Baden-Baden – Die Digitalisierung hilft der Medizin, die ständig wachsenden Anforderungen an die Versorgung der alternden Bevölkerung zu meistern. Die Rolle des Arztes bleibt dabei allerdings gleich. Die Verantwortung für die Diagnostik und Therapie darf nicht an einen Algorithmus delegiert werden und die persönliche Zuwendung muss integraler Bestandteil der Behandlung bleiben. Darauf hat Dr. Gerd Rauch, BVOU-Landesvorsitzender in Hessen und Kongresspräsident des BVOU beim DKOU 2018, in Baden-Baden hingewiesen. Dort fand Ende April die Jahrestagung des Vereins Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen (VSOU) statt.
„Die Digitalisierung mit ihren Schwerpunkten Telemedizin, E-Health und M-Health bietet zweifelsohne große Chancen“, sagte Rauch. Als Beispiele nannte er unter anderem die elektronische Gesundheitskarte, die Videosprechstunde, die videobasierte Kommunikation mit den Kollegen, die dreidimensionale Bildrekonstruktion der CT- und MRT-Datensätze und nicht zuletzt das große Feld der mobilen Anwendungen, also der vielen Apps für Diagnostik, Fitness und Gesundheit.
„Obwohl wir jede einzelne dieser Leistungen dringend brauchen, sollten wir bei aller Euphorie über die Chancen der Digitalisierung nicht vergessen, dass die körperliche Untersuchung ein integraler Bestandteil der Befunderhebung ist. Berühren und Berührtwerden sind Teil des Behandlungsprozesses“, betonte der DKOU-Präsident gleichzeitig in Baden-Baden. „In unserem Fach kommt die Videosprechstunde deshalb nicht für die gründliche Eingangsuntersuchung infrage. Sie eignet sich nur für die Verlaufskontrolle, insbesondere dann, wenn die Patienten weite Strecken auf sich nehmen müssten, um zur Praxis oder ins Krankenhaus zu kommen. Die menschliche Zuwendung ist in der Medizin nicht ersetzbar.“
Die digitalen Lösungen könnten Ärzte und medizinische Fachangestellte entlasten. Allerdings seien die Aufgaben nicht beliebig an einen Algorithmus delegierbar: „Der Arzt ist und bleibt derjenige, der diagnostiziert und therapiert, nicht irgendeine Software oder eine App.“ Das Ziel der Digitalisierung müsse eine bessere Patientenversorgung sein: „Wir sollten ihre Vorteile nutzen, aber beständig abwägen, ob die digitale Lösung dem Patienten tatsächlich dient.“ Die Digitalisierung dürfe auch nicht dazu führen, dass der Arzt gegängelt, überwacht und in seiner therapeutischen Freiheit eingeschränkt wird. Untrennbar mit der Digitalisierung verbunden sei auch der Datenschutz.
Hohe Standards müssten auch an die Gesundheitsinformationen im Netz angelegt werden. „Der BVOU hat mit Orthinform ein Portal ins Leben gerufen, auf dem aktuelle Patienteninformationen zu finden sind, ein Diagnose-Assistent sowie ein Tool, mit dem Ärzte und Unfallchirurgen in Wohnortnähe gesucht werden können“, erläuterte Rauch. „Die Patienten können sich dann auf die jeweilige Internetseite des Arztes oder Unfallchirurgen weiterklicken und sich selbst ein Bild von der Qualität der Praxen und Krankenhäuser in ihrer Umgebung machen.“