Berlin – Die Zahl der Patienten, die in Deutschland von einer rheumatoiden Arthritis (RA) betroffen sind, ist einer Auswertung des Versorgungsatlas des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) höher als bisher angenommen. Ältere Schätzungen gingen von einer Erkrankungshäufigkeit von etwa 0,8 bzw. 0,9 Prozent der Bevölkerung aus, tatsächlich lag die Zahl den Zi-Daten zufolge im Jahr 2014 bundesweit bei etwa 1,2 Prozent.
Außerdem nehmen immer mehr RA-Patienten die vertragsärztliche Versorgung in Anspruch. Während im Jahr 2009 nur etwa 526.000 gesetzlich Krankenversicherte wegen einer RA in ärztlicher Behandlung waren, waren es im Jahr 2015 rund 666.000 Patienten. Dies entspricht einem Zuwachs von 24 Prozent in sechs Jahren. Als Grundlage für die Daten des Zi dienten vertragsärztliche Abrechnungsdaten.
Auswertung zu RA-Patienten auf Basis von Daten aus dem Selektivvertrag in Baden-Württemberg
Erst vor kurzem wurden RA-Daten aus einer Fall-Kontroll-Studie veröffentlicht, an der der BVOU mitgewirkt hatte. Basis waren Routinedaten von rund 3,4 Millionen Versicherten der AOK Baden-Württemberg. Sie wurden hinsichtlich Arztkontakten, Prävalenz, Inzidenz und Komorbiditäten bei RA auf der Basis ambulanter und stationärer Diagnosen aus dem Jahr 2013 ausgewertet. Die Studie zählt zur Reihe der Veröffentlichungen, die durch gemeinsame Analysen der Vertragspartner in den Selektivverträgen in Baden-Württemberg erst möglich wurden.
Die Studienautoren gelangten zu dem Schluss, dass Patienten mit rheumatoider Arthritis in Deutschland nicht optimal versorgt sind. Dies sei bedenklich, weil Betroffene eine erhöhte Morbidität im Vergleich zur Gesamtbevölkerung haben. Aus den Daten der AOK-Studie lässt sich je nach Falldefinition eine Prävalenz von bis zu 1,05 % ermitteln. Patienten der Rheumagruppe zeigten signifikant häufiger Komorbiditäten als die der Kontrollgruppe, vor allem in Bezug auf Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes. Sie beanspruchten ambulante Gesundheitsleistungen auch signifikant häufiger.
Vor allem ältere RA-Patienten sind zu selten bei Spezialisten
Nahezu alle RA-Patienten suchten im analysierten Jahr ihren Hausarzt auf (99 %), 54 % einen internistischen Rheumatologen, 41 % einen Orthopäden/Unfallchirurgen. Vor allem ältere Patienten fielen bei der Analyse der Facharztkontakte negativ auf: Ein gutes Drittel im Alter zwischen 80 bis 84 war bei gar keinem Spezialisten, bei den über 85-Jährigen sogar mehr als die Hälfte. Und: Während in der Kontrollgruppe lediglich 17 % der Versicherten mindestens einmal stationär versorgt wurden, waren es in der RA-Gruppe 32 Prozent. Dabei war neben der rheumatoiden Arthritis Herzinsuffizienz die nächsthäufige behandelte Krankheit.
Die Autoren schränken allerdings ein, dass ihre Daten nicht originär für Forschungszwecke erhoben wurden und deshalb nur eingeschränkt repräsentativ sind. Sie gehen gleichwohl davon aus, dass RA-Patienten kränker sind als die Allgemeinbevölkerung und mehr Leistungen in Anspruch nehmen. „Die Ergebnisse der Studien unterstreichen die Notwendigkeit einer engen interdisziplinären und intersektoralen Zusammenarbeit und Kommunikation“, heißt es deshalb.