München – Die Achillessehne ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers. Sie verbindet Fersenbein und Wadenmuskel und hält bis zum Zehnfachen des Körpergewichts aus. Ein interdisziplinäres Forscherteam der Technischen Universität München (TUM) hat nun herausgefunden, was die Verbindung zwischen Fersenbein und Achillessehne so widerstandsfähig macht: eine stabilisierende Übergangsschicht aus extrem dünnen Proteinfasern.
„Obwohl in der Orthopädie tagtäglich Patientinnen und Patienten mit Sehnenverletzungen behandelt werden, wissen wir noch immer sehr wenig über den genauen feingeweblichen Aufbau am direkten Übergang von der Sehne zum Knochen: Die biochemischen Vorgänge, die Mikromechanik und die Mikrostruktur des Gewebes sind bisher kaum erforscht“, berichtet PD Dr. Rainer Burgkart, Oberarzt und Forschungsleiter am Lehrstuhl für Orthopädie und Sportorthopädie der TUM.
Proteinfasern zwischen Sehnen und Knochen
Zusammen mit einem interdisziplinären Team aus Biochemikern und Biophysikern der TU München hat der Mediziner eine Besonderheit der Achillessehne entdeckt: Zwischen Sehnen und Knochen gibt es eine Gewebeschicht, die aus extrem dünnen Proteinfasern besteht und für eine extrem hohe Stabilität sorgt. „Dass die Sehnen direkt am Knochen ansetzen, das war bislang die Annahme. Tatsächlich gibt es jedoch einen Übergangsbereich. Hier spleißt sich das Sehnengewebe auf in Dutzende von feinen Fasern mit einer ganz charakteristischen Zusammensetzung“, erklärt Prof. Andreas Bausch, Inhaber des Lehrstuhls für Zellbiophysik und Leiter der interdisziplinären Forschungsgruppe. „Die dünnen Fasern sind fest in der zerklüfteten Oberfläche des Knochens verankert und mechanisch äußerst belastbar.“
Neuer interdisziplinärer Forschungsansatz
„Die Innovation der Arbeit liegt darin, dass wir verschiedene medizinische, physikalische und ingenieurwissenschaftliche Verfahren kombiniert haben“, sagt Bausch. Dafür wurde zunächst ein Stück Schweineknochen mit Sehne in der Orthopädie sorgfältig präpariert. Mit Hilfe der Multiskalen-Mikroskopie-Technik wurden Dutzende von Aufnahmen von der Grenzschicht erstellt, entlang derer die Sehne mit dem Knochen verwachsen ist. Diese wurden digital zu einem großen Bild zusammengeführt. „Auf diese Weise konnten wir die Struktur der feinen, aufgespleißten Fasern sichtbar machen“, berichtet Bausch.
Im nächsten Schritt verwendete das Team fluoreszierende Antikörper, um bestimmte Proteine zum Leuchten zu bringen. Hier zeigte sich, dass die dünnen Fasern eine andere biochemische Zusammensetzung haben als die eigentliche Sehne. Im dritten Teil des Experiments bewegten die Wissenschaftler die Sehne unter Belastung hin und her und filmten dabei die Fasern. Das Ergebnis: Je nach Belastungsrichtungen sind unterschiedliche Fasern aktiv und stabilisieren den Kontakt.
Mögliche Anwendungen in Medizin und Materialforschung
„Unsere Ergebnisse erlauben es erstmals, die biochemischen und biomechanischen Prozesse in der Kontaktzone zwischen Knochen und Sehne zu verstehen, die unserem Bewegungsapparat seine enorme Stabilität verleihen“, resümiert Bausch.
Mögliche Anwendungen ergeben sich für ihn sowohl in der Materialforschung als auch in der Medizin: Ingenieurtechnisch könnten innovative Verbindungen zwischen festen und weichen Stoffen hergestellt werden. Und in der Orthopädie ließen sich die Erkenntnisse nutzen, um künftig in der Tumorchirurgie Sehnen an Implantate zu refixieren.
Quelle: TUM