Wertheim – Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ist seit 11. Mai 2019 in Kraft getreten. Die gesetzlichen Neuregelungen sind seither schrittweise umzusetzen. Seit 1. September sind aktuell von den Praxen weitere Bestimmungen zu beachten und auch in den nächsten Jahren folgen weitere Schritte der Umsetzung des Gesetzes. Im Folgenden ein Update zum aktuellen Stand:
Vier Fallkonstellationen bieten Mehrhonorar
Das TSVG greift an zahlreichen Stellen in die Autonomie unserer Praxen ein. Hauptziel ist die Beseitigung patientenseitig zumindest gefühlter Schwierigkeiten bei der ärztlichen und psychotherapeutischen Terminvergabe. Wir hatten bereits im Infobrief 2/19 (S. 24ff.) und in den OUMN 3/19 (S. 20ff.) darüber berichtet, dass das TSVG vier spezielle Fallkonstellationen mit extrabudgetärer Vergütung und Mehrhonorar vorsieht (§§ 87, 87a SGB V) , die auch für das Fach Orthopädie und Unfallchirurgie Anreize setzen:
- Hausarzt vermittelt Termin beim Facharzt
- Terminservicestelle vermittelt Termin
- Patient besucht offene Sprechstunde
- Patient ist “neuer Patient”
Über alle Fachgruppen rechnet das BMG mit einem Honorarplus von 800 Mio €. Es werden aber durchaus unterschiedliche Zahlen genannt, der GKV-Spitzenverband rechnet mit Mehrausgaben durch die im TSVG festgelegten Honorarzuschläge bis Ende 2022 von rund 2,4 Milliarden €. Von den TSVG – Konstellationen grundsätzlich ausgenommen sind Laborleistungen des Kapitels 32 EBM sowie Leistungen im organisierten Bereitschaftsdienst, die nach § 87b Abs. 1 S. 3 SGB V aus der Morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) zu 100% zu vergüten sind.
Vorsicht: Bereinigungsfalle
In den BVOU-Medien wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes geltende Bereinigungsregelung ausgesprochen nachteilig für orthopädische Praxen ist. Diese Bereinigung erfolgt basiswirksam um die im TSVG-Arztgruppenfall abgerechneten Leistungen mit den arztgruppenspezifischen Auszahlungsquoten des jeweiligen Vorjahresquartals. Das heißt, die Leistungen der ausbudgetierten Fälle reduzieren in den Bereinigungsquartalen das RLV-QZV-Gesamtvolumen der abrechnenden Praxis. Diese Leistungen werden der Praxis aber nach dieser Bereinigung in voller Höhe vergütet. Wenn einerseits die Behandlung voll bezahlt wird und andererseits gleichzeitig die MGV um das Honorar, das sich unter normalen Umständen ergeben hätte, bereinigt wird, besteht das finanzielle Plus im ersten Jahr nur in der Differenz zwischen der Auszahlung zu 100% und dem Honorar, das ohne TSVG angefallen wäre (Quote). Denn die Krankenkassen bezahlen im ersten Jahr nur die Preisdifferenz zur Ausbudgetierung, nicht die Mengenentwicklungen. In den Folgequartalen werden die extrabudgetären Fälle nicht für die Bemessung der RLV-relevanten Fallzahl herangezogen, so dass sich diese reduziert. Erst nach Ablauf des Bereinigungszeitraums erfolgt echte Entbudgetierung mit zusätzlich von den Kassen zu zahlendem Honorar für jeden TSVG-Fall und alle Leistungen dieser Fälle. Praxen haben also erst dann mit relevantem Mehrhonorar zu rechnen. Würden innerhalb der Bereinigungsquartale sehr viele Mehrfälle und -leistungen im Rahmen der neuen ausbudgetierten Möglichkeiten abgerechnet, sind rückläufige Vergütungsanteile beim arztgruppenspezifischen Verteilungsvolumen, niedrigere Quoten bei den Freien Leistungen sowie sinkende RLVs die logische Konsequenz.
