Moderne Hüftgelenksendoprothetik ist durch weit überwiegend gute und sehr gute Ergebnisse gekennzeichnet, so dass Änderungen der OP-Technik oder der verwendeten Implantate im Regelfall zu prozentual nur noch geringfügigen Verbesserungen führen und Marketingaspekte häufig im Vordergrund stehen. Folgende aktuelle Trends sind hervorzuheben.
Im perioperativen Management ist die lediglich einmalige präoperative Antibiotikagabe inzwischen Standard. Zusätzlich etabliert hat sich die Applikation von Tranexamsäure. Strittig ist dabei lediglich die Art der Gabe der Tranexamsäure. Im Moment gibt es keinen eindeutigen Beleg, ob die orale, die lokale oder die parenterale Gabe überlegen sind. Die Eigenblutspende spielt heute keine Rolle mehr, da der Blutverlust weitestgehend
reduziert werden konnte. Sie wird nur noch in Einzelfällen durchgeführt. Die Thromboseprophylaxe wird in Deutschland im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern und den weltweiten Trends weiterhin entsprechend der Leitlinie für 35 Tage mit einem niedermolekularen Heparin oder zunehmend mit einem oralen Antikoagulans (NOAK) durchgeführt. International etabliert ist mittlerweile die Verwendung von ASS auch in der Thromboseprophylaxe aufgrund der Eigenschaft als Thrombozytenaggregationshemmer. Der Einsatz von Robotern spielt in der Hüftendoprothetik aktuell keine Rolle.
Bezüglich des operativen Zugangs wird national und auch international in den letzten Jahren der direkt vordere Zugang verstärkt beworben und eingesetzt. Die klinischen Daten zeigen bisher keine generelle Überlegenheit dieses Zugangs. Überwiegend wird über eine schnellere Rehabilitation berichtet, wobei dieser Zugang oftmals in sog. „Rapid recovery-Konzepten“ eingesetzt wird. Andererseits zeigen einige Studien eine etwas höhere Infektionsrate, was möglicherweise mit der verstärkten bakteriellen Besiedelung im Bereich der Leiste im Gegensatz zum seitlichen und hinteren Oberschenkel zusammenhängt. Am häufigsten verwendet wird in Deutschland noch der anterolaterale Zugang (OCM-Zugang), weltweit der hintere Zugang. Die Zugänge existieren gleichberechtigt nebeneinander. Reduziert worden im letzten Jahrzehnt ist lediglich die Anwendung des transglutealen Zugangs aufgrund der Gefahr der Schädigung des M. gluteus medius.
Die Pfannenkomponente wird weltweit inzwischen nahezu ausschließlich als Press fit-Variante verwendet. Schraubpfannen spielen keine Rolle mehr. Wesentliche Unterscheidung im Aufbau der Implantate ist, dass für die Verwendung von Keramikinlays dickwandigere Pfannen verwendet werden müssen, deren primäre Fixation etwas schwieriger ist. Die zusätzliche Verschraubung der Pfanne, die insbesondere in Nordamerika und Großbritannien üblich ist, spielt in Deutschland dagegen keine Rolle. Im Gegensatz zu den Prothesenschäften haben sich Hydroxylapatitbeschichtungen an der Pfanne nicht durchgesetzt.
Bezüglich der Gleitpaarung wird in Deutschland heute weit überwiegend ein Keramikkopf mit einem hochvernetzten Polyethylen verwendet. Die in vielen Ländern sehr viel häufiger angewendete Keramik-Keramik-Gleitpaarung spielt in Deutschland aktuell nur eine geringe Rolle (kleiner 10% der Anwendungen), was im Wesentlichen durch den deutlich höheren Preis zu erklären ist. Klinische Probleme mit Keramik-Keramik-Gleitpaarungen werden weltweit kaum noch berichtet. Die Eigenschaften von Keramik-Keramik-Gleitpaarungen lassen sie für junge Patienten optimal erscheinen. Stark zurückgegangen und immer kritischer diskutiert wird die Anwendung von Metallköpfen. Neben der erhöhten Korrosionswahrscheinlichkeit zwischen Metallkopf und Implantatkonus ist das Problem der Metallionenfreisetzung zu sehen. Möglicherweise beeinflusst dies auch die Infektionsrate. In Deutschland werden aktuell weniger als 10% der Hüfttotalendoprothesen mit einem Metallkopf versorgt. Die aktuellen Zahlen des deutschen Endoprothesenregisters (EPRD) zeigen zudem eine deutlich erhöhte Revisionswahrscheinlichkeit, wenn Metallköpfe eingesetzt werden. Die Ursachen dafür sind jedoch wahrscheinlich multifaktoriell und nicht nur auf das Material zurückzuführen, dennoch bedarf dieses Ergebnis der weiteren Auswertung. Nicht nur in Risikosituationen wird jedoch immer häufiger auf den Einsatz von sog. Double mobilityImplantaten (tripolaren Pfannen) zurückgegriffen. Sie stellen heute in immer mehr Kliniken die erste Wahl bei allen Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen, Gangunsicherheiten, Versteifungen des Wirbelsäulen-Becken-Übergangs und anderen Luxationsrisiken dar. Ihr Anteil ist jährlich ansteigend, zumal auch die potentiellen Komplikationen bisher de facto nicht beobachtet werden konnten.
Bei der Schaftkomponente nehmen zementfreie Prothesenschäfte in Deutschland einen immer größeren Raum ein. Der Anteil zementfreier Implantate übersteigt prozentual den weltweit verwendeten Anteil deutlich. Ein zunehmender Anteil von zementfreien Schäften ist heute mit einer Hydroxylapatitverbindung oder Hydroxylapatit-TitanAuflage beschichtet. Grund dafür ist die einfache Handhabbarkeit und die mit modernen Implantaten mögliche hohe Primärstabilität mit der Umsetzung der Sofortbelastung. Bevorzugt werden dabei insbesondere Implantate, welche eine kurvierte Einführung des Prothesenschaftes zum Schutz der Muskulatur und des Trochanter major ermöglichen, insbesondere zu nennen sind hier auch Kurzschaftprothesen. Deren Anteil mit etwas über 15% ist in Deutschland weit höher als in anderen Ländern der Welt. Es existieren mittlerweile gute mittelfristige Daten, und auch die in Deutschland verwendeten Kurzschaftprothesen zeigen im Endoprothesenregister keinerlei Auffälligkeiten. Eine Zunahme des Einsatzes dieser einfacher zu implantierenden Prothesen erscheint daher wahrscheinlich. Zementierte Prothesen werden überwiegend bei der Versorgung von Schenkelhalsfrakturen und bei älteren Patienten (auch über 80 Jahre) eingesetzt. Die immer wieder diskutierte Gefahr einer durch das Zementieren bedingten Embolie wird in Einzelfällen diskutiert, der generelle Nachweis dafür kann jedoch nicht erbracht werden. Im deutschen Endoprothesenregister ist die Morbidität und Mortalität nach zementierten Eingriffen nach ½ Jahr erhöht, die genaue Ursachenevaluation fehlt jedoch an dieser Stelle noch.
Gegenstand der aktuellen Diskussion ist weiterhin die optimale Pfannenpositionierung. Hier haben aktuelle Arbeiten gezeigt, dass selbst wenn die Pfanne sich in der sog. Safe zone nach Lewinnek befindet (Inklination ca. 40°, Anteversion ca. 15°), dennoch eine Luxation resultieren kann. Deshalb wird diese Zone heute als „target zone“ (Zielzone) bezeichnet. Eine individuellere Anpassung der Pfanneneingangsebene wird empfohlen, wobei insbesondere die intraoperative Funktionstestung eine Rolle spielt. Im Zweifelsfall sollte hier die tripolare Pfanne ebenfalls zum Einsatz kommen.
Ebenfalls diskutiert wird die Möglichkeit der schnellen postoperativen Rehabilitation. Während dies von einigen Kliniken stark forciert wird, erscheint die Mehrzahl der Patienten in Deutschland derzeit noch nicht bereit, diesen Weg zu gehen. Hauptursache ist hier, dass die in skandinavischen Ländern oder auch in den Niederlanden verfügbaren Möglichkeiten der krankenhausnahen Pflege und ambulanten Rehabilitation in diesem Umfang in Deutschland nicht existieren. Der Weg über eine postoperative Anschlussheilbehandlung stellt daher immer noch den am häufigsten gewählten Behandlungspfad dar.