Hannover – Patienten, die an entzündlich-rheumatischen Erkrankungen leiden, haben in der Regel auch ein erhöhtes Infektionsrisiko. So infizieren sich Rheuma-Patienten häufiger mit Viren und Bakterien und erkranken schwerer als Menschen ohne Rheuma. Die Ursache für diese erhöhte Infektanfälligkeit war bisher nicht geklärt, konnte aber nun von Forschern aus Hannover identifiziert werden: Die Abwehrzellen von Rheumapatienten sind erschöpft – sie leiden sozusagen an einem T-Zell-Burnout.
Um den Krankheitsverlauf zu lindern, nehmen Rheuma-Patienten häufig immunsupprimierende Medikamente ein. „Diese Immunsuppressiva können aber nicht der einzige Auslöser für die erhöhte Infektanfälligkeit sein, denn auch Rheumapatienten, die nur Schmerzmittel einnehmen, leiden häufiger unter schweren Infekten“, sagt Dr. Theresa Frenz, Wissenschaftlerin am Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung TWINCORE in Hannover.
Untersuchung der Immunzellen von 60 Rheuma-Patienten
Die Wissenschaftlerin und ihre Kollegen arbeiten eng mit der Klinik für Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) zusammen. Gemeinsam mit Prof. Dr. Torsten Witte haben sie Patienten der MHH mit zwei verschiedenen Rheumaerkrankungen für ihre Forschung gewinnen können: 30 Patienten mit Rheumatoider Arthritis und 30 Patienten mit Spondyloarthritis. „Beide Rheumaformen befallen das Skelett, jedoch unterschiedliche Bereiche, und auch die Krankheitsverläufe sind unterschiedlich – die erhöhte Infektanfälligkeit der Patienten ist jedoch vergleichbar“, sagt der Rheumatologe Torsten Witte.
Eine zentrale Rolle im Immungeschehen spielen die CD4+ T-Helferzellen. Diese Immunzellen helfen bei der Infektionsabwehr, indem sie die zuständigen B-Zellen zur Produktion von Antikörpern anregen und andere T-Zellen unterstützen. Gleichzeitig können diese Helferzellen Mitverursacher der rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen sein.
T-Helferzellen zwischen Aktivierung und Inhibition
Aus dem Blut der Studienteilnehmer haben die Forscher die T-Helferzellen isoliert. Auf der Oberfläche dieser Zellen gibt es unterschiedliche Bereiche: der Hauptrezeptor bindet normalerweise Teile von Krankheitserregern. Daneben gibt es noch Rezeptoren, die die Funktion der T-Helferzellen mitsteuern: Aktivierende Rezeptoren sorgen dafür, dass die T-Helferzellen sich teilen, Botenstoffe ausschütten und das restliche Immunsystem wachrütteln. Inhibierende Rezeptoren fahren dann später – wenn die Infektion überstanden ist – das aggressive Abwehrprogramm zurück und lassen die Zellen absterben.
„Bei den Rheumapatienten ist diese klare Trennung in Aktivierung und Inhibition aufgehoben. Die Zellen befinden sich in einem unklaren Zustand, gefangen zwischen Teilung und Tod, und können nur unzureichend für eine Abwehrreaktion gegen Krankheitserreger aktiviert werden. Aber sie können immer noch Schaden anrichten“, so Frenz. In diesem Zwischenzustand können sie noch einen Botenstoff ausschütten – den sogenannten Tumornekrosefaktor – der die Rheumasymptome auslöst. „Die Immunzellen sind schlicht erschöpft – wie bei einer chronischen Virusinfektion – und können schlechter auf angreifende Erreger reagieren als in gesunden Menschen.“
Laut den Wissenschaftlern sei eines der derzeitig am Markt verfügbaren Rheumamedikamente in der Lage, diese Zellerschöpfung zu lindern – es bringe sozusagen die erschöpften T-Helferzellen wieder in ihr inneres Gleichgewicht zwischen Aktivierung und Inhibition. „Diesen Effekt werden wir in kommenden Studien weiter untersuchen“, sagt Prof. Dr. Ulrich Kalinke, Leiterin des Instituts für Experimentelle Infektionsforschung.
Die Studie mit dem Titel „CD4+ T cells in patients with chronic inflammatory rheumatic disorders show distinct levels of exhaustion” wurde am 2. Juni online im Journal of Allergy and Clinical Immunology veröffentlicht.