Wer also aus Unwissenheit oder Unverständnis zu früh – also vor Quartal III bzw. IV / 2020 – viele TSVG-Fälle abrechnet, schadet sowohl seiner Fachgruppe wie auch der eigenen Praxis durch dauerhafte Herabsetzung des eigenen RLV-QZV-Volumens für die Nicht-TSVG-Fälle.
Hierbei sind die jeweiligen Honorarverteilungsmaßstäbe (HVM) der Länder-KVen zu berücksichtigen. Beachte: Die Bereinigungszeiträume sind für die verschiedenen TSVG-Fallkonstellationen unterschiedlich:
- Hausarzt-Vermittlungsfall: 11.05.2019 – 10.05.2020
- TSS-Terminfall: 11.05.2019 – 10.05.2020
- TSS-Akutfall: 01.01.2020 – 31.12.2020 (voraussichtlich)
- Offene Sprechstunde: 01.09.2019 – 31.08.2020
- Neuer Patient: 01.09.2019 – 31.08.2020
Was gilt schon seit 11. Mai 2019?
Sprechstundenpflicht 25 Wochenstunden: Jeder Arzt muss seit 11. Mai 2019 bei vollem Versorgungsauftrag mindestens 25 Wochenstunden Sprechstunde anbieten (§ 19a Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV), wobei Zeiten für ambulante Operationen und Hausbesuche angerechnet werden. In Baden-Württemberg liegt die durchschnittliche Sprechstundenzeit ohnehin bereits bei 38 Wochenstunden im GKV-Bereich, andernorts dürfte es wohl ähnlich liegen, die Erfüllung dieser Verpflichtung sollte daher die meisten Praxen nicht ernsthaft vor Probleme stellen.
Meldepflicht bei Terminservicestellen: Die Terminservicestellen der KVen, die bisher nur dringliche Fälle mit Barcodekennzeichnung auf dem Überweisungsschein zum Facharzt vermitteln sollten, müssen nun ganz generell Termine bei Hausärzten, Kinderärzten und Fachärzten vermitteln. Alle Ärzte sind verpflichtet, freie Termine dort zu melden. Dies macht man sinnvollerweise über das entsprechende Onlinetool (siehe https://www.kbv.de/media/sp/PraxisInfo_eTerminservice.pdf) und man sollte nicht vergessen, dies auch fortlaufend regelmäßig umzusetzen. Es gibt keine genauen Regelungen, wie viele Termine zu melden sind, jedoch Empfehlungen. Die KVBW empfiehlt beispielsweise aufgrund ihrer Berechnungen derzeit für Chirurgen die Meldung von 1 Termin pro Arzt und Woche, für Orthopäden und Gefäßchirurgen 1 Termin je Arzt und Monat. Mit Ausnahme von Augenarzt, Frauenarzt und bei Akutfällen muss für die Vermittlung von Behandlungsterminen beim Facharzt eine Überweisung vorliegen.
Vergütung TSS-Fälle: Erst ab 11.5.2020 werden Ärzte für die Behandlung von Patienten, die über die TSS vermittelt werden, ihre Leistungen im Arztgruppenfall vollständig extrabudgetär zu festen Preisen bezahlt bekommen, bis dahin nur vermeintlich besservergütet unter Anwendung der Bereinigungsregelungen.
Vergütung Hausarzt-Vermittlungsfall: Dasselbe gilt für Patienten, denen der Hausarzt wegen der Dringlichkeit ihrer Beschwerden innerhalb von vier Tagen einen Termin in fachärztlichen Praxen vermittelt hat, der Bereinigungszeitraum geht dabei bis einschließlich 10.5.2020.
Der sog. Arztgruppenfall umfasst dabei alle Leistungen, die bei einer der möglichen TSVG-Konstellationen von derselben Arztgruppe in derselben Arztpraxis innerhalb desselben Quartals bei einem Versicherten ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse durchgeführt werden. Erfolgt die Behandlung in der Arztpraxis durch mehrere Arztgruppen, werden grundsätzlich die Leistungen derjenigen Arztgruppe extrabudgetär vergütet, die den ersten Kontakt zum Versicherten hatte.
Informationspflicht über Sprechzeiten und Barrierefreiheit: Ebenso müssen Praxen bereits jetzt über die KV ihre Sprechzeiten und Angaben zur Barrierefreiheit im Internet veröffentlicht haben.
Regresse: Positiv ist die Neuregelung, dass Regresse (§§ 106ff., 275, 297 SGB V) von KVen wie Krankenkassen maximal 2 Jahre statt bisher 4 Jahre rückwirkend geltend gemacht werden können. Zufälligkeitsprüfungen ärztlicher Leistungen werden durch Prüfungen auf Antrag ersetzt, die Festlegung der Anzahl der zu prüfenden Ärzte erfolgt durch die Landesvertragspartner. Aufgehoben werden die Prüfungen bezüglich der Feststellung von Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie der Verordnung von Krankenhausbehandlungen. Nachforderungen werden auf die Differenz der Kosten der wirtschaftlichen und der tatsächlichen Leistungen begrenzt.
Hilfsmittel: Seit dem 11.5.19 werden von Krankenkassen keine neuen Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich mehr durchgeführt. Noch laufende Ausschreibungsverträge verlieren nach einer Übergangsfrist von sechs Monaten ihre Gültigkeit. Rahmenverträge werden auf dem Verhandlungsweg gemäß § 127 Abs. 1 SGB V abgeschlossen, z. B. zwischen den Krankenkassen oder ihren Arbeitsgemeinschaften und den Verbänden oder Innungen der Leistungserbringer.
Heilmittel: Mit etwas Verspätung wurden die Preise für Heilmittelleistungen ab 1.7.19 deutschlandweit auf das jeweilige Höchstniveau angepasst. Diese gelten bis zur Einführung bundeseinheitlich zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Berufsverbänden ausgehandelten und vertraglich bestimmter Preise (§ 125 TSVG).
Neuregelungen zum 1. September 2019
Honorarzuschläge für TSS-Fälle: Seit 1.9.2019 gibt es für die schon am 11.5.19 eingeführten TSS-Fälle als zusätzliches “Bonbon” einen gestaffelten Zuschlag auf die Grund-, Versicherten- und Konsiliarpauschalen. Dabei gilt das Prinzip: Je kürzer die Wartezeit für den Patienten, desto höher der Zuschlag. Zwischen dem 1. und dem 8. Tag wird ein Zuschlag von 50% gezahlt, zwischen dem 9. und dem 14. Tag sind es 30% und zwischen dem 14. und dem 35. Tag noch 20%. Der Tag der Kontaktaufnahme des Versicherten bei der TSS gilt als erster Zähltag. Der erste Zähltag geht aus der Terminbuchungsbenachrichtigung hervor, den die annehmende Praxis von der TSS bekommt. Diese Zuschläge sind zwar selbst nicht bereinigungsrelevant, da sie nicht dem RLV unterliegen, die übrigen abgerechneten Leistungen des TSS-Falls ansonsten aber schon. Die Zuschläge sind einmal im Arztgruppenfall berechenbar.
Neupatienten: Ebenfalls seit dem 1. September wird die Behandlung sog. “neuer” Patienten extrabudgetär vergütet. Der Bereinigungszeitraum erstreckt sich auf 1.9.19 bis 31.8.20. Als neu gelten diejenigen, die noch nie oder mindestens 8 Quartale nicht von einer Arztgruppe bzw. von höchstens einer anderen Arztgruppe in der Arztpraxis behandelt worden sind. Maßgeblich ist nicht das Behandlungsdatum, sondern immer das Quartal. Arbeiten in einer Praxis mehrere Fachgruppen zusammen, bekommen maximal zwei die Behandlung eines neuen Patienten zu festen Preisen bezahlt. Neu gegründete Praxen erhalten innerhalb der ersten zwei Jahre keine extrabudgetäre Vergütung für ihre Patienten, ebenso im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens übernommene Einzelpraxen. Eine Neupraxis liegt nicht vor bei einer Änderung der Anzahl oder Personen der Gesellschafter einer BAG, eines MVZ oder bei Veränderungen bei angestellten Ärzten in bestehenden Praxen. Wechselt ein Patient seine Krankenkasse, gilt er nicht als neuer Patient. Die Regelung gilt für alle Arztgruppen außer Labormedizin, Pathologie, Anästhesie mit Ausnahme von Schmerztherapie, Humangenetik, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Nuklearmedizin, Radiologie und Strahlentherapie. Bisherige Behandlung in einem Selektivvertrag führt bei Wechsel ins Kollektivsystem nicht zur Einstufung als Neupatient.
Fünf offene Sprechstunden: Seit dem 1.9.2019 müssen Orthopäden und Unfallchirurgen, Chirurgen, Augenärzte, Gynäkologen, HNO, Hautärzte, Kinder- und Jugendpsychiater, Psychiater, Nervenärzte und Urologen mindestens fünf offene Sprechstunden pro Woche anbieten. Eine Überweisung ist dafür nicht erforderlich. Die Behandlung von Patienten, die während dieser Zeit ohne Termin in die Praxis kommen, wird ebenfalls extrabudgetär vergütet. Der Bereinigungszeitraum erstreckt sich auf 1.9.19 bis 31.8.20. Dabei haben sich KBV und Kassen auf eine Mengenbegrenzung geeinigt: Zu festen Preisen können Ärzte nur die Behandlung von max. 17,5% der Patienten abrechnen, die im Vorjahresquartal behandelt wurden. Wurden also beispielsweise im Quartal IV/18 1000 Fälle in einer Praxis behandelt, können im Quartal IV/19 maximal 175 außerhalb des Budgets vergütet werden. Bei Überschreitung erfolgt die Auswahl der extrabudgetär vergüteten Fälle nach dem Zufallsprinzip. Für das Quartal III/19 liegt die Grenze bei 5,83%, da hier das Gesetz nur 1 Monat gegolten hat. Ärzte sind verpflichtet, der KV gegenüber diese genau definierten fünf offenen Sprechstunden mitzuteilen, diese muss sie auch auf deren Webseiten publizieren. Auch die Praxis muss sie auf den Veröffentlichungsmedien der Praxis wie Schild oder Homepage angeben. Möglich ist auch ein Hinweis auf dem Praxisschild auf die Homepage von Praxis oder KV. Die Verpflichtung von 5 Stunden gilt für die o. g. Arztgruppen je Versorgungsauftrag. Arbeiten mehrere Ärzte einer Fachrichtung in einer Praxis zusammen, müssen nicht alle Ärzte in der offenen Sprechstunde Patienten versorgen, entscheidend ist die insgesamt von der Praxis angebotene Stundenzahl. Inwieweit KVen zur Erfüllung dieser Verpflichtung unaufgefordert Kontrollen durchführen bleibt abzuwarten, Beschwerden von Patienten oder Krankenkassen wird aber auf jeden Fall nachgegangen werden. Wenn die Kapazität der offenen Sprechstunde erfüllt ist, dürfen diese Patienten, die ja keine Notfälle sind, auch auf die nächste offene Sprechstunde verwiesen werden.
Vergütung des Hausarztes für Terminvermittlung: Für die ebenfalls schon zum 1.5.2019 eingeführten Terminvermittlungsfälle durch den Hausarzt gilt seit 1.9.2019 neu, dass auch der Haus- oder Kinderarzt für diese Terminvermittlung innerhalb von 4 Kalendertagen in den fachärztlichen Versorgungsbereich (mit Ausnahme von Labor und Pathologie) einen Zuschlag von 10,07€ (93 Punkten) für die dann anzusetzende GOP 03008 bzw. 04008 erhält. Für den Hausarzt ist der Zuschlag mehrfach berechnungsfähig, wenn dieser seinen Patienten im selben Quartal an Ärzte unterschiedlicher Fachgruppen vermittelt. Er muss jeweils die entsprechende Betriebsstättennummer angeben. Der Hausarzt erhält den Zuschlag unabhängig davon, ob der Patient den Termin auch tatsächlich wahrgenommen hat. Wenn der Patient im laufenden Quartal jedoch schon beim Facharzt in Behandlung ist, wird kein Zuschlag fällig. Eine Überweisung ist zwingend erforderlich. Eine Abrechnungsauffälligkeit ist zu vermuten bei Abrechnung in mehr als 15% der Fälle (§ 106d SGB V).
Abrechnungsmodalitäten: Zwischenzeitlich stehen auch die genauen Abrechnungsmodalitäten fest. Der von der Praxissoftware generierte und an die KV übertragene Datensatz ist normiert und enthält ein sogenanntes KVDT-Feld (Kassenärztliche Vereinigung Datentransfer) 4103 für die TSVG-Vermittlungs-Kontaktart. Für diese fünf TSVG-Fallkonstellationen ist darin der Wert 1 bis 5 zu generieren. Die MFA müssen also künftig schon bei der Fallanlage im Praxis-EDV-System auf die richtige Fallanlage achten. Wenn der Patient ggf. noch außerhalb vom TSVG-Fall in der Praxis, z. B. durch Ärzte anderer Arztgruppen der selben Praxis im gleichen Quartal, also außerhalb vom Arztgruppenfall, behandelt wird, muss ggf. ein duplizierter Behandlungsfall angelegt werden. Dies geschieht analog zu §115b SGB V – Fällen beim ambulanten Operieren, damit die Leistungen sauber getrennt werden können. Zusätzlich sind die hier aufgeführten EBM-Ziffern als Pseudo-GOP zur Kennzeichnung anzusetzen, die vergleichsweise leicht zu merken sind:
Vermittlungsart/Kontaktart, Neues KVDT-Feld, Feldkennung 4103 | Pseudo-GOP, EBM | |
TSS-Terminfall | 1 | 99873T |
TSS-Akutfall | 2 | 99873A |
Hausarzt-Vermittlungsfall | 3 | 99873H |
Offene Sprechstunde | 4 | 99873O |
Neupatient | 5 | 99873E |
Ob eine Praxis, die diese Leistungsziffern innerhalb des nächsten Jahres nicht abrechnet, in irgendeiner Form auffällig wird oder Nachteile haben wird, dürfte von KV zu KV unterschiedlich gehandhabt werden.
Bei den TSS-vermittelten Fällen gibt es eine arztgruppenspezifisch anzusetzende “Zusatzpauschale TSS-Terminvermittlung” (EBM GOP Orthopädie 18228, Chirurgie 07228, Phys. u. Reha-Med. 27228, Schmerztherapie 30705). Diese wiederum ist mit den Buchstaben A bis D zu kennzeichnen, je nach Zeitdauer zwischen Kontaktaufnahme mit der TSS und vermitteltem Termin.
TSS-Fallart | Buchstabenkenn-zeichnung der TSS Zusatzpauschalen | Zuschlag |
TSS-Akutfall innerhalb 24 h | A | 50 % |
TSS-Terminfall 1.-8. Tag | B | 50 % |
TSS-Terminfall 9.-14. Tag | C | 30 % |
TSS-Terminfall 15.-35. Tag | D | 20 % |
Der weitere Fahrplan: Das gilt ab Januar 2020
Vermittlung von TSS-Akutfällen: Voraussichtlich ab 1. Januar 2020 müssen die TSS rund um die Uhr unter 116 117 erreichbar sein (§ 75 Abs. 1 a SGB V). In Akutfällen sollen dann Patienten auch während der Sprechstundenzeiten auf der Basis eines standardisierten Ersteinschätzungsverfahrens (SmED) in die richtige Versorgungsebene (Arztpraxen – Notfallambulanzen am Krankenhaus – Rettungsdienst) vermittelt werden. Auch hierfür ist wieder extrabudgetäre Vergütung mit 4 Bereinigungsquartalen zuzüglich Zuschlag vorgesehen. Der genaue Start dieser Konstellation hängt vom Zeitpunkt der erfolgreichen Implementierung des SmED in die 116 117 ab; erst dann startet auch der Bereinigungszeitraum. Verzögerungen ins 1. Halbjahr 2020 zeichnen sich bereits ab.
Vorgesehene EBM-Reform: Die eigentlich zum 1.1.2020 vorgesehene EBM-Reform ist erneut auf April 2020 verschoben worden, da KBV und Krankenkassen in entscheidenden Fragen noch immer nicht einig sind.
Das kommt im Oktober 2020: Heilmittel-Blankoverordnung
Ab Oktober 2020 soll die Blanko-Verordnung für Heilmittel kommen (§§ 32, 63, 64d, 73, 84, 92, 106b, 124ff., 140f. SGB V). Einzelheiten zur Umsetzung stehen noch nicht fest. Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden sollen bei ausgewählten Indikationen über Auswahl und Dauer sowie die Frequenz der Behandlung selbst entscheiden. Die entsprechende Diagnose- und Indikationsstellung für eine Heilmittelverordnung erfolgt weiterhin durch den Vertragsarzt. Zudem können Ärzte von einer Blankoverordnung absehen, wenn dies aus medizinischen Gründen notwendig ist. Blankoverordnungen werden nicht der ärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen. Verordnungen, die über in der Heilmittelrichtlinie festgelegte orientierende Behandlungsmengen (bisher Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls) hinausgehen, bedürfen generell keiner Genehmigung mehr durch die Krankenkasse. Viele Krankenkassen verzichten bereits heute darauf.
Ab Januar 2021: Digitale Anwendungen
Spätestens ab Januar 2021 müssen Krankenkassen ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) zur Verfügung stellen (§§ 67, 291a SGB V), die von der Gesellschaft für Telematik zugelassen sein muss. In ihr werden u. a. Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte und Impfungen gespeichert. Patienten sollen mit Smartphone und Tablet auf die Daten zugreifen können. Die KBV hat hierbei den Auftrag erhalten, Standards für die medizinischen Daten der ePA festzulegen, damit Praxen unproblematisch damit arbeiten können. Ebenso sind Ärzte ab 2021 verpflichtet, Arbeitsunfähigkeitsdaten ihrer Patienten direkt und digital an die Krankenkasse des Patienten zu übermitteln (§ 73 Abs. 2 Nr. 9, § 295 SGB V). Ebenso müssen die Daten digital oder auf Papier auch dem Patienten zur Verfügung gestellt werden. Die KBV setzt sich dafür ein, dass auch die AU-Bescheinigung an den Arbeitgeber digital übermittelt werden kann. Das ist zur Zeit wohl noch offen.
Januar 2022: Ambulante Kodierrichtlinien
Das TSVG trägt der zunehmenden sektorenübergreifenden Versorgung Rechnung. So wird die Kodierung für ambulante Behandlung entsprechend harmonisiert (§ 295 SGB V). Ärzte und Psychotherapeuten werden mit bundesweit einheitlichen Regelungen für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen unterstützt. Ziel ist es, vergleichbare ambulante Fälle in Krankenhaus und Praxis auch gleich zu kodieren. Die KBV ist beauftragt, entsprechende Regelungen zu schaffen. Dies soll in Zusammenarbeit mit dem GKV-Spitzenverband, der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Deutschen Institut für medizinische Dokumentation (DIMDI) geschehen. Die neuen Regelungen zur Kodierung sollen zum 30.6.2020 feststehen, anschließend bleiben rund 1 1/2 Jahre für entsprechende Anpassungen in den Praxisverwaltungssystemen.
Das TSVG greift darüber hinaus zum Teil bereits jetzt in weitere Bereiche des Gesundheitswesens wie Selbstverwaltung (§§ 79, 81a, 197a, 326 SGB XI, § 274 SGB V), hausarztzentrierte Versorgung (§§ 73b, 53 SGB V), MVZ-Gründung (§§ 95, 103 SGB V), Zulassung (§§ 95, 96, 101, 103 SGB V), Sicherstellung (§ 105 SGB V), Impfungen, Weiterbildungsförderung (§ 75a SGB V), HIV-Präexpositionsprophylaxe (Anl. 33 BMV-Ä) und Krankenbeförderung (§ 39 Abs. 1 SGB V) ein. Diese Änderungen werden hier, weil weniger relevant für orthopädisch-unfallchirurgische Praxen, nicht im Detail dargestellt.
Dr. med. Karsten Braun, LL. M.
Bezirksvorsitzender Heilbronn-Franken