Berlin – Der GKV-Spitzenverband hat die vor knapp einem Jahr mit der KBV vereinbarten Erleichterungen bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung einseitig aufgekündigt. Die Kündigung der Rahmenvorgaben Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen ist am 25.3. eingegangen, wie der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. Stephan Hofmeister, sagte.
Die KBV und der GKV-Spitzenverband hatte sich im Mai vorigen Jahres darauf verständigt, das Regressrisiko für die niedergelassenen Ärzte deutlich zu verringern und ihnen Erleichterungen bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu verschaffen.
„Diese so wichtige Unterstützung für die Hausärzte und Fachärzte hat der GKV-Spitzenverband nun Knall auf Fall einseitig aufgekündigt, nachdem regional schon einige Krankenkassenverbände die diesbezüglichen Verhandlungen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen blockiert hatten“, kritisierte Hofmeister.
„Anstatt zu helfen, fällt er uns in den Rücken. Dieses Verhalten deckt sich leider mit dem jüngsten Auftreten des GKV-Spitzenverbands im Erweiterten Bewertungsausschuss“, ergänzte Dr. Andreas Gassen, KBV-Vorstandsvorsitzender. Im Erweiterten Bewertungsausschuss Mitte März war es erneut um die Finanzierung der stark gestiegenen Hygienekosten in den Arztpraxen gegangen, die die Krankenkassen seit Jahren blockieren und wo es erneut keinen Beschluss gab.
Das sehen die Rahmenvorgaben vor
Die Aktualisierung der Rahmenvorgaben war insbesondere aufgrund des 2019 in Kraft getretenen Terminservice- und Versorgungsgesetzes notwendig geworden. Denn das Gesetz sieht unter anderem vor, dass bei Regressen für verordnete Leistungen nicht mehr die gesamten Kosten der als unwirtschaftlich erachteten Leistung erstattet werden müssen, sondern nur noch der Differenzbetrag zwischen unwirtschaftlicher und wirtschaftlicher Leistung.
Die Vertragsparteien hatten sich in den Rahmenvorgaben darauf verständigt, dass dies bei fast allen Leistungen gilt. „Wichtig war für uns Ärzte, dass diese Differenzberechnung auch bei allen Verordnungseinschränkungen und -ausschlüssen aufgrund von Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erfolgt“, erläuterte Hofmeister. Dazu zählten bei Arzneimitteln unter anderem Prüfanträge wegen eines Off-Label-Use.
Durch die Verkürzung der Frist für Wirtschaftlichkeitsprüfungen von vier auf zwei Jahre sollten die Ärzte außerdem mehr Planungssicherheit bekommen.
Kein Verlass auf Beschlüsse
„Wir erleben jetzt, dass auf gemeinsame Beschlüsse mit dem GKV-Spitzenverband kein Verlass mehr ist“, fuhr Hofmeister fort und sagte: „Offenbar ist das Gängelungsinstrument der Wirtschaftlichkeitsprüfung den Kassen so nicht mehr scharf genug, um die Ärztinnen und Ärzte richtig drangsalieren zu können.“.
Hartmannbund: Fatales Signal auch für die Generation künftiger Ärztinnen und Ärzte
Der Hartmannbund hat die einseitige Kündigung der zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband (SpiBu) geschlossenen Rahmenvorgaben gem. § 106b SGB V für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen durch die Kassenseite scharf kritisiert. Die damit defacto verbundene erneute Verschärfung eines unkalkulierbaren Regressrisikos für die Praxen dokumentiere ein Maß an Misstrauen und Missachtung, das die Kolleginnen und Kollegen zu Recht als Affront betrachteten, sagte der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt.
„Es ist mehr als nur ein unfreundlicher Akt, wenn uns ein Verhandlungspartner nach gerade einmal gut einem Jahr einen Vertrag sang- und klanglos vor die Füße wirft“, so Reinhardt. Zwar gewährleiste das Terminservice- und Versorgungsgesetz grundsätzlich nach wie vor eine Zwei-Jahresfrist für Wirtschaftlichkeitsprüfungen und sorge dafür, dass bei Regressen für verordnete Leistungen nicht mehr die gesamten Kosten der als unwirtschaftlich erachteten Leistung zu erstatten sei, sondern nur noch der Differenzbetrag zwischen unwirtschaftlicher und wirtschaftlicher Leistung. „Die Tücke liegt allerdings in den Details. Und die waren in der Rahmenvereinbarung vernünftig geregelt“, ist Reinhardt überzeugt. So hatte man sich beispielweise darauf verständigt, dass das Prinzip der Erstattung (lediglich) der Kostendifferenz für fast alle Leistungen gelte – auch bei allen Verordnungseinschränkungen und -ausschlüssen aufgrund von GBA-Richtlinien und bei „Beratung vor Regress“. Dies und vieles mehr werde von den Kassen ohne jede substanzielle Begründung nun wieder in Frage gestellt.
Für Reinhardt gehen die Folgen dieser Kassen-Politik weit über die wirtschaftliche Gefährdung der betroffenen Praxen hinaus. Für ihn konterkarieren die Kassen mit der Kündigung der Vereinbarung die Bereitschaft junger Menschen, sich als Arzt oder Ärztin niederzulassen. Bekanntlich sei die Sorge vor Regress eines der größten Hemmnisse einer Entscheidung zur Niederlassung. „Während wir mit viel Engagement junge Ärztinnen und Ärzte davon zu überzeugen versuchen, dass Arzt-Sein in der Niederlassung Zukunft hat, setzen die Kassen hier ein ganz anderes, fatales Signal. Das ist mit Blick auf die Versorgung schlicht verantwortungslos“.
Quelle: KBV/Hartmannbund