Berlin/Darmstadt – Seit kurzem dürfen in vielen Bundesländern auch Fach- und Hausärzte in Praxen Wirkstoffe gegen Covid-19 impfen. Nun soll vor allem nicht-mobilen Menschen und Menschen über 80 Jahre oder mit Vorerkrankungen erleichtert werden, die Impfung zu erhalten. PD Dr. Elmar Lindhorst (BVOU-Bezirksvorsitzender Darmstadt) beteiligt sich an der Impfkampagne. Was ihn motiviert und warum Fachärzte aus O und U eine wichtige Rolle spielen, erläutert er im Gespräch.
Sie haben in Ihrer Praxis mit dem Impfen gestartet. Was für ein Gefühl ist das?
PD Dr. Elmar Lindhorst: Es geht uns darum, dass wir die Bevölkerung geimpft bekommen. Also ist es nur ein kleiner erster Schritt.
Wie haben Sie die erste Impfwoche in der Praxis erlebt?
PD Dr. Lindhorst: Wir kennen die aktuelle Impfsituation unserer Patienten recht gut. Für manche sind wir der Spezialist, für andere aber auch wie ihr Hausarzt, weil sie – altersbedingt oder chronisch immer wieder – mit Leiden zu uns kommen. So gesehen war das Impfen eine Zusatzaufgabe, die wir zeitlich bedacht hatten und gut einplanen konnten. Wir impfen grundsätzlich z.B. Tetanus und verabreichen auch andere Impfungen. Somit waren nur die Dokumentationen und das Handling des Impfstoffs etwas anders. Da wir nur begrenzt Dosen zur Verfügung haben, ist es auch überschaubar.
Warum ist es so wichtig, dass auch Ärzte aus O und U Teil der Impfkampagne sind?
PD Dr. Lindhorst: Grundsätzlich haben wir Ärzte aus O und U Impfverantwortung, z.B. nach Unfällen wie die Tetanusabklärung. D.h., unsere Berufsgruppe ist impferfahren. Es geht darum, dass wir zur Eindämmung von Covid-19 möglichst schnell viele Menschen geimpft bekommen und damit – hoffentlich für alle – eine neue, günstigere und risikoärmere Lage erzeugen können. Dafür sollten wir uns engagieren.
Welche Vorteile könnten Ärzte aus O und U bei dem Impfvorhaben haben?
PD Dr. Lindhorst: Wir können unseren Patienten vermitteln, dass wir eben nicht nur ein Superspezialist für die linke kleine Zehe, den Bandscheibenvorfall oder Schulterschmerzen sind, wenn der Hausarzt nicht mehr weiter weiß. Der Vorteil dieser Imagekampagne für uns ist, dass wir zeigen, dass wir immer den Patienten ganzheitlich vor Augen haben und gut kennen.
Welche Vorbereitungen haben Sie im Vorfeld getroffen?
PD Dr. Lindhorst: Einfache Terminplanungen, grobes Abklären, welcher Patient geimpft ist und wer nicht und die ja inzwischen einfach gewordene Kühlkette zu gewährleisten. Die Aufklärungsbögen, mit allen ihren Vor- und Nachteilen, hat z.B. das RKI und die KBV vorbereitet und diese nutzen wir.
Wie ist der Impfstart in Ihrer Praxis angelaufen? Wie viele Patienten konnten Sie durchschnittlich in den ersten Tagen bereits impfen?
PD Dr. Lindhorst: In Hessen sollen wir die Lieferung in einem Zeitfenster von dienstags nachmittags bis mittwochs Mittag über die Apotheke, je nach deren Verfügbarkeit, erhalten. Wir wurden Dienstag nachmittags beliefert und haben dann mittwochs in Ergänzung zur Sprechstunde geimpft.
War die Anzahl der Impfungen – neben dem gewohnten Praxisbetrieb – voll ausgeschöpft oder wären noch mehr Impfungen möglich gewesen?
PD Dr. Lindhorst: Es ist nur die Entscheidung, ob wir das Impfen als wichtige oder unwichtige Aufgabe ansehen. M.E. hat sie hohe Priorität, wie z.B. die frische Fraktur. Also bemühen wir uns, dass alles zügig stattfinden kann – und dann könnten wir natürlich auch noch an anderen Wochentagen impfen.
Welchen Impfstoff haben Sie geliefert bekommen und verwendet?
PD Dr. Lindhorst: Wir haben den Impfstoff von Biontech / Pfizer Comirnaty erhalten.
Inwiefern ist dieses Unterfangen auch eine logistische Herausforderung?
PD Dr. Lindhorst: Die Prioritäten müssen etwas geändert werden. Der restliche Aufwand ist überschaubar. Wenn Sie einmal geimpft haben, können Sie auch die zweite Impfreihe analog abhalten. Hier wird sich die zulassungsrechtliche Frage stellen, ob diese zukünftig vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt als die aktuell geplanten sechs Wochen erfolgen soll. Die Diskussionen dazu kann jeder täglich verfolgen.
Wie ist das mit der Abrechnung geklärt?
PD Dr. Lindhorst: Wir haben formal mit der KV Hessen direkt abgeklärt, dass wir – wie Hausärzte – in der KV Hessen berechtigt sind und die Impfkosten der GKV Patienten auch definitiv über die KV abgerechnet werden können. Die KBV hat die EBM-Ziffern ab 01.04.2021 publiziert.
AstraZeneca gilt weiterhin als Sorgenkind. Ist das ein Vertrauensverlust, der noch zu reparieren ist? Erkundigen sich Patienten vor der Impfung, welchen Impfstoff sie erhalten werden?
PD Dr. Lindhorst: Ja, es gibt auch bei den älteren Patienten Sorgen und Ablehnung. So gesehen bin ich dankbar, dass die Diskussionen bisher in unserer Praxis nicht ausgeufert sind.
Andererseits ist vielen die Impfung so wichtig, dass diese Diskussion für viele auch nicht so bedeutsam ist, wie auch gemeldete 400.000 Freiwillige nur für AstraZeneca an Ostern in NRW gezeigt haben.
Was muss darüber hinaus aus Ihrer Sicht geschehen, damit die Impfkampagne schneller vorangehen kann?
PD Dr. Lindhorst: Wir benötigen Impfstoff und keine Zuständigkeitsvorgaben oder Schlagzeilen, dass die Impfung ausschließlich beim Hausarzt erfolgt. Jeder Arzt, also eindeutig auch die Ärzte aus O und U, sollten impfen, was geht.
Die Verunsicherung scheint auch in Teilen der Ärzteschaft zu herrschen: Kennen Sie Kolleginnen und Kollegen, die eine Impfung ablehnen würden?
PD Dr. Lindhorst: Ja. Die grundsätzliche Diskussion ist manchmal schwierig und auch wichtig. Ich möchte mein Leben aber nicht mit Diskussionen über etwas verbringen, wo ich eine klare andere Überzeugung habe und meine Überzeugung zum Nutzen anderer umgesetzt werden kann. Ich sehe meine Aufgabe nicht darin, den letzten ärztlichen Impfkritiker zu überzeugen.
Herr PD Dr. Lindhorst, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führt Janosch Kuno, BVOU Pressearbeit.