Baden-Baden – Würde man die Versorgung von Patienten im bundesdeutschen Gesundheitssystem konsequent steuern und damit dafür sorgen, dass sie angemessen versorgt werden, so wie derzeit in Selektivverträgen, dann würde zugleich eines der Hauptargumente für die Budgetierung des ärztlichen Honorars wegfallen. Diese Auffassung hat Dr. Norbert Metke, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg, bei der VSOU-Jahrestagung in Baden-Baden vertreten. Der Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Rehabilitationswesen war einer der Teilnehmer der BVOU-Podiumsdiskussion über Perspektiven für Klinik und Praxis in O und U.
„Wir wollen Patienten auf die richtige Versorgungsebene bekommen, um dann die Entbudgetierung zu bekommen“, sagte Metke. „Aber auch dann dürfen die Kosten nicht ins Unermessliche steigen.“ Die Selektivverträge in Baden-Württemberg belegten, dass dieser Ansatz funktioniere: „Der Scheindurchschnitt in den Selektivverträgen beträgt 80 Euro, in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 52 Euro“, rechnete der KV-Vorstand vor.
Fachärzte werden weiterhin gebraucht – zusätzlich in der Koordination
Die Sorgen der Fachärzte angesichts eines hausärztlich gesteuerten Systems sind für Metke nicht nachvollziehbar: „Die fachärztlichen Fallzahlen in Baden-Württemberg sind gut, die Bezahlung ist besser.“ Die Honorartöpfe blieben schließlich dieselben, betonte er. Unter der Budgetierung würden derzeit aber rund 16 Prozent der fachärztlichen Leistungen gar nicht bezahlt, in O und U seien es etwa zehn Prozent. Bei den Hausärztinnen und Hausärzten sei der Budgetierungsgrad gleich null.
Metke ist zudem davon überzeugt, dass Patientenkoordinierung nicht allein eine hausärztliche Aufgabe ist. „Auch in O und U wird es einen Anstieg durch die zunehmende Zahl von älteren Patienten geben. Je älter die Patienten sind, desto höher ist aber der Koordinierungsbedarf – sicher auch in der Orthopädie.“
Eine Patientenkoordination hält Metke auch für notwendig, weil es im derzeitigen System eine Überinanspruchnahme von Ärzten gebe. Das Ländle mit seinen zehn Millionen Einwohnern und neun Millionen GKV-Versicherten produziere jährlich 60 Millionen Behandlungsscheine. Zwölf Prozent aller Patienten konsultierten in einem Quartal zwei, manchmal auch drei Orthopäden. Diese Zahlen allein beantworten aus seiner Sicht schon die Frage, ob man zukünftig eine vernünftige Steuerung benötige oder nicht. Dass dafür Haus- und Fachärzte gebraucht werden, lässt sich Metke zufolge auch daraus ableiten, dass die Hausärzte häufig an ihren Grenzen seien und nicht beliebig mehr Aufgaben übernehmen könnten.
Genug Nachwuchs – aber Bedarf an mehr Struktur in der Weiterbildung
Auf strukturelle Herausforderungen im Bereich der Weiterbildung ging Prof. Dr. Reinhard Hoffmann ein, Ärztlicher Direktor der BG Unfallklinik Frankfurt/Main, Generalsekretär der DGOU und BVOU-Vorstandsmitglied. Derzeit zeichne sich für den Nachwuchs in O und U kein Mangel ab, doch der Bedarf an Fachärzten werde in diesem Gebiet von 2040 an aufgrund des demografischen Wandels steigen. „Die strukturierte Weiterbildung kommt zu kurz“, stellte Hoffmann fest. „Vieles machen Kliniken nicht mehr, Patientenverläufe sind dort nicht mehr abbildbar. Wir müssen deshalb gemeinsam mit unseren niedergelassenen Kollegen eine Verbund-Weiterbildung anbieten“. Dafür gebe es allerdings kein Geld. Zwar ist formal in den DRG ein gewisser Anteil für Weiterbildung eingerechnet, doch dieser entspricht nicht der Realität. „Bei der Weiterbildung dauert eine OP etwa 20 Prozent länger – das bilden die DRG nicht ab“, so Hoffmann.
Auch seien Weiterbilder heute nicht automatisch gute Lehrer, voller Empathie und rundum perfekt qualifiziert. Er selbst habe vor kurzem einen Mastertrainer-Kurs für Weiterbilder absolviert und trotz aller Erfahrung noch einiges mitgenommen, berichtete der DGOU-Generalsekretär: „Solch einen Kurs kann ich nur empfehlen.“ Was die Überarbeitung der Muster-Weiterbildungsordnung anbelange, so seien derzeit noch viele Fragen offen. O und U habe aber seine Hausaufgaben gemacht. Man fordere neben anderem ein zentrales Weiterbildungsregister, um in Zukunft zu wissen, wer wo und von wem weitergebildet werde.
Gassen: O und U ist ein Fach vieler Chancen
In der anschließenden Podiumsdiskussion unterstützte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, die Argumentation Metkes: Leistungen im fachärztlichen Bereich, die durch eine koordiniere Versorgung ausgelöst wurden, dürften nicht mehr budgetiert werden. Gassen, der auch BVOU-Vorstandsmitglied ist, wies darauf hin, dass die Zukunft von O und U aber mehr umfasse als nur Honorarfragen. Es sei ein Fach mit vielen Chancen, darunter der, von starren Sektorengrenzen wegzukommen, weil es trotz eines großen Umfangs an stationären Operationen doch überwiegend ambulantisiert sei.
Auf die Koordinierungserfahrungen in den Selektivverträgen in Baden-Württemberg verwies BVOU-Präsident Dr. Johannes Flechtenmacher. Man müsse klare Schnittstellen definieren, sagte er, und festlegen, welche Aufgaben beispielsweise in den haus- und welche in den fachärztlichen Bereich fielen. So sei Bildgebung im Selektivvertrag Sache der Fachärzte.
Zukunftsperspektiven: Verbünde fürs Rotieren zwischen ambulant und stationär
Kongresssekretär Dr. Matthias Münzberg erweiterte die Diskussion über Zukunftsperspektiven um die Sichtweise der jungen Kolleginnen und Kollegen. O und U sei ein interessantes Fach, aber vieles lerne man in der Klinik nicht mehr. Deshalb müsse es Rotationsverbünde geben, sagte er; Fragen der Bezahlung müsse man unbedingt klären. Eine Verbund-Weiterbildung garantiere zudem Sicherheit: „Die Jugend heute will wissen: Wo steige ich ein, wo bin ich im dritten, wo im sechsten Weiterbildungsjahr?“