Berlin – In der aktuellen Diskussion um die Novelle der Musterweiterbildungsordnung wird die Frage, was denn einen guten Arzt ausmacht implizit mitgeführt, ohne sie wirklich zu diskutieren. Letztlich dominieren abrechnungs- und standespolitische Auseinandersetzungen den Diskurs und die Frage, welchen Beitrag Facharztweiterbildung zur ärztlichen Identitätsbildung leisten kann, gerät völlig aus dem Blick.
Um die Qualität der Facharztweiterbildung nachhaltig zu verbessern und die nachwachsende Ärztegeneration im Jetzt und Hier auf dem Weg zu guten Ärzten zu begleiten, bedarf es stärkerer Anstrengungen als einer Aktualisierung der Weiterbildungsordnung alle 15 Jahre.
Unterhalb dieses ordnungspolitischen Rahmens, der letztlich nur die Ziele der Weiterbildung in den Facharztdisziplinien festschreibt, braucht es ein gemeinsames Verständnis darüber, wie der Weg zu diesen Zielen gestaltet und die Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten organisiert werden kann. Hier muss vor allem die Rolle der Weiterbilder und ihrer Abteilungen gewürdigt und deren Einsatz vor Ort im Spagat zwischen Klinikalltag und Weiterbildungauftrag begleitet werden.
Dieses Feld überlassen die Kammern weitestgehend dem Weiterbilder und fordern lediglich für den Moment der Beantragung der Weiterbildungsermächtigung die Erfüllung struktureller Anforderungen. Hochmotivierte Weiterbilder begreifen das als Chance für eigene Interpretationen und Ideen, die Mehrheit fühlt sich eher allein gelassen. Bei gleichzeitig wachsendem ökomischen Druck verkommt Weiterbildung in diesem Kontext zum Nebenprodukt von zweifelhafter Qualität. Junge Mediziner wenden sich enttäuscht ab, nicht selten verlassen sie die kurative Medizin für immer.
Strukturierte Weiterbildung – unabhängig von der Weiterbildungsordnung
Um das Ruder herumzureißen und unabhängig von der gerade gültigen Weiterbildungsordnung aktiv die Qualitätsverbesserung der Facharztweiterbildung anzugehen, müssen vor allem Konzepte zur Kompetenzentwicklung von Medizinern bekannt sein. Diese fokussieren auf nachweislich erworbene Fähigkeiten und Fertigkeiten auf dem Weg zum Facharzt und relativieren die dafür eingesetzte Zeit.
So werden der Nationale Kompetenzrahmen für das Medizinstudium NKLM, das CANMeds-Konzept aus Kanada und das Konzept der Entrustable Professional Activities, EPA, das Konzept des Accreditation Council for the Graduate Medical Education, ACGME in den USA, oder die European Training Requirements (ETR) der UEMS als Grundlage der Diskussion über die neue Kompetenzausrichtung der Facharztweiterbildung genutzt.
Die meisten der genannten wissenschaftlichen Konzepte gehen davon aus, dass ärztliches Handeln in die Kategorien „Richtig oder Falsch“einzuordnen wäre. Darauf baut die Kompetenzbasierung der Facharztweiterbildung auf. Diese Konzepte sind stark erziehungswissenschaftlich und medizinisch-fachwissenschaftlich geprägt.
Die Qualität der Weiterbildung wird auch zukünftig in der Hand der Weiterbilder liegen, die die Verantwortung zum Wissenstransfer auf die nächste Ärztegeneration aktiv annehmen und leben. Die Weiterbildungsordnung kann dafür maximal einen geeigneten Rahmen stellen, jedoch niemals Haltung und Anspruch positiv beeinflussen.
Wann ist ein Arzt ein guter Arzt?
Die grundsätzliche Frage, was denn einen guten Arzt aus einer distanzierteren, philosophischen oder berufssoziologischen Perspektive ausmacht, wird im öffentlichen Diskurs ausgeblendet.
Wesentlich für die Defintition von Weiterbildungszielen ist ein grundlegendes Verständnis für die Rolle des Arztes in der Gesellschaft und gegenüber seinen Patienten. Hier bestehen gerade bei jungen, aber auch bei vielen erfahrenen Ärzten eine erhebliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Dem Arzt vermittelt zwischen Ansprüchen des Patienten und dem Umfang der Solidarangebote der Gesellschaft. Die Erwartungen der Gesellschaft an den Arzt und seine Vermittlerrolle werden im SGB V in § 12 Abs. 1 mit der Festlegung des Leistungsrahmens gemäß des WANZ-Paradigmas (wirtschaftlich, angemessen, notwendig, zweckmäßig) sowie im § 70 Abs. 2 mit der Forderung nach einer humanen Krankenbehandlung klar formuliert.
Diese Erwartung wird regelhaft weder im Medizinstudium, noch während der Weiterbildung formuliert. Viele Ärzte bemerken, dass das eigene Berufsethos an der ökonomischen Realität scheitert und verzweifeln daran, weil sie die ihnen übertragene Vermittlerrolle nicht annehmen.
Mastertrainer-Konzept
Im Konzept einer strukturierten Weiterbildung ist die Vermittlung des ärztlichen Rollenbildes ebenso zentral wie der Einsatz simpler und effizienter Instrumenten.
Die Anwendung dieser Instrumente können Weiterbilder im Rahmen spezieller Mastertrainer-Kurse erlernen, in ihren eigenen Kliniken und Praxen umsetzen und auf Basis eigener Erfahrungen andere Mastertrainer ausbilden. Dieses Konzept wurde gemeinsam seit über 10 Jahren entwickelt. Es ist mittlerweile so weit von der wissenschaftlich-medizinischen Basis abstrahiert, dass die Einbindung weiterer Fachgebiete möglich wurde und permanent fortgeschrieben wird.
Heute wird das Mastertrainer-Konzept von den Berufsverbänden und wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Chirurgen, Anästhesisten und Internisten (BDC, BDI, BVOU und DGOU) sowie vom Marburger Bund gemeinsam getragen. Über 100 Mastertrainer wurden bereits ausgebildet.
Im Jahr 2018 wird das Projekt als Bündnis für Qualität in der Facharztweiterbildung auf eine neue Stufe gehoben und für weitere Verbände und Fachgebiete geöffnet.
Weiterführende Informationen
Das Bündnis für Qualität in der Facharztweiterbildung hat ein Positionspapier entwickelt, das über die BVOU-Geschäftsstelle verfügbar ist. Hier sind die Hintergründe der ärztlichen Rolle sowie das Zusammenspiel von Arzt und Gesellschaft ausführlich dargelegt.
Eine auf die Chirurgie fokussierte Publikation mit den Entwicklungen der letzten 15 Jahre findet sich bei Thieme in der Zeitschrift Allgemein- und Viszerachirurgie up2date 2018.
Jährlich finden zwei Mastertrainer-Seminare sowie zwei Supervisionen zum Erfahrungsaustausch der Mastertrainer statt. Termine und Buchung finden sich über die Webseite des BVOU und der ADO. Den Erfahrungsbericht einer Teilnehmerin des letzten Kurses lesen Sie im aktuellen Infobrief 3/18.
Gern steht Ihnen die Geschäftsstelle des BVOU und der Autor für weitere Fragen und konkrete Beratung zur Umsetzung in der eignen Klinik oder Praxis zur Verfügung. Gerade in O & U wird in den kommenden Jahren der sektorübergreifenden Weiterbildung eine wichtige Rolle zukommen.
Dies zeigt sich besonders an der aktuell insuffizienten Vermittlung konservativer Inhalte unseres Fachgebietes, wie Sie es in dem aktuellen Infobrief 3/18 lesen können.