätebestand zu haben. Das ist umso wichtiger, je größer eine Praxis ist und demzufolge, je mehr Geräte in umso mehr Räumen betrieben werden. Es hilft auch, dass bei den regulären Wartungen kein Gerät übersehen wird, sondern anhand der Liste, dem so genannten Bestandsverzeichnis, die Vollständigkeit rasch überprüft
werden kann.
Dies führt dazu, dass so pfleglich mit den Geräten umgegangen wird, weil Verschleißteile zeitig ausgetauscht werden und nur Personen die Geräte bedienen dürfen, die in der Bedienung, Pflege und Reinigung geschult sind, dass die Geräte lange betrieben werden können. Das fördert enorm die Wirtschaftlichkeit, weil die Funktionsfähigkeit lange erhalten bleibt. Dazu tragen auch die Kontrolle der Haltbarkeiten bei Einmalartikeln, Ersatzteilen, Medikamenten und Salben sowie das Verbrauchen nach dem FIFO-Prinzip (First in – first out) bei.
Auch ohne behördliche Überprüfung schadet sich die Praxis selbst, wenn sie kein systematisches Gerätemanagement pflegt, indem sie keine Übersicht über den eigenen Gerätepark hat. Folgen davon können sein, dass Geräte früher kaputtgehen, als vom Hersteller vorgesehen, was zu teuren Neuanschaffungen oder kostspieligen Reparaturen führt. Ganz zu schweigen von der Zeit, die die Praxismitarbeiter nicht in die Patientenbehandlung investieren können, weil es zu Gerätefehlern oder einem Totalausfall des Geräts kommt. Besonders unangenehm ist das, wenn eine bereits eingeleitete Behandlung abgebrochen werden muss oder vorübergehend vereinbarte Behandlungstermine abgesagt werden müssen.
Ebenso kostspielig ist es auf Dauer auch, wenn zuerst neuere Medizinprodukte verbraucht werden, wodurch ältere ablaufen und nicht mehr verwendet werden können – das sind unnötige Kosten und widerspricht dem Bild einer nachhaltigen Arztpraxis.
b. Aufgaben klären – Was ist zu tun?
Vor allem der Medizinproduktesicherheitsbeauftragte bzw. der Gerätebeauftragte in kleineren Praxen kümmern sich um die Aufgaben, die sich sowohl aus den gesetzlichen Anforderungen als auch aus den Empfehlungen der Gerätehersteller ergeben. Dazu zählen:
- Führen des Bestandsverzeichnisses nach § 13 MPBetreibV über alle medizintechnischen Geräte
- Führen der Medizinproduktebücher zu den allen medizintechnischen Geräten
- Überwachen, dass alle Personen, die andere Personen in die Gerätebedienung einweisen, selbst durch den Hersteller bzw. einen beauftragten Medizintechniker ersteingewiesen sind (Ersteinweisung) – und zwar bevor sie das Gerät das erste Mal eigenständig bedienen
- Überwachen, dass alle weiteren Personen, die ein Gerät bedienen sollen, eine Einweisung in die Bedienung erhalten haben (Folgeeinweisung) – und zwar ebenfalls bevor sie das Gerät das erste Mal eigenständig bedienen
- Überwachen, dass die erforderlichen Reinigungen durch die Mitarbeiter gemacht werden und dass sie richtig und dadurch sicher ausgeführt werden
- Überwachen, dass die erforderlichen Wartungen in den von den Herstellern vorgeschriebenen Intervallen von den beauftragten Medizintechnikern durchgeführt
werden, so genannte Sicherheits- und Messtechnische Kontrollen (STK und MTK) - Protokollieren von Störungen und Fehlern der Geräte
- Kontrollieren, dass nur mit Medizinprodukten gearbeitet wird, die noch haltbar sind – die Kontrolle der Vorräte kann auch durch andere Mitarbeiter erfolgen, der Gerätebeauftragte ist vor allem dafür verantwortlich, Stichproben zur Kontrolle zu machen
- Kennen des Meldewesens, also wissen, was zu tun ist, wenn ein Medizingerät oder ein Medizinprodukt fehlerhaft funktioniert.
Weitere Aufgaben können in Abhängigkeit von den Geräten und den durchgeführten Behandlungen möglich sein.
c. Einzelfälle aus der QM-Praxis
In den meisten Arztpraxen hat es sich eingespielt, dass sich der Medizintechniker von selbst ankündigt, wenn die erforderlichen Prüfintervalle für die Medizingeräte wieder anstehen. Es kann aber auch sein, dass er Geräte jährlich prüft, bei denen eine Überprüfung alle zwei Jahre ausreichend wäre. Solange dies der Praxis nicht auffällt und sie den Mechanismus nicht unterbindet, freut sich der Techniker über ein doppeltes Einkommen. Für die Praxis bedeutet es andererseits doppelt so hohe und unnötige Ausgaben.
Es kommt auch vor, dass ein Medizintechniker nicht wie all die Jahre zuvor den Wiederholtermin für die Wartungen vereinbart hat. Möglicherweise, weil er die Firma gewechselt hat oder ohne Kundeninformation in Rente gegangen ist. Das fällt zunächst gar nicht auf, im schlimmsten Fall erst nach fast einem Jahr ausstehender Geräteüberprüfungen. Verantwortlich für einen ordnungsgemäßen Gerätezustand ist aber nicht der Medizintechniker, sondern die Praxis.
Zu der Tätigkeit einer Qualitäts-ManagementBeratungen gehört auch immer ein Rundgang durch die Praxisräume. Häufig stößt man dabei z.B. auf Blutdruckmessgeräte, die nicht mehr geeicht sind. Dies geschieht schon, wenn eine Mitarbeiterin das Gerät benutzt oder am Körper getragen hat, während der Medizintechniker gerade die anderen Geräte gewartet hat. Genau genommen darf sich das Praxispersonal bei einem nicht geeichten Gerät aber nicht mehr auf die Messwerte verlassen. Davon könnte eine falsche Diagnose abgeleitet werden, was zu einer Fehlmedikation oder Fehlbehandlung für den Patienten führen kann. So etwas kann die Praxis nur mit einem gut geführten Bestandsverzeichnis vermeiden.
Bei den Rundgängen geht der QM-Berater so vor, wie auch eine Behörde eine Praxis prüfen würde und öffnet zahlreiche Schränke und Schubläden, um sich den Inhalt genauer zu betrachten. Ein „klassischer“ Fall ist dann, dass das neue Material vorn in den Schrank eingeräumt wurde, wodurch der ältere Bestand nach hinten geschoben wurde – und Händedesinfektionsmittel oder Spritzen abgelaufen sind. Oder hinten im Schrank steht Material, das durch einen veränderten Therapieprozess gar nicht mehr zum Einsatz kommt – und verfällt. Sehr beliebt bei abgelaufenen Verfallsdaten sind auch Probepackungen, die die Praxismitarbeiter aus Verlegenheit von Vertretern angenommen haben, aber eigentlich gar nicht benutzen wollen oder den Sinn darin nicht erkannt haben.
Es kommt auch nicht selten vor, dass z.B. eine Charge Kochsalzbeutel auf dem Transportweg ausläuft, Filter sich nicht wie üblich ordnungsgemäß in Maschinen montieren lassen und ähnliches. Die Ursache dafür liegt meistens in veränderten Produktionsprozessen der Hersteller, wobei die Probleme meist erst nach der Auslieferung in den Praxen auffällig werden. Häufig entdecken die Mitarbeiter die Mängel schon, bevor die Medizinprodukte überhaupt zum Einsatz in der Patientenbehandlung kommen. Dann entwickelt sich ein Dialog mit den Herstellern zwecks Ersatzes und Kostenerstattung, bei schwerwiegenderen Mängeln kann aber auch eine Meldung an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erfolgen. Diese Meldung hat keine negativen Konsequenzen für die Arztpraxen, sondern zielt vielmehr darauf ab, dass sich das PEI mit den Herstellern in Verbindung setzt, um den Mangel dauerhaft abzustellen. Davon profitieren letztendlich auch die Praxen.
Fazit
Ein systematisches Gerätemanagement trägt maßgeblich zu einer nachhaltigen und dauerhaften Organisation der Infrastruktur der Praxis bei. Es schützt vor kostenintensiven, langwierigen Haftungsprozessen und gibt allen Praxismitarbeiter/innen Sicherheit in der Bedienung und Pflege des Gerätebestandes und ist somit unverzichtbarer Bestandteil
moderner Praxisführung